Hannover. Der Offensivspieler spielt immer besser. Wie dicht der 24-Jährige dran ist, zeigt sich gegen Nordirland.
Der „König der Löwen“ ist eine rührende Geschichte. Es geht um einen, dessen Weg auf den Thron vorbestimmt war, der davon jedoch abkommt, bevor er am Ende doch noch triumphiert. Es geht um Aufstieg, Fall und den beschwerlichen Weg zurück. Es geht um die Suche nach dem eigenen Platz im Kreis des Lebens.
Mario Götze schaute sich am Sonntag das Musical „König der Löwen“ in Hamburg an und traf danach den Hauptdarsteller. Bevor er mit der deutschen Nationalelf am Montag Richtung Hannover aufbrach, wo es an diesem Dienstag im dritten WM-Qualifikationsspiel gegen Nordirland geht (20.45 Uhr/RTL), wollte sich der 24-Jährige unterhalten lassen. Wenn man so will, sah Götze vom Sessel im Stage Theater am Hamburger Hafen aus seine eigene Geschichte: Auch sein Weg auf den Thron des Fußballkönigs von Deutschland schien einst vorbestimmt. Er trat mit 17 für Borussia Dortmund auf die Bundesliga-Bühne und wurde wenig später der jüngste Nationalelfdebütant seit Uwe Seeler. Doch auch Götze kam vom Weg ab, ging in die Münchner Diaspora. Das Finaltor bei der WM 2014 war nur ein Zwischenhoch, das die Fallhöhe danach deutlicher zeigte.
„Ich sehe bei ihm eine klare Aufwärtstendenz“, lobte nun Bundestrainer Joachim Löw, Götzes ewiger Fürsprecher, am Montag in Hannover. Beim 3:0 gegen Tschechien hatte der Dortmund-Rückkehrer zwar nicht den Löwenanteil, der lag bei Doppeltorschütze Thomas Müller. Aber in der Sturmspitze trug er zu diesem Galaabend bei, indem er sich auf denselben Weg gemacht hatte, den schon Müller raus aus seiner kleinen Torkrise vorgelaufen war: Gestartet bei der richtigen Einstellung, über großen Einsatzwillen hin zur Anerkennung seiner Kollegen. „Mario hat sich für uns den Arsch aufgerissen“, so Mats Hummels.
Zuletzt hatte Götze weniger Ballkontakte als Neuer
Dabei hätte man auch zu einem anderen Urteil kommen können: Die nackten Zahlen wiesen über 90 Minuten gegen Tschechien weniger Ballkontakte für Götze (24) auf als für Torwart Manuel Neuer. Das hätte dieser kratzbürstige TV-Experte Jens Lehmann zum Anlass nehmen können, um seine Kritik vom Spiel gegen Norwegen im August (3:0) zu erneuern. Damals stichelte er: „Man hat immer das Gefühl, dass Götze nichts macht.“ Aber diesmal traute sich nicht einmal Lehmann. Denn gemacht hatte Götze trotz weniger Ballkontakte reichlich. Das erste Tor hatte er vorbereitet und war an einem eigenen nur knapp gescheitert. „Wie er den Gegner immer wieder angelaufen ist, hat er das ganze Team regelrecht mitgerissen“, schwärmte Hummels. Und Hummels stand damit nicht allein: „Mario macht seine Sache gut“, lobte Mesut Özil. „Wir werden bald wieder den alten Götze sehen.“
Den alten Götze sehen sie seit Saisonbeginn schon in Dortmund: Dort trägt er wieder den Schriftzug „M. Götze“ auf dem Trikot wie früher in der ersten BVB-Periode zwischen 2009 und 2013, während noch beim FC Bayern nur „Götze“ auf dem Rücken stand. Das mag eine Kleinigkeit sein, oder eine Rückkehr zu sich selbst. Wichtiger ist allerdings die Rückkehr zur Rolle, die ihm besser liegt als die „falsche Neun“ der Nationalelf oder der Außenstürmer in München. In Dortmund spielt Götze wieder hinter der Spitze. Dort kann er mit seiner Technik glänzen. Er ist der König der Halbräume – klein, trickreich. „Beim BVB ist er mit dieser jungen Mannschaft und ihrer Spielweise gut aufgehoben“, sagte Löw.
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Erstaunlicher Weise aber liebt es Götze nicht, wenn die Räume allzu eng werden. Wenn er sich den Recken in der gegnerischen Verteidigung nicht entziehen kann, weil er sie vorn durcheinanderwirbeln soll. Dass er es nun trotzdem mit viel Elan für die Sache tut, zeigt, dass Götze seinen Platz im Kreis der Nationalelf angenommen hat.
Wie weit er auf seinem Weg zurück wirklich ist, darüber muss nach dem Spiel gegen Nordirland neu geurteilt werden: Denn die „Green and White Army“ wird defensiver auftreten als die Tschechen. Und es warten mit Gareth McAuley (1,95 Meter) und Jonny Evans (1,89 Meter) Hünen in der Defensive. Das konnte Löw schon in der EM-Vorrunde erleben (1:0). Damals begann er mit Mario Gomez, der diesmal verletzt ist. Götze spielte links sein schwächstes EM-Spiel und wurde ausgewechselt. „Bei der EM hatte Mario nicht seine Form“, sagte Löw. Aber er befinde sich nun wieder auf dem richtigen Weg. „Er hat jetzt wieder viel mehr Selbstbewusstsein. Jedes Spiel hilft ihm, wieder dahin zu kommen, wo er war“, sagte Löw. Und außerdem wisse ja jeder, welch außergewöhnlicher Spieler dieser Götze sein kann. Nach Aufstieg und Fall kommt er ihm nun wieder näher.
Alle Tore der DFB-Elf in Hamburg: