München/Mailand. Bayern-Boss bringt im Streit um das Mitwirken kleiner Fußball-Nationen sogar Fifa-Boss Infantino gegen sich auf. Müller erklärt sich.
Gianni Infantino lächelte gütig, als er Chefkritiker Karl-Heinz Rummenigge höflich, aber bestimmt eine Abfuhr erteilte. Eine Vor-Qualifikation für "kleine" Fußball-Nationen bei Weltmeisterschaften? "Ich bin ein Fan des Fußballs allgemein. Im Fußball - und das ist ja auch seine Magie - gehören sowohl die Kleinen als auch die Großen dazu", sagte der Fifa-Boss am Rande des Länderspiels der deutschen Weltmeister gegen Italien in Mailand (0:0). Eine klare Absage an Rummenigges Vorhaben, sogenannte Fußball-Zwerge auszusperren und so die arg strapazierten Stars zu entlasten.
Der Weltverbandschef schob kühl noch eine Spitze in Richtung Rummenigge hinterher. Dessen Ansinnen, den Terminkalender zu entzerren, sei zwar lobenswert, aber: Der Kalender sei im vergangenen Jahr von allen Parteien abgesegnet worden, "alle waren einverstanden" - also auch die von Rummenigge über die ECA vertretenen Klubs. Dass der Vorstandschef des FC Bayern diese alte Debatte jetzt wieder befeuert hatte - na und! Jeder dürfe seine Meinung äußern, sagte der Schweizer, "ich habe da kein Problem mit, im Gegenteil". Frei nach dem Motto: Was kümmert es die Eiche, welche Sau sich an ihr reibt?
Thomas Müller stellt Aussagen klar
Rummenigge, und mit ihm zahlreiche Stars wie Weltmeister Thomas Müller sowie die internationalen Topclubs aber wollen das Thema weiterköcheln lassen. Nach dem Spiel gegen Italien stellte Müller allerdings klar: "Ich habe die Aussage in einem ruhigen Ton getroffen. Es wurde auch nur eine Überschrift verfasst mit einem Wortfetzen aus der ganzen Geschichte. Wer das Interview live sieht, sieht, dass ich beide Seiten beleuchtet habe, dass ich auch Verständnis hatte für die San-Marinesen."
Bundestrainer Joachim Löw hatte sich das Müller-Interview auch noch einmal angeschaut und sprang seinem mit 83 Länderspielen erfahrensten Spieler im aktuellen Kader kompromisslos zur Seite. „Er hat gemeint, dass sie keine Profis sind, dass sie sich mit allen ihren Mitteln hinten reinstellen. Natürlich weiß man, dass sie alle Amateure sind, die einem Beruf nachgehen. Die ganzen Reaktionen sind überzogen. Wer Thomas Müller kennt, weiß, dass er ein fairer Sportsmann ist.“
Bilder vom Spiel gegen San Marino:
Gnabry überstrahlte alle beim 8:0 in San Marino
Rummenigge spöttelt gegen San Marino
Die Rechnung der Clubbosse geht nun so: Mehr Länderspiele bedeuten mehr Geld für die Verbände - und weniger Verdienstmöglichkeiten für die Vereine, die die teuren Spieler bezahlen müssen. Wenn sich dann auch noch, wie nun der Münchner Kingsley Coman, ein Spieler im Dienste des Vaterlands verletzt, sieht Rummenigge rot.
"Der Fußball wird ein Stück vergessen und vor allem wird die Gesundheit der Spieler vernachlässigt", sagte er bei Sky Sport News HD. Müller habe völlig recht, wenn er nach Spielen wie in der WM-Qualifikation gegen San Marino am vergangenen Freitag (8:0) die Sinnfrage stelle. "Als ich Fußball gespielt habe, durften diese Nationen gar keine Länderspiele austragen", spöttelte der ehemalige DFB-Kapitän Rummenigge. Es gehe nurmehr um Geld und (Sport-)Politik.
Watzke pflichtet Rummenigge bei
Das sieht Hans-Joachim Watzke genauso. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wolle Geld verdienen, "das spiegelt sich dann auch in der Länderspiel-Belastung wider", sagte der Geschäftsführer von Borussia Dortmund der Sport Bild und witzelte: "Wenn Deutschland gegen San Marino spielt, lege ich mich mittags schon eine Stunde hin, damit ich nicht in der 20. Minute einschlafe."
Rummenigges Lösung: Eine Vor-Quali für die "kleinen" Teams. Die gebe es schließlich auch in der Champions League, sagte er. Dort seien die Klubs den Verbänden sogar entgegengekommen, als sie vor Jahren die Zwischenrunde abgeschafft hatten. "Was ist danach passiert? Die vier Spieltage wurden den Nationalmannschaften zugeschlagen", sagte Rummenigge der Sport Bild.
Lahm sieht es anders
Allerdings: Zumindest Bundestrainer Löw schonte seine Stars zuletzt bei (fast) jeder Gelegenheit. Und auch unter den Spielern findet Rummenigge nicht nur Anklang. Die Jungs aus San Marino hätten sich sehr auf das Duell mit dem Weltmeister gefreut, meinte WM-Kapitän Philipp Lahm - jener Mann, den Rummenigge zum neuen Münchner Sportdirektor machen will -, "und Fußball ist Freude, Sport ist Freude, und die sollte im Vordergrund stehen". Eine Aussage ganz nach Infantinos Geschmack.