Hamburg/Flensburg. Hamburgs Handballer begießen die Meisterschaft auf der Autobahn-Raststätte. Spieler mussten wieder aus dem Hotel auschecken.
Als hätte er etwas geahnt: Nach dem hart erkämpften 28:24-Auswärtssieg bei Abstiegskandidat DHK Flensborg klatschte Torsten Jansen jeden seiner Spieler besonders emotional ab. Im Wissen darum, nur noch einen weiteren Sieg aus den verbleibenden drei Spielen zur Drittliga-Meisterschaft zu benötigen, wirkte der Trainer des Handball Sport Vereins Hamburg (HSVH) gelöster als nach vorangegangenen Erfolgen. Auf der anschließenden Pressekonferenz stieß der 41-Jährige liebend gern mit dem bereitgestellten Sponsorenbier an, trank genüsslich aus und machte überhaupt keine Anstalten, sich für die Heimreise umzuziehen.
Die Spieler bestiegen um kurz vor 20 Uhr in Kleingruppen die bereitgestellten Mini-Vans des Vereins. Das Abendspiel des einzig verbliebenen Verfolgers TSV Altenholz beim MTV Braunschweig lief noch beilläufig auf den Handys mit. „Und dann liefert Braunschweig plötzlich so ein Spiel ab. Damit haben wir nicht gerechnet“, beschreibt HSVH-Kapitän Lukas Ossenkopp die zunehmende Aufregung, als Altenholz in der zweiten Halbzeit plötzlich mit vier, fünf Toren in Rückstand gerät. Spätestens beim 32:27-Endstand für Braunschweig ist allen klar: Altenholz kann den HSVH nicht mehr abfangen, die Drittliga-Meisterschaft ist perfekt – auf der Autobahn. Der Braunschweiger Sieg vergrößert ganz nebenbei die Abstiegssorgen des Tabellenletzten HG Hamburg-Barmbek, der unglücklich 33:35 (14:16) gegen Schwerin verlor. Arne Schneider riss sich dabei die Achillessehne.
Kapitän: "Wir hatten nichts vorbereitet"
Davon bekommen die HSVH-Handballer nichts mit. Der Zweitliga-Aufstieg wird noch an der nächsten Raststätte auf der A 7 begossen. „Wir hatten nichts vorbereitet, kein Bier dabei“, berichtet Ossenkopp. „Einige Jungs von uns wollten den Abend noch in Flensburg verbringen, hatten gerade im Hotel eingecheckt und mussten dann wieder auschecken.“ Die spontane Meisterfeier sollte an der Volksbank-Arena fortgesetzt werden. Als Jansen an der Trainings- und Geschäftsstelle des HSVH eintrifft, skandieren Spieler und rund 50 weitere Fans, Freunde und Verwandte: „Meistertrainer, Meistertrainer, hey, hey“. Bierdusche inklusive.
„Momentan fehlt uns noch das Geld für Verstärkungen“
„Dieser Aufstieg in unserer jungen Historie ist eine großartige Geschichte. Eine tolle Bestätigung“, sagt Vereinspräsident Marc Evermann, der den neuen HSVH gemeinsam mit seinen Mitstreitern nach der Insolvenz der Profimannschaft des alten HSV Hamburg 2016 aufbaute. Der Erfolg, aus der viertklassigen Oberliga zurück in den zweitklassigen Profihandball zu kehren, ist „Lohn für unsere Aufbauarbeit und Verantwortung zugleich, weiterhin mit Augenmaß die Entwicklung voranzutreiben“, sagt der 46-Jährige. Der Aufstieg komme zwar nicht zu früh, „wir hatten ihn aber in diesem Jahr auch nicht als unbedingtes Ziel ausgegeben“.
Lizenzbescheid wird erwartet, Hauptsponsor gesucht
Die Liste der Gratulanten ist lang. Als Erstes meldete sich die Politik, „was uns sehr stolz macht“, sagt Evermann. „Das Engagement der Vereinsspitze, ihre Ernsthaftigkeit, ihr Vertrauen in den sportlichen Nachwuchs und ihr Realitätssinn hat mich von Anfang an beeindruckt“, lobt Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD), der als Fan regelmäßig Heimspiele in der Sporthalle Hamburg besucht, „ich hoffe, dass der HSVH Vorbild für weitere Hamburger Teams wird.“ Die Handballer sind nun auch in ihrer Ligazugehörigkeit auf Augenhöhe mit den Basketballern der Hamburg Towers. Hamburgs größtem Sportförderer Alexander Otto imponiert „die gute Arbeit von Martin Schwalb und Marc Evermann, die noch mehr Unterstützer verdient“.
Vereinsboss Evermann verzichtet noch darauf, neue sportliche oder wirtschaftliche Ziele konkret zu benennen. Die Lizenzerteilung für die Zweite Liga erwarte er in den kommenden Tagen. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, haben jetzt aber auch noch sehr viel Arbeit vor uns.“ Der Etat soll erhöht werden, der Verein sucht für seine ausgegliederte Spielbetriebs-GmbH einen Hauptsponsor. Sportlich gebe es am verdienten Aufstieg überhaupt keine Zweifel, meint Lukas Ossenkopp: „Wer bisher nur sechs Punkte abgegeben hat, das beste Torverhältnis und die beste Abwehr der Liga stelle, hat vieles richtig gemacht.“ Der Rückraumschütze denkt, dass der Großteil der Mannschaft zusammenbleibe und auch in der Zweiten Liga bestehen werde.
Gefeiert wurde im Restaurant von Gastronom und HSVH-Aufsichtsratschef Christoph Strenger im Hotel East auf St. Pauli, wo anschließend auf dem Kiez die Nacht zum Tag gemacht wurde. „Um 7 Uhr war ich im Bett“, sagt Ossenkopp, der sich jetzt auf ein paar freie Tage freut, die hat Trainer Jansen bierselig spendiert.