Krakau. DFB-Sportdirektor sichtlich gerührt. 8,7 Millionen TV-Zuschauer sahen deutschen Triumph. Nach Abpfiff gabs einen “Kabinenabriss“.
Irgendwann nach Mitternacht stieg Julian Pollersbeck auf einen Stuhl und stimmte die letzte Strophe seines Fiderallala-Liedes an. "Europameister, das sind wir – da vorne gibt es ganz viel Bier", grölte der Torhüter ins Mikro und gab den Startschuss zur Titelparty. Die Antwort kam wie während der gesamten EM laut und deutlich zurück: Mannschaft und Trainer brüllten "Fiderallala, fiderallala, fiderallalalala" – sogar DFB-Präsident Reinhard Grindel und Sportdirektor Horst Hrubesch stimmten mit ein.
Mit bengalischem Feuer und goldenem Konfetti war der neue U-21-Europameister zuvor im Teamhotel Turowka empfangen worden, wo die Mannschaft mit Freunden und Familie feierte. In Wieliczka fand so die ausgelassene Party ihre Fortsetzung, die nach dem 1:0 gegen den Topfavoriten Spanien in der Kabine ihren Anfang genommen hatte.
Davie Selke: "Die Kabine steht nicht mehr"
"Das war ein kompletter Abriss. Die Kabine steht nicht mehr, glaube ich", sagte Stürmer Davie Selke. Der Hit des Tages war dabei "Die Nummer eins der Welt sind wir", auch wenn die Mannschaft gerade "nur" Europameister geworden war, gefolgt von Songs wie "Drei Tage wach" und "Skandal im Sperrbezirk". Im Teambus bekam sogar Helene Fischer den Zuschlag. Dabei hatte die U21 "Atemlos" und Co. vier Wochen lang aus der Kabine verbannt. Nach dem EM-Triumph war aber alles egal. Grund zum Feiern gab es schließlich genug.
Der Titel war zu Turnierbeginn zwar erhofft, aber nicht unbedingt erwartet worden. Kuntz musste insgesamt acht Akteure an Joachim Löw abgeben, der mit einer "zweiten U21" zum Confed Cup reiste. Auch die Verletzung von Jonathan Tah kurz vor dem EM-Start steckte die U21 weg und holte mit einem starken Teamgeist den Pokal. Im Finale gegen Spanien gelang zum Abschluss die beste Turnierleistung.
Hrubesch: "Habe mich meiner Tränen nicht geschämt"
"Ich habe zehn Minuten vor Schluss im Stadion gesessen, und ich sage es ganz deutlich: Ich habe mich meiner Tränen nicht geschämt, als die Zeit um war und da unten meine, unsere Europameister rumgelaufen sind", sagte Horst Hrubesch auf dem Empfang im Hotel.
Der DFB-Sportdirektor hatte 2009 als Trainer den zuvor letzten U-21-Titel geholt und kennt auch aus dem jetzigen Kader noch viele Spieler. Auch Trainer Stefan Kuntz, der von DFB-Präsident Grindel nach Schlusspfiff einen neuen Vertrag bis 2020 angeboten bekam, war gerührt. "Wenn man so einen Pokal gewinnt, wird man das niemals vergessen. In zwei Jahren wird sich jeder an dieses Team erinnern", sagte Kuntz. So wie an die "Klasse von 2009", die vor acht Jahren Europameister geworden war und später sechs Weltmeister stellte.
Siegtorschütze Weiser: "Mir sind die Tränen gekommen"
Der Held des Abends, den 8,7 Millionen Zuschauer live im ZDF verfolgten, hielt sich derweil ein wenig zurück. Mitchell Weiser von Hertha BSC, der in der 40. Minute mit einer "Kopfball-Bogenlampe" das einzige Tor des Spiels erzielt hatte, musste die 90 Minuten erst einmal sacken lassen. "Mir sind die Tränen gekommen. Das letzte halbe Jahr war nicht einfach", sagte der lange verletzte Weiser.
Später ließ er sich dann doch noch für sein Kunst-Tor feiern. "Ich weiß gar nicht, wie der reingegangen ist. Da war auf jeden Fall Glück dabei", gab Weiser zu. Partymacher Nummer eins blieb aber Julian Pollersbeck. Der Schlussmann gab noch weitere, nicht jugendfreie Strophen seines Fiderallala-Songs zum Besten, ehe er den EM-Pokal zum Trinkgefäß umfunktionierte. "Kann man da was reinschütten? Das ist wichtig, denn ein Pokal ohne Öffnung ist kein richtiger Pokal", sagte Pollerbeck und kam nach kurzer Überlegung zu dem Ergebnis: "Da gehen bestimmt vier Liter rein." Danach kam die Party erst richtig in Schwung.