Krakau. Pollersbeck und Jung triumphieren bei der Endrunde in Polen. Goldener Schütze im Finale war Weiser. Zweiter U-21-Titel für den DFB.

Deutschlands U21 hat mit den HSV-Profis Julian Pollersbeck und Gideon Jung im Kader ihr eigenes Fußball-Märchen geschrieben und sich wie die goldene Generation vor acht Jahren zum Europameister gekrönt. In einem mitreißenden und temporeichen Finale trumpfte die DFB-Auswahl am Freitagabend in Krakau gegen den haushohen Favoriten Spanien mit ihrer besten Turnierleistung groß beim 1:0 auf.

Mitchell Weiser (40. Minute) sorgte mit seinem Kopfballtor vor 14.059 Zuschauern für eine rauschende Titelfeier der deutschen Junioren, die in der nervenaufreibenden Schlussphase zittern mussten. "Das war ein unglaubliches Spiel heute. Ich habe noch nie erlebt, dass eine Mannschaft so kämpfen kann", sagte Weiser im Anschluss im ZDF. "Wir haben total verdient gewonnen", urteilte DFB-Trainer Stefan Kuntz.

Schöner Schwitzkasten: Schalkes Max Meyer (r.) schnappt sich Siegschütze Mitchell Weiser (Hertha BSC)
Schöner Schwitzkasten: Schalkes Max Meyer (r.) schnappt sich Siegschütze Mitchell Weiser (Hertha BSC) © Imago/Newspix

Nach dem Coup der Auswahl um die späteren Weltmeister Manuel Neuer, Mats Hummels & Co. im Jahr 2009 jubelte erst zum zweiten Mal eine deutsche Mannschaft als U21-Europameister. Das Ensemble gewann dank einer couragierten, zweikampffreudigen und taktisch cleveren Vorstellung im dritten U21-Finale einer DFB-Elf verdient. Der nächste deutsche Titel könnte schon am Sonntag beim Confed Cup gefeiert werden. Zahlreiche U21-Kräfte wollen in Russland unter Bundestrainer Joachim Löw mit der A-Nationalmannschaft gegen Chile siegen.

Reaktionen auf den EM-Titel

Stefan Kuntz (Trainer)

Es ist überwältigend. Ich freue mich wahnsinnig für die Mannschaft. Wir haben die Spanier nicht ins Spiel kommen lassen.

Mitchell Weiser (Siegtorschütze)

Wannsinn, unglaublich. Das habe ich noch nicht erlebt, dass eine Mannschaft so kämpft. Mir fehlen die Worte, es freut mich für die Mannschaft.

Reinhard Rauball (DFL-Präsident)

Von einem solchen Erfolg konnte man vor dem Turnier nur träumen. Die Spieler dürfen sehr stolz sein auf das, was sie bei dieser EM geleistet und erreicht haben. Ich wünsche den Spielern, dass sie in der kommenden Saison so viele Einsätze wie möglich bekommen.

Christian Seifert (DFL-Geschäftsführer)

Die Leistungen der Mannschaft bei dieser Endrunde haben einfach Spaß gemacht. Umso mehr, weil die jungen Spieler fast durchweg aus Clubs der Bundesliga und der 2. Bundesliga kommen und aus deren Nachwuchsleistungszentren. Das Auftreten bei dieser EM wird den Spielern einen Schub für die weitere Karriere geben und auch andere Talente motivieren.

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Spanier fanden nicht ins Spiel

Auf den Tag genau 21 Jahre nach dem EM-Titel der A-Nationalmannschaft mit dem damaligen Stürmer Kuntz legten seine Junioren in Krakau titelhungrig los. Mit ihrem körperbetonten Auftritt überrumpelte die DFB-Auswahl den Favoriten regelrecht, erspielte sich phasenweise Chancen fast im Minutentakt. Weiser (6.), Maximilian Arnold (9.) und Serge Gnabry (16./21.) scheiterten mit ihren Schüssen. Der Kopfball des nur 1,73 großen Max Meyer segelte an den Pfosten (7.).

Die Spanier fanden gegen den angekündigten „Tick deutscher Härte“ nur schwer ins Spiel. Nach einem bösen Fehlpass von Jeremy Toljan hatte das Kuntz-Team aber Glück, dass Spaniens Kapitän Gerard Deulofeu den Blackout des Hoffenheimers nicht ausnutzen konnte (30.). Der im Turnier so starke Toljan trumpfte aber noch vor der Pause auf der Gegenseite mit seiner dritten Torvorlage im Turnier einmal mehr stark auf. Seine Flanke lenkte der nach der Verletzung von Davie Selke neu ins Team beorderte Weiser den Ball per Kopf ins lange Eck - die hochverdienten Pausenführung und das zweite Kopfballtor in der Karriere des nicht übergroß gewachsenen Berliners.

Die Erfolge der deutschen U-21-Trainer

1. Berti Vogts (1979-1990)

Als 1979 die deutsche U21 aus der Taufe gehoben wurde, übernahm Berti Vogts das Zepter - und behielt es elf Jahre lang. Beim ersten Länderspiel am 10. Oktober 1979 gegen Polen (0:1) schickte Vogts unter anderem Rudi Völler, Pierre Littbarski und Joachim Löw auf den Platz. 1982 wurde Vogts mit dem Team Vize-Europameister, 1990 stieg er als Nachfolger von Teamchef Franz Beckenbauer zum Bundestrainer auf.

2. Hannes Löhr (1990-2002)

Löhr übertraf Vogts und blieb sogar zwölf Jahre Trainer der U21 - bis heute Rekord. Sein größter Erfolg war der Gewinn der Bronzemedaille bei Olympia 1988 in Seoul. Bei Europameisterschaften war dagegen spätestens im Viertelfinale Endstation. 2002 übergab der 2016 verstorbene Löhr an den 23 Jahre jüngeren Jürgen Kohler.

3. Jürgen Kohler (2002-2003)

Kohler hatte bei Borussia Dortmund gerade erst seine aktive Karriere beendet, da stürzte er sich schon ins Trainergeschäft. Nach nur neun Monaten bei der U21 war jedoch wieder Schluss: Der Weltmeister von 1990 nahm ein Angebot von Bayer Leverkusen an und wurde Sportdirektor der Werkself. In Kohlers Amtszeit fällt unter anderem ein 1:5 in Bosnien-Herzegowina - erst 2015 kassierten eine deutsche U21 eine höhere Niederlage.

4. Ulli Stielike (2003-2004)

Kohlers Nachfolger wurde Stielike, der zuvor das nur vier Jahre existierende "Team 2006" betreut und auch schon als Assistenztrainer von Teamchef Erich Ribbeck gearbeitet hatte. Bei der U21-EM 2004 im eigenen Land schied das DFB-Team jedoch unter Stielike in der Vorrunde aus und verpasste so die Olympia-Teilnahme. Für Stielike war nach nur einem Jahr wieder Schluss.

5. Dieter Eilts (2004-2008)

Der langjährige Werder-Profi Eilts wurde 2004 vom deutschen U19-Trainer zum U21-Coach befördert - auch auf Wunsch des damaligen Bundestrainers Jürgen Klinsmann, mit dem er 1996 gemeinsam Europameister geworden war. Die ersehnte Olympia-Teilnahme 2008 verpasste aber auch Eilts deutlich. Wenig später wurde er entlassen - trotz der erfolgreichen Qualifikation für die EM 2009 in Schweden.

6. Horst Hrubesch (2008-2009)

Hrubesch hatte 2008 die deutsche U19 zum EM-Titel geführt und erwies sich nach der Eilts-Entlassung als ideale Interimslösung. In Schweden führte er die U21 durch ein 4:0 im Finale gegen England zum bis heute einzigen EM-Triumph. Aus jener Mannschaft wurden sechs Spieler (Manuel Neuer, Jerome Boateng, Benedikt Höwedes, Mats Hummels, Sami Khedira, Mesut Özil) fünf Jahre später Weltmeister.

7. Rainer Adrion (2009-2013)

Wie geplant übernahm Adrion nach dem EM-Triumph das Kommando. Abgesehen vom 11:0 im September 2009 in San Marino, dem bis heute höchsten Sieg der deutschen U21-Geschichte, blieb er aber glücklos. Die EM 2011 und damit wieder einmal auch Olympia verpasste Deutschland durch ein peinliches 1:4 auf Island. Adrion durfte dennoch bleiben, erst das Vorrunden-Aus bei der EM 2013 kostete ihn zwei Jahre später den Job.

8. Horst Hrubesch (2013-2016)

Adrions Vorgänger wurde auch sein Nachfolger, und wieder erwies sich Horst Hrubesch als gute Lösung. Das 0:5 im EM-Halbfinale 2015 gegen Portugal bedeutet zwar die höchste Niederlage der U21-Geschichte, dennoch qualifizierte sich Deutschland nach 28 Jahren endlich wieder für Olympia. Dort stürmte Hrubesch mit einer bunt zusammengewürftelten Mannschaft bis ins Finale, das im Maracana-Stadion gegen Gastgeber Brasilien erst im Elfmeterschießen verloren ging.

9. Stefan Kuntz (seit 2016)

Marcus Sorg war bereits als Hrubesch-Nachfolger verkündet worden, stieg dann aber ins Team von Bundestrainer Joachim Löw auf. Ein neuer Name war schnell gefunden: Der langjährige Vorstandsvorsitzende des 1. FC Kaiserslautern, Stefan Kuntz, übernahm und gewann seine ersten fünf Spiele - Rekord. Bei der EM in Polen führte er das Team zum zweiten Triumph nach 2009 - dank des 1:0 im Finale gegen den Topfavoriten Spanien.

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Erst der zweite Sieg gegen Spanien

Spanien, das in sechs Pflichtspielen gegen Deutschland zuvor nur eine Niederlage kassiert hatte, startete mit Wut nach der Pause. Die „La Rojita“ um Champions-League-Sieger Marco Asensio von Real Madrid, den fünffachen Turniertorschützen Saúl Ñíguez (Atlético Madrid) und Hector Bellerin (FC Arsenal) setzte die deutsche Auswahl mächtig unter Druck. Der Königsklassen-Routine der Spanier, die anders als die Deutschen ohne Confed-Cup-Teilnahme ihre beste Mannschaft zur EM schickten, hatten die die Deutschen die Erfahrung von 1122 Bundesliga-Spielen entgegen zu setzen.

Drei Tage nach dem Halbfinalkrimi gegen England war für Elfmeterheld Pollersbeck und seine Vorderleute auf dem Weg zum Titel Schwerstarbeit angesagt. Pollersbeck (58.) rettete glänzend gegen Ñíguez. Ein Schuss von Dani Ceballos (72.) ging nur knapp vorbei, gegen Deulofeus Versuch rettete Niklas Stark zur Ecke (76.).

Auf der Gegenseite hätten die DFB-Kicker in der hochspannenden zweiten Hälfte bei ihren Vorstößen für ein beruhigendes 2:0 sorgen können. Gnabry fehlte nach feinem Pass von Meyer das Schussglück (61.). Kuntz musste seine Jungprofis beim Streben nach der Entscheidung an der Seitenlinie wiederholt zur Defensivarbeit aufrufen, versuchte mit Wechseln die Stabilität hochzuhalten - und durfte nach einer nervenaufreibenden Schlussphase jubelnd auf den Rasen rennen.

Statistik

Deutschland: Pollersbeck/1. FC Kaiserslautern - Toljan/1899 Hoffenheim, Stark/Hertha BSC, Kempf/SC Freiburg, Gerhardt/VfL Wolfsburg - Haberer/SC Freiburg (82. Kohr/FC Augsburg) - Weiser/Hertha BSC, Meyer/Schalke 04, Arnold/VfL Wolfsburg, Gnabry/Werder Bremen (81. Amiri/1899 Hoffenheim) – Philipp/SC Freiburg (87. Öztunali/FSV Mainz 05). - Trainer: Kuntz

Spanien: Arrizabalaga - Bellerin, Meré, Vallejo, Jonny (51. Gayà) - Saul Niguez, Llorente (83. Mayoral), Ceballos - Asensio, Ramirez (71. Williams), Deulofeu. - Trainer: Celades

Schiedsrichter: Benoit Bastien (Frankreich)

Tor: 1:0 Weiser (40.)

Zuschauer: 14.059

Gelbe Karten: Arnold, Haberer, Stark, Meyer - Saul Niguez, Llorente, Vallejo