Hamburg. Showdown fast bis zur Ziellinie. Vater und Sohn Brinkmann verloren mit ihrer „MarieJo“ den NRV-Wettstreit gegen die „Red“.
Spannend wurde es alle vier Stunden. Dann gab es im Internet neue Informationen über die aktuelle Position der „Red“. Nicht dass die Crew um Tobias Brinkmann ihre „MarieJo“ hätte sofort reagieren lassen können. Dazu ist so ein Segelschiff zu abhängig von den äußeren Bedingungen. Zudem war die Konkurrenz irgendwo meilenweit auf dem Atlantik entfernt. Ein Wettbewerb also ohne Sichtkontakt. „Aber die Infos haben dafür gesorgt, dass wir quasi im Rennfieber blieben“, sagt der Hamburger Skipper. „So war es nie langweilig.“ Wie ist der Kurs, wie die durchschnittliche Geschwindigkeit der anderen? Fragen wie diese bestimmten die Tage.
Am vergangenen Montag bei Sonnenaufgang und leichtem Wind war die Segelpartie zwischen den beiden Hamburger Besatzungen entschieden. Nach 15 Tagen, 17 Stunden, 25 Minuten und 25 Sekunden hatte die „Red“ von Eigner und Inhaber Mathias Müller von Blumencron als Erste die Ziellinie im Hafen von Grenada überquert. Rund neun Stunden später hatten es auch Vater Berthold und Sohn Tobias Brinkmann mit der „MarieJo“ in der Class40 geschafft und wurden Zweite in ihrer Bootsklasse. „Es war überwältigend“, sagt der Junior. „So ein Abenteuer schweißt zusammen. Obwohl wir uns vorher persönlich nicht kannten, haben uns die Männer der ,Red‘ warmherzig empfangen. Ein Moment, den wir nicht vergessen werden.“
Abenteuer über Generationen vereint
Sportliche Höchstleistung, Kameradschaft und Abenteuer über Generationen vereint, so lautete das Motto der diesjährigen Atlantic Anniversary Regatta über 3o00 Meilen von Lanzarote durch den Südatlantik nach Grenada, die zugleich den 150. Geburtstag des Norddeutschen Regatta Vereins (NRV) einleitete. 23 internationale Yachten aus aller Welt, darunter elf aus Deutschland und neun vom NRV, gingen am 25. November an den Start. Teil zwei des Rennens von Bermuda aus über den Nordatlantik bis Cuxhaven ist für Sommer 2018 geplant. Tobias Brinkmann (41) wird dann nicht dabei sein. „Das kann ich meiner Familie nicht antun“, sagt er. Die Tränen seines dreijährigen Sohnes zum Abschied hatten dazu geführt, dass sich der Vater regelmäßig auf der Reise trotz widrigster Umstände per Satellitentelefon zu Hause meldete. „Die machten sich natürlich Sorgen.“
Zu Recht. Denn 500 Meilen östlich vor Grenada, das 40-Fuß-Segelschiff hatte gerade jede Menge Wind unter den Segeln, unterbrach ein Schaden am Ruder die bislang einigermaßen problemfreie Fahrt der Hamburger. Vorsichtshalber funkte die „MarieJo“ ihre Position an die Wettkampfleitung für den Fall, dass sie Hilfe gebraucht hätten. „Danach haben wir nur noch im Notfallmodus funktioniert“, sagt Tobias Brinkmann. Zwei Mann reparierten den Schaden notdürftig. Danach setzten sie vorsichtig wieder etwas Segel, trauten sich immer mehr, am Ende war das Vertrauen in den schwimmenden Untersatz wieder fast wie zu Beginn. „Wir haben einfach so getan, als sei alles gut.“ Die Reparatur kostete einen halben Tag. Viel Anerkennung gab es dennoch, weil die Brinkmanns sowie Sönke Boy, Robin Zinkmann und Max Minarek mit relativ wenig Vorbereitung und einem sehr komplexen kleinen Schiff in die Spitzengruppe gesegelt waren.
Kleiner Kulturschock
Ende dieser Woche ging es zurück ins verregnete, aber dennoch vorweihnachtliche Hamburg – ein kleiner Kulturschock. „Delphine begleiteten uns ebenso wie Schwärme von fliegenden Fischen“, beschreibt Tobias Brinkmann die Schönheit des Segelabenteuers. „Dass man nun statt kurzer Hosen und T-Shirt warme Sachen braucht, ist gewöhnungsbedürftig.“ Auch Vater Berthold (68) hat den Törn unter sehr spezifischen Bedingungen gut überstanden. Er war unter anderem für die Verpflegung zuständig. „Ein ganz wichtiger Job“, sagt der Sohn. „Kochen auf einem einflammigen Gaskocher muss man bei heftigem Wind und Wellengang erst einmal hinkriegen.“
Abgenommen haben sie alle dennoch trotz der Warmmachkünste des Seniors. Der anstrengende Tages- und Nachtrhythmus zwischen Segeln, Wachen und Schlafen hat mehr Kalorien verbraucht, als sie zu sich nehmen konnten. Dass sie zudem nur rudimentär der im Alltag gewohnten Körperpflege nachkommen konnten, war irgendwann kein Thema mehr. Erst nach der Ankunft war auch das ein bemerkenswertes Erlebnis: „Endlich wieder duschen.“ Bis zur Rückreise im Sommer bleibt das Schiff im Hafen von Grenada an Land.
Noch immer sind nicht alle der gestarteten Segler eingelaufen. Dennoch stehen einige Sieger fest. Aus Hamburger Sicht ist neben dem internen Class40-Duell die Spitzenposition der „Broader View Hamburg“ (Hamburgischer Verein Seefahrt) in der Wertungsgruppe IRC One vor den NRV-Schiffen „Lunatix“ und „Latona“ der Familien Böhnert und von Eicken hervorzuheben. Die „Varuna IV“ von Jens Kellinghusen (NRV) hatte das Rennen wegen eines Wasserschadens frühzeitig abbrechen müssen.