Hamburg. Mit 75.000 Mitgliedern in 33 Abteilungen ist der HSV der größte Club der Stadt. Auch in den Leistungssport wird wieder investiert.

Mitte Juni war Jens Meier Stammgast am Hamburger Rothenbaum. Der Präsident des Hamburger SV e. V. jubelte auf der Tribüne den momentan prominentesten Mitgliedern seines Vereins zu. Und als die Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst zur Ehrung ihres Turniersieges mit der HSV-Fahne in den Händen barfuß ins umgebaute Tennisstadion liefen, war das Entzücken in seinem Gesicht über den Triumph der Weltranglistenersten unverkennbar.

Geht es nach Meier und Geschäftsführer Jörn Spuida, wird der HSV demnächst weitere große Erfolge abseits des Fußballs feiern. Der eingetragene Verein (e. V.) beginnt zwei Jahre nach der Abspaltung der HSV Fußball AG sein neues Profil als Universalsportverein zu schärfen. „Wir wollen wieder als das wahrgenommen werden, was wir sind: als Hamburger Sport-Verein mit der Betonung auf Hamburg und Sport“, sagt Spuida. „Wir möchten damit unseren Beitrag zur Entwicklung der Sportstadt Hamburg leisten.“ Mit derzeit 75.000 Mitgliedern, davon 6600 Aktive, die übrigen sind Supporter, ist der HSV e. V. der größte Verein der Stadt, der fünftgrößte Deutschlands. Und er ist offenbar gewillt, wieder eine führende Rolle in Hamburg zu übernehmen.

Das Potenzial hat der Club allemal. Im Geschäftsjahr 2014/2015 machte der HSV e. V. bei Einnahmen von 6,081 Millionen Euro einen Gewinn von 165.000 Euro. Mit rund 60 genutzten Sportstätten im gesamten Stadtgebiet, die wichtigsten zeigt die Grafik, unterbreitet der HSV als einziger der 817 Clubs des Hamburger Sportbundes (HSB) in allen sieben Bezirken Angebote. In vielen der 33 Abteilungen wird Leistungssport wieder groß geschrieben. Den lässt sich der Club auch etwas kosten, „einen mittleren sechsstelligen Betrag“, sagt Spuida.

Auch außergewöhnliche Sportarten bietet der Verein

Neben Ludwig/Walkenhorst genießen die HSV-Rollstuhlbasketballer, die BG (Berufsgenossenschaft) Baskets Hamburg, im Verein den Förderstatus eines „Topteams“. Alle zwölf Spieler des neu zusammengestellten Kaders, darunter fünf Deutsche, starten für ihre jeweiligen Nationalmannschaften im September bei den Paralympics in Rio. In den nächsten Spielzeiten werden Meisterschaft, Pokalsieg und der Gewinn des Europapokals angestrebt.

Die Nachwuchstänzer sind unter den ersten 20 der Weltrangliste notiert, die Darts-Abteilung wirft erstklassig, die Beachsoccerspieler belegen vor dem Finale am 6./7. August in Leipzig Platz sechs der Bundesliga. Sie trainieren auf einer Sandfläche neben der Inselparkhalle in Wilhelmsburg. Spuida: „Beach-Sportarten liegen auch bei uns im Trend. Sie könnten ein Schwerpunkt unserer künftigen Aktivitäten werden.“ Auch für Flüchtlinge engagiert sich der Verein, bietet wöchentliches Training an. Kürzlich spielte die sechste Fußballmannschaft in Norderstedt ein Match gegen eine Flüchtlingsauswahl.

Der HSV, gegründet 1887, hat sich in seiner Geschichte über viele Jahrzehnte als Universalsportverein verstanden. 1991, in höchster wirtschaftlicher Not, brach er mit dieser Tradition. Erst der Verkauf des Fußball-Nationalspielers Thomas Doll für 17 Millionen D-Mark an Lazio Rom verhinderte damals eine mögliche Insolvenz. Leichtathleten, Volleyballer, Eishockeyspieler und alle anderen HSV-Sparten, die Leistungssport treiben wollten, waren da bereits in den Hamburger Leistungssportverein (HLSV) ausgegliedert. Der wurde trotz einer Anschubfinanzierung von einer Million Mark nicht einmal ein Jahr alt, weil dessen Vorsitzender Günter Seipp, zuvor HSV-Vizepräsident, zwar vor Ideen sprühte, aber ein überaus lausiger Geschäftsmann war. Die Bundesliga-Volleyballer gründeten den 1. VC Hamburg, die Zweitliga-Eishockeyspieler den 1. EHC Hamburg. Auch diese Vereine gingen alsbald pleite.

Jetzt wird von Anfang an mit Augenmaß gewirtschaftet. „Keine der neuen Sportarten ist nach der Ausgliederung mit einem Defizit gestartet. Es ist alles solide, nachhaltig finanziert, durch und durch hanseatisch, und alle Initiativen werden vom gesamten Verein getragen“, sagt Meier. Dennoch könne er sich vorstellen, bei Investitionen in die Zukunft überschaubare Risiken einzugehen. Der HSV ist offen für alle Sportarten, auch über die Einführung einer E-Sport-Sparte, Wettkämpfe mithilfe von Computerspielen, wird diskutiert.

Das größte Umbauprojekt ist in Norderstedt

Größtes Projekt ist der Umbau der vereinseigenen Anlage in Norderstedt (neun Rasenplätze, zwei Kunstrasenplätze für Fußball und Hockey). Sie soll in den nächsten Jahren Zug um Zug modernisiert werden. Im Augenblick entsteht für drei Millionen Euro ein neuer Umkleidetrakt für 18 Mannschafts -und 13 Einzelkabinen. Das bisherige Gebäude wird nach der Fertigstellung abgerissen, insgesamt 300 Parkplätze werden dort künftig den rund 1600 Nutzern zur Verfügung stehen. Die Maßnahmen finanziert der HSV e. V. zur Hälfte aus eigenen Mitteln, den Rest über ein zinsgünstiges Bankdarlehen.

Weil das Nachwuchsleistungszentrum im nächsten Sommer von Norderstedt zum Campus am Volkspark umzieht, möchte der HSV e. V. auch dieses Gebäude samt Fläche von der HSV AG übernehmen. Die Verhandlungen laufen. „Die weitere Nutzung ist offen und wird gemeinsam im Verein erarbeitet“, sagt Geschäftsführer Spuida.

Präsident Meier sieht nicht nur baulich viel Potenzial für seinen Verein: „Ein Ziel für uns wäre es, in den nächsten fünf Jahren das 100.000. Mitglied begrüßen zu können.“ Die Größe zahlt sich bereits heute aus. „Über hsv-ev.de, Facebook, Twitter, Instagram und andere soziale Netzwerke generieren wir inzwischen so viele Kontakte, dass wir für immer mehr Sponsoren interessant werden“, sagt Dr. Anne Gnauk, Leiterin der Abteilung Medien & Marketing. Das HSV-Filmchen über den Rothenbaum-Sieg von Ludwig/Walkenhorst schauten bei Facebook bisher 73.400 User.