Hamburg. Adrie de Vries gewinnt auf der Galopp-Rennbahn in Horn erstmals das Rennen um das „Blaue Band“. Gesamtbilanz fällt durchwachsen aus.
So häufig hat er eine Situation wie diese wahrscheinlich noch nicht erlebt. Bei der Siegerehrung des Deutschen Derbys, dem wichtigsten Galopprennen in Deutschland, stand Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher mit Ehefrau Eva Maria am Sonntag um 17.15 Uhr zwar auf dem Podest vor der Haupttribüne, doch seine Rolle war ausnahmsweise nur klein. Hamburgs oberster Chef übergab den Senatspreis an Siegertrainer Markus Klug vom Gestüt Röttgen, danach rückte er zurück ins Glied.
Das Hauptaugenmerk lag auf dem frisch gekürten Sieger-Jockey Adrie de Vries, der in einem spannenden Rennen auf Weltstar knapp vor dessen Stallgefährten Destino unter Martin Seidl gewann. Dritter wurde der als Topfavorit gehandelte Royal Youmzain mit dem mal wieder geschlagenen Eduardo Pedroza (42), Stammjockey von Trainer und Stallbesitzer Andreas Wöhler. Er scheiterte auch beim 15. Versuch, das Deutsche Derby zu gewinnen.
Ein Holländer, der von den Deutschen angenommen wird
Die anschließende kollegiale Champagnerdusche von Vorjahressieger Maxim Pecheur ließ de Vries gern über sich ergeben. „Ich hatte ein tolles Pferd, dem ich alles zugetraut habe“, sagte er. Für den Niederländer ging ein Lebenstraum in Erfüllung. Auch er hat schon zwölfmal versucht, das mit 650.000 Euro dotierte Prestige-Rennen zu gewinnen. „Endlich hat es geklappt“, sagte er. „Dieser Sieg fehlte mir in meiner Liste.“ Und während rundherum um die Tribüne mehr oder weniger sattelfest die deutsche Nationalhymne mitgebrummt wurde, blieb de Vries in sich versunken und ganz bei sich. Im vergangenen Jahr hätte er eigentlich das Siegerpferd Windstoß reiten sollen, doch er wurde krank. Nun hat er es mit dessen Halbbruder Weltstar geschafft. „Ich danke auch dem Publikum“, sagte er. „Ich bin Holländer, und da ist es keine Selbstverständlichkeit, in Deutschland angenommen zu werden.“
Gleich nach dem Rennen schauten sich die Regelhüter den Rennverlauf allerdings noch einmal genau an. Als sich alle 13 gestarteten Pferde, Chimney Rock hatte wegen einer Hufverletzung zurückgezogen werden müssen, für den Endspurt positionierten, hatte de Vries mit Weltstar plötzlich seine Linie verlassen, war zur Seite geschwenkt. „Weil die drei von ihm behinderten Pferde keine Siegchancen hatten, wurde das Rennen gewertet, wie der Zieleinlauf war“, sagte Frank Becker von der Rennleitung. Die fünf Tage Lizenzentzug, die de Vries dennoch aufgebrummt bekam, werden seine gute Laune nicht geschmälert haben. Zumal er mit insgesamt zehn Siegen auch noch der erfolgreichste Jockey war. Und Klug mit sieben Erfolgen der erfolgreichste Trainer.
Mehr Bahn- als Außenwetten
Sowieso waren erstmals bei diesem Derby-Meeting die Veranstalter einigermaßen zufrieden mit dem Tag. 15.200 Zuschauer sowie ein Rennumsatz von etwa 878.161 Euro ließen die etwas enttäuschenderen Tage zuvor vergessen. An allen Renntagen wurden 2.416.209 Euro Wettumsatz erzielt. Allein im Hauptrennen, dem Derby, wurden 305.764,50 Euro eingenommen. Eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um knapp 50.000 Euro. „Damit bin ich sehr zufrieden“, sagte Hans-Ludolf Matthiessen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender. „Beim Gesamtumsatz haben wir natürlich auf mehr gehofft. Aber man muss sich ja immer Ziele nach oben setzen. Wir beginnen jetzt mit den Planungen für das 150. Derby.“
Entsprechend entspannt gab sich auch die Schatzmeisterin. „Die Bahnwetten sind im Vergleich zu den Außenwetten heute deutlich mehr“, sagte Ilona Vollmers. „So bleibt mehr für uns übrig.“ Auf die Außenwetten müssen zehn Prozent Provision gezahlt werden.
Sportsenator Grote lobt den Stellenwert der Galoppwoche
Und noch einer genoss den sonnigen Sonntag mit Ehefrau und Kindern: Andy Grote, Senator der Behörde für Inneres und Sport, besuchte lässig in Jeans und Hemd am frühen Nachmittag den VIP-Bereich auf der Tribüne, dort, wo sich morgens von elf Uhr an die Hamburger Gesellschaft zum traditionellen Derby-Empfang von Mäzen, Namensgeber und Kaffeeunternehmer Albert Darboven (82) getroffen hatte.
„Die Veranstaltung ist eines der großen Pferdesportevents, die wir in der Stadt haben. Deutschlandweit hat es ein sehr hohes Standing“, sagte Grote. „Das Derby selbst gibt es nur einmal im Jahr hier bei uns in Hamburg. Es ist eine der großen Traditionsveranstaltungen.“
Dass es jedes Jahr schwieriger wird, rentabel zu arbeiten, um ein den Vorgaben des obersten Dachverbands genügendes Event auf die Beine zu stellen, ist seit Langem bekannt. „Wir tun viel für dieses Event. Gerade haben wir 200.000 Euro Planungsmittel bereitgestellt, um hier die kombinierte Trab-und Galopp-Rennbahn zu realisieren“, sagte Grote. „Wir fördern jedes einzelne Derby jedes Jahr mit 200.000 Euro. Wir lassen uns das etwas kosten, weil es eine bedeutende Veranstaltung ist.“
Die Anlage ist marode, und weil auch die Traber nach dem Aus für ihre Sportstätte in Bahrenfeld ein neues Zuhause suchen, soll die Doppelrennbahn die Lösung für beide darbende Sportarten sein. „Im Laufe des Sommers soll die Machbarkeitsstudie vorgelegt werden“, kündigte Grote an. „Das liegt in der Verantwortung der beiden Trägerclubs. Dann werden wir uns diese anschauen. Die Federführung liegt bei der Senatskanzlei, und wenn die Ergebnisse entsprechend sind, dann geht das Verfahren in die nächste Stufe.“ Die Zeit drängt. 2019 will der Renn-Club das 150. Jubiläum des Derbys feiern. Gute Nachrichten würden helfen.