Oslo/München. Olympiasiegerin und Dauer-Weltmeisterin Johaug wurde ein Sonnenbrand zum Verhängnis. Zweiter spektakulärer Fall in drei Monaten.

Therese Johaug weinte bitterlich, ganz Norwegen ist schockiert. Angeblich wegen einer Creme, die ihr zur Behandlung eines Sonnenbrands an der Unterlippe verabreicht worden war, ist die Olympiasiegerin, siebenmalige Weltmeisterin und aktuelle Gesamtweltcupsiegerin im Langlauf positiv auf das androgene Steroid Clostebol getestet worden. Die verbotene Substanz befand sich in dem Mittel Tofodermin, das ihr vom Mannschaftsarzt verabreicht worden sein soll. Es ist der zweite spektakuläre Dopingfall bei den norwegischen Langläufern innerhalb von drei Monaten.

"Das sind die schwersten Tage meines Lebens, es ist eine wahnwitzige Belastung", sagte die 28 Jahre alte Johaug am Donnerstag unter Tränen bei einer Pressekonferenz. Von der positiven Probe hatte sie bereits neun Tage zuvor erfahren. "Ich bin am Boden zerstört und verzweifelt, dass ich in eine so schwierige und für mich unwirkliche Situation hineingeraten bin", sagte sie und ergänzte: "Ich bin absolut nicht schuld daran, obwohl ich mir als Leistungssportlerin der Verantwortung bewusst bin, die ich trage, wenn ich Arzneimittel einnehme."

Teamarzt kaufte Creme in Apotheke

Johaug hatte sich Ende August im Höhentrainingslager im italienischen Livignio einen Sonnenbrand auf der Unterlippe zugezogen, er gibt Bilder, die dies bestätigen. Sie habe zunächst eine andere Salbe benutzt, dann aber habe Mannschaftsarzt Fredrik S. Bendiksen ihr die Creme Trofodermin, die er in einer Apotheke vor Ort gekauft habe, gegeben, erstmals am 4. September. Am 16. September war die Staffel-Olympiasiegerin von Vancouver 2010 getestet worden, am 4. Oktober informierte Antidoping Norge über den positiven Test.

"Ich trage die Verantwortung", betonte Bendiksen. Dass die Creme das auf der Verbotsliste der Welt-Antidoping-Agentur WADA stehende Clostebol enthält, sei ihm nicht bekannt gewesen, er habe auch den Beipackzettel nicht gelesen, sagte er. Johaug habe den Arzt sogar gefragt, ob sie die Arznei benutzen dürfe, versicherte der norwegische Skiverband Skiforbundet. Verwendet habe Johaug die Creme zwischen dem 4. und dem 15. September. "Das Wichtigste für mich wird nun sein, sicherzustellen, dass sie nicht bestraft wird", sagte Bendiksen. Er selbst trat umgehend zurück.

Norwegen reagiert geschockt

Der Fall Johaug versetzte Norwegen in helle Aufregung. "Der norwegische Langlaufsport ist auf unbestimmte Zeit erschüttert", schrieb die Zeitung VG. Bereits im Sommer waren Superstar Martin Johnsrud Sundby wegen eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regeln sein Titel im Gesamtweltcup sowie der Sieg bei der Tour de Ski des Winters 2014/2015 aberkannt worden. Der 32 Jahre alte Sundby, Staffel-Weltmeister 2011 und zuletzt 2014 Olympiadritter im Skiathlon, wurde wegen des unsachgemäßen Gebrauchs eines zugelassenen Asthma-Mittels zudem für zwei Monate gesperrt.

Johaug 2013 nach ihrem Weltcup-Gesamtsieg in Val di Fiemme
Johaug 2013 nach ihrem Weltcup-Gesamtsieg in Val di Fiemme © imago/Camera 4

"Die Sache mit Sundby war schon schlimm, aber das ist zehnmal schlimmer", urteilte die norwegische Tageszeitung Aftenposten über den Fall Johaug. Medien in den rivalisierenden Ländern Schweden und Finnland schrieben von einer "Bombe", sogar von einer "Gigant-Bombe", die in Norwegen geplatzt sei. Der norwegische Langlauf-Chef Thorbjorn Skogstad bezeichnete die Situation für Johaug, Bendiksen und die norwegische Langlauf-Mannschaft als "ernst".

Schon bei Sundby hatte Norwegens Skiverband die "volle Verantwortung" für den Fehler bei der Einnahme der Medikamente übernommen. Seine Sperre hatte rückwirkend am 11. Juli 2016 begonnen, zum Start des WM-Winters ist der Skandinavier somit wieder startberechtigt. Was mit Johaug geschieht, ist einstweilen unklar.