Hamburg. Noma Noha Akugue (14) gilt als hoffnungsvolles Tennistalent. In Hamburg will sie die nächsten Schritte machen.
Vater Ronald (45) hat mal geboxt. HBC Heros hieß der Club in Hamburg, für den er die gepolsterten Handschuhe überstreifte. Noch mehr als der Faustkampf faszinierte ihn allerdings das Spiel von Steffi Graf. Die ehemalige Nummer eins der Tenniswelt prägte in den Achtzigerjahren ein ganzes Jahrzehnt lang das Frauentennis. "Ich liebte ihr Spiel", sagt der gebürtige Nigerianer. Der Kampfgeist, die Eleganz, die Fitness und die Erfolge Grafs haben ihn nie mehr losgelassen. Als er mit Ehefrau Miriam Akugue als erstes Kind eine Tochter bekam, sollte Tennis in deren Leben eine große Rolle spielen.
„Noma war drei Jahre alt, da wollte ich sie beim TSV Glinde anmelden“, sagt Ronald Obazelu. Die Eheleute haben ihre Namen bei der Hochzeit behalten. In der Tennisabteilung war man allerdings der Meinung, die Kleine sei noch zu jung. Erst ein halbes Jahr später durfte sie mit einem Kinderschläger in der Hand ausprobieren, ob ihr dieses Spiel Spaß macht. Danach war schnell klar: aus der kann mal was Großes werden.
Mit elf die jünste Bezirksmeisterin aller Zeiten
Inzwischen ist Noma Noha Akugue 14 Jahre alt, die Nummer zwei ihres Jahrgangs in Deutschland, in der DTB-Rangliste wird sie auf Position 91 geführt, und sie ist Mitglied im so genannten Perspektivkader. Mit elf Jahren war sie die jüngste Bezirksmeisterin aller Zeiten, Im vergangenen Sommer wurde sie in Kiel überlegen U16-Landesmeisterin und gewann im August in Bremen im Club zur Vahr ihr erstes, mit 1000 Euro dotiertes Damenturnier. „Darüber habe ich mich sehr gefreut“, sagt sie.
Im Gegensatz zum lockeren Geplauder des Vaters ist die Tochter zurückhaltend. Lautsprecherei ist nicht ihr Ding. Nein, Vorbilder habe sie nicht, sagt sie. Noch nicht einmal die amerikanischen Williams-Schwestern, wie einst Graf jahrzehntelang die Besten der Besten auf der Profi-Tour. In der Schule seien Sport und Englisch ihre Lieblingsfächer, Mathematik eher nicht.
Und ja, sie möchte einmal Profi werden. Irgendwann. In die kleine Gesprächspause hinein meldet sich der Vater wieder zu Wort: Top 50 in Deutschland noch in diesem Jahr, das sei aber schon das Ziel, ergänzt er. „Papa redet viel, ich höre zu“, sagt die Tochter und traut sich ein erstes Lächeln.
Für den weiteren Aufstieg sind Sponsoren nötig
Tennis ist in dieser Familie das Thema, um das es geht. In ihrem Heimatland sahen die Eltern keine Zukunft. Auf Umwegen kamen sie nach Deutschland, gründeten eine Familie und versuchen nun für ihre drei Kinder eine Lebensbasis zu legen. Beide verdienen ihr Geld als Reinigungskräfte. Jeder Euro wird gespart. Die Kinder sollen es einmal besser haben. Die beiden Söhne Josef (13) und Gideon (11) sind zwar auch ballbegabt – Josef spielt Fußball bei St. Pauli – doch an die Klasse der Schwester kommen sie zur Zeit noch nicht heran.
An den Wochenenden fährt die Familie mit der Tochter zu Turnieren in der näheren Umgebung. Dann gibt Vater Roland den Freizeitcoach. Weitere Reisen sind im schmalen Etat nicht drin. Noch nicht. Soll es weiter nach oben gehen, müssten Sponsoren gefunden werden. An dieser schwierigen Aufgabe versucht sich seit einiger Zeit Geoffrey Hansen (29), Hamburger mit ghanaischen Wurzeln, der als Fußballspieler selbst von einer großen Sportlerkarriere träumte, verletzungsbedingt aber früh aufhören musste. Nun versucht er, sich in der norddeutschen Fußball- und Tennisszene als Berater zu etablieren.
Im Training geht es vor allem um die Spielstrategie
Seit diesem Jahr spielt Noma Akugue für den Marienthaler Tennis- und Hockeyclub. In Glinde habe es am Ende Missverständnisse gegeben, erklärt der Vater den Wechsel diplomatisch. Der neue Verein hat den Vorteil, dass er an der Horner Rennbahn in nächster Nachbarschaft zur Hamburger Verbandshalle liegt. Zweimal in der Woche trainiert Noma Akugue mit MTHC-Damentrainer Danny Kusel. Er kümmert sich derzeit besonders um die noch fehlende Spielstrategie seines Schützlings. „Sie ist technisch schon ganz gut“, sagt Kusel. „Aber sie muss noch lernen, ihre Matches weniger aufwendig zu gewinnen.“
Verantwortlich für die bislang gute Ausbildung der 14-Jährigen sind Ole Wiederhold, Chefcoach beim TSV Glinde, und Herbert Horst, der beim Tennisverband Schleswig-Holstein für die Förderung des Nachwuchses zuständig ist. In der Branche ist „Herby", wie er genannt wir, als behutsamer Talenteaufbauer bekannt. Einst trainierte er den Weltklassespieler Michael Stich. Auch die ehemalige Weltranglistenerste Angelique Kerber formte er, die aktuelle Weltranglisten-Zehnte Julia Görges und Fedcup-Spielerin Mona Barthel.
Seine Einschätzung zu den Zukunftsaussichten von Noma Akugue formuliert der erfahrene Horst (62) vorsichtig; zu viele aufstrebende Talente hat er im Laufe der Jahre gesehen, die es am Ende doch nicht geschafft haben. „Noma ist in der Lage, eine gute bis sehr gute Spielerin zu werden“, sagt er. „Aber sie steht erst am Anfang ihres Weges, und der Weg ist lang und steinig.“ Körperlich werde die noch sehr zierliche Spielerin zulegen, sagt er, das sehe man an ihren Füßen: „Außerdem ist sie sehr kreativ und verfügt über eine natürliche Bewegungsbegabung.“
Horst wird sich Stück für Stück aus der Betreuung von Noma Akugue zurückziehen, weil diese nun für einen Hamburger und nicht mehr Schleswig-Holsteinischen Verein spielt. Doch die beiden Verbände kooperieren seit kurzem, weshalb der Übergang seines Schützlings zum jungen Kollegen Marco Kirschner ohne Knirschen verläuft. Auch der sieht viel Potenzial bei den drei Trainingseinheiten pro Woche. „Noma hat eine gute Intuition, ein flexibles Spiel und ist leichtfüßig“, sagt er.
Nomas zweite Leidenschaft ist das Tanzen
Aber natürlich weiß auch Kirschner, das viel passieren kann auf dem Weg zur angestrebten Profi-Karriere. Ungeduldige Eltern, die ihre Kinder zu forsch in den Erfolg treiben, gibt es in allen Sportarten. Berater, die Geschäfte wittern, aber den Weitblick vermissen lassen, auch. Oft sind es auch die Jugendlichen selbst, die sich zu viel Druck machen. Oder den Spagat zwischen Schule, Leben lernen und Training nicht problemlos hinbekommen. „Am Ende schaffen es die am ehesten, die es nur aus sich selbst heraus wollen“, sagt Horst.
Seit dem Wochenende findet in der Verbandshalle an der Horner Rennbahn das Yonex ITF-Turnier statt, eines von acht Jugendweltranglisten-Veranstaltungen in Deutschland. Viele deutsche Profis wie Carina Witthöft oder Sabine Lisicki haben diese Serie einst als Sprungbrett für ihre Karriere nutzen können. Noma Akugue hat eine Wildcard für das Hauptfeld bekommen.
Sie startet an diesem Dienstag ins Turnier. Locker gemacht für den Auftritt hat sie sich vermutlich mit ihrer zweiten Leidenschaft – dem Tanzen. Shuffle nennt sich der Stil, bei dem sie sich zu elektronischen Klängen wie einst Michael Jackson bei seinem legendärem Moonwalk bewegt. Das Spielerische vom Tanzen und der Kampfgeist vom Boxen des Vaters – das könnte vielleicht das Rezept für eine erfolgreiche Zukunft sein.