Hamburg. Altstar Anke Huber über ihren Fedcupsieg vor 26 Jahren und die Chancen des deutschen Teams im Halbfinale gegen Tschechien.
Ihre Zeit ist knapp in diesen Tagen. Am kommenden Montag beginnt das Damenturnier Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart, dessen sportliche Leiterin Anke Huber seit 2002 ist. Kein Wunder also, dass die 43-Jährige mit der Organisation des Events viel zu tun hat. Über das am Sonnabend und Sonntag an selber Stelle anstehende Fedcup-Halbfinale zwischen Deutschland und Tschechien spricht die ehemalige Weltranglistenvierte dennoch gern. Nicht nur, weil sie sich auf Weltklassesport freut. Sondern auch, weil sie als Mitglied der letzten deutschen Siegermannschaft von 1992 und als deutsche Spielerin mit den meisten Einzelsiegen im Nationenwettbewerb die wohl kompetenteste Fedcup-Gesprächspartnerin ist.
Hamburger Abendblatt: Frau Huber, 26 Jahre ist es her, dass Deutschland letztmals über einen Fedcupsieg jubeln durfte. Warum ist es so schwer, diesen Pokal zu gewinnen?
Anke Huber: Weil auf einen kurzen Zeitraum begrenzt innerhalb eines Teams alles passen muss. Heute ist es noch schwieriger geworden. Wir haben 1992 innerhalb einer Woche den Fedcup ausgespielt. Heute muss an drei Wochenenden im Jahr alles perfekt laufen. Außerdem ist die Weltspitze breiter geworden, es spielen noch mehr Nationen gutes Tennis, als es zu meiner aktiven Zeit der Fall war.
Sie sprechen den Teamgeist an; etwas, was im Einzelsport Tennis meist nicht zum Tragen kommt. Warum scheint es anderen Nationen oft besser zu gelingen als Deutschland, als Team zusammenzuhalten?
Ich denke nicht, dass das in anderen Nationen signifikant besser gelingt. Grundsätzlich tun sich manche Tennisspieler schwer damit, sich auf den Teamgedanken einzulassen. Die Umstellung ist auch nicht leicht. Man ist gewohnt, das ganze Jahr über seinen eigenen Rhythmus zu haben, was Trainings- oder Essenszeiten angeht. Und dann muss man sich plötzlich nach anderen richten, sich anpassen. Ein guter Teamchef versucht zwar, sich so gut wie möglich auf das Individuum einzulassen, aber es allen recht zu machen, das gelingt leider nicht. Insofern ist der Fedcup, genau wie der Daviscup bei den Männern, eine besondere Herausforderung.
Die Ihnen stets sehr gut gelegen zu haben scheint, immerhin hat keine deutsche Spielerin mehr Einzelsiege im Fedcup geschafft als Sie. Warum?
Ich habe auch manchmal schönen Mist zusammengespielt, da war auch nicht immer alles gut! Aber ich habe immer gern im Team gespielt. Und mein Vorteil war, dass ich mir keine Gedanken darüber gemacht habe, dass ich für mein Team oder mein Land spiele. Ich wollte einfach immer genauso gut spielen wie für mich allein.
Dieses Thema, besonderen Druck zu empfinden, wenn man für sein Land spielt, ist in den vergangenen Wochen sehr präsent gewesen, ausgelöst durch den Fußballprofi Per Mertesacker. Wie ist es Ihnen gelungen, diesen Druck nicht negativ auf sich wirken zu lassen?
Immer ist mir das auch nicht gelungen, ich war schon auch manchmal sehr aufgeregt. Aber es war für mich kein Unterschied, ob ich für mich gewinne oder für mein Land. Ich kann das aber durchaus nachempfinden, wenn es anderen anders geht. Das Gefühl, für andere mitverantwortlich zu sein, kann sicherlich zu mehr Druck führen.
Hat der Tennisspieler gegenüber dem Teamsportler den Vorteil, dass er es gewohnt ist, immer auf sich allein gestellt zu sein, während der Teamsportler sich auch mal hinter den Mitspielern verstecken kann?
Ich denke schon, dass Tennisspieler diese Drucksituationen aufgrund ihrer täglichen Erfahrungen besser kennen. Aber ob sie deshalb grundsätzlich besser damit umgehen können, bezweifle ich. Das ist eine Charakterfrage.
Manche sagen, dass Frauen anders mit Druck umgehen, weil sie offener miteinander reden als Männer, die es eher mit sich selbst ausmachen. Wie sind da Ihre Erfahrungen?
Ich glaube nicht, dass das geschlechtsspezifisch ist, sondern immer eine Frage des Charakters. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass wir damals auch im Fedcupteam nie miteinander über irgendwelche Schwächen geredet haben. Das ist im Teamsport möglicherweise anders, aber bei uns hat es jede mit sich selbst ausgemacht.
Wenn, wie an diesem Wochenende wieder, die Chance ansteht, ein Fedcupfinale zu erreichen: Was löst das in Ihnen aus? Wie präsent ist Ihr eigener Fedcupsieg 1992 noch bei Ihnen?
Eigentlich ist er gar nicht mehr präsent. Natürlich erinnere ich mich daran, aber ich war 17 und habe mich eher mitreißen lassen. In dem Alter realisierst du noch nicht, was so etwas bedeutet. Dazu muss ich sagen, dass Tennis damals viel präsenter in den Medien war, weil ständig irgendein deutscher Spieler, ob es Steffi Graf war, Boris Becker oder Michael Stich, ein Grand-Slam-Turnier gewann. Da war ein Titel im Fedcup nichts wirklich Besonderes. Diese Erkenntnis kam bei mir erst viel später.
Was hat der Triumph im Fedcup rückblickend denn für Ihre Karriere bewirkt?
Er hat mir eine Menge Selbstvertrauen gegeben und mir gezeigt, dass ich in der Lage bin, auch große Matches zu gewinnen. Für meine Entwicklung war das sicherlich sehr wichtig.
Sie würden also, wenn man Sie heute um Rat fragte, jeder Spielerin zuraten, im Fedcup anzutreten?
Ich rate jeder Spielerin, das individuell zu entscheiden. Ich kann für mich sagen, dass ich es besonders genossen habe, in einer Gemeinschaft wie dem Fedcupteam Siege zu feiern. So etwas erlebst du sonst als Tennisprofi nicht. Aber jede Spielerin muss für sich selbst wissen, ob sie sich bereit dafür fühlt, in einem Team zu spielen.
Die Erwartungshaltung in Deutschland ist, auch 26 Jahre nach dem letzten Triumph, stets hoch, auch die heutigen Generationen werden noch mit Graf, Becker, Stich verglichen. Ist das nicht eine Bürde, die Leistung hemmt?
Sicherlich ist das hart für die nachfolgenden Generationen, dass es diese Vergleiche immer noch gibt. Aber die Erwartungshaltung kann man leider nicht wegreden, sie ist da, zumal dann, wenn man zwei Topspielerinnen hat wie Julia Görges und Angelique Kerber. Damit müssen die Spielerinnen klarkommen, und das tun sie auch.
Dann formulieren Sie doch bitte zum Abschluss Ihre Erwartungshaltung für das anstehende Wochenende.
Die Chancen, ins Finale einzuziehen, sind auf jeden Fall da, Görges und Kerber können jede Spielerin schlagen. Allerdings hat Tschechien mit Petra Kvitova und Karolina Pliskova zwei Top-Ten-Einzelspielerinnen. Es wird hart. Aber wie ich zu Beginn des Gesprächs sagte: Es muss alles passen. Dann wird es mit dem Titel klappen.