Stuttgart. 0:2 im Fedcup gegen Tschechien. Man muss blühende Fantasie mitbringen, um an den Sieg zu glauben. Doch der Teamchef macht Mut.
Das Gute, sagte Julia Görges nach dem Match, als sie sich erstmals so kämpferisch zeigte, wie man sie auf dem roten Sand gern gesehen hätte; das Gute am Fedcup sei, dass nach dem ersten Tag noch nichts entschieden ist. „Wir haben noch zwei Einzel und ein Doppel, man darf nie die Hoffnung schwinden lassen, weil alles möglich ist“, sagte Deutschlands beste Tennisspielerin.
Nun ja: Man muss schon eine Menge Optimismus oder eine blühende Fantasie mitbringen, um daran zu glauben, dass die deutschen Damen ihr Halbfinalduell mit Seriensieger Tschechien (fünf Titel seit 2011) noch gewinnen werden. 0:2 steht es nach einem ernüchternden Auftakttag in der Stuttgarter Porsche-Arena.
Görges innerhalb von 60 Minuten "verprügelt"
Die Nummer elf und zwölf der Weltrangliste, Görges (29/Bad Oldesloe) und Angelique Kerber (30/Kiel), gegen Nummer sechs und zehn, Karolina Pliskova (26) und Petra Kvitova (28) – mehr Weltklasse auf Augenhöhe geht nicht, hatte man vor dem ersten Aufschlag gedacht. Doch dann wurde zunächst Görges von Kvitova innerhalb von nur einer Stunde 6:3, 6:2 verprügelt, anschließend verlor Kerber trotz immerhin kämpferisch ansprechender Leistung nach 1:23 Stunden 5:7, 3:6 gegen Pliskova. Es waren Machtdemonstrationen, die nicht nur die 4500 Zuschauer ratlos zurückließen – und die den Traum vom ersten Titel seit 1992 und dem ersten Finaleinzug seit 2014 fast schon zum Platzen brachten.
„Ich bin trotzdem stolz auf beide Mädels, sie haben alles gegeben, auch wenn es etwas schnell ging“, sagte Teamchef Jens Gerlach. Kerber wurde vor allem vom Aufschlaghagel ihrer Rivalin böse getroffen. „Sie hat in den wichtigen Momenten stark serviert, das war der Schlüssel“, sagte die zweifache Grand-Slam-Siegerin, der es in ihrem ersten Match auf Sand in diesem Jahr zu selten gelang, das Tempo zu diktieren und Druck aufzubauen.
Kvitova von Messer eines Einbrechers verletzt
Görges hatte zuvor gegen Kvitova zu keiner Phase nachweisen können, wie ihr die nationale Wachablösung an der Spitze gelungen war. Zwar reklamierte die in Regensburg lebende Bad Oldesloerin, ihre Gegnerin habe „verdammt gut gespielt und mir keine Zeit gegeben, mein Spiel aufzubauen“, das jedoch stimmte nur bedingt. Die zweimalige Wimbledonsiegerin musste wenig mehr tun, als Druck aufzubauen und auf Görges‘ Fehler zu warten.
Weil auch deren Aufschlag keine Waffe war, durfte Kvitova mehrmals die linke Schlaghand zur Jubelfaust ballen, was ihr vor einem Jahr gar nicht möglich gewesen wäre. Bei einem Einbruch in ihre Privatwohnung in Prostejov war sie vom Täter mit einem Messer schwer an der linken Hand verletzt worden. Körperliche Spätfolgen sind keine mehr zu sehen.
Am Sonntag (11 Uhr/live bei DAZN) ist es nun an Görges, gegen Pliskova ihren Fehltritt vergessen zu machen. Gelingt das nicht, würde das vierte Einzel zwischen Kerber und Kvitova nicht mehr ausgetragen. Das Doppel, für das Tatjana Maria/Anna-Lena Grönefeld (Bad Saulgau/Nordhorn) sowie Barbora Strycova/Katerina Siniakova nominiert sind, wäre bedeutungslos. Die Taktik, mit der das kleine Tenniswunder noch gelingen soll, hat Teamchef Gerlach schon ausgetüftelt: „Aufstehen, Krone richten, weitermachen!“ Wäre schön, wenn es so einfach wäre.