Norderstedt. Die Landesligamannschaft startet am Freitag ohne Zuschauer, aber mit neuem Sicherheitskonzept in die Punktrunde der Hammonia-Staffel.
Am 26. Februar 2016 geriet der Hamburger SV III (Fußball-Landesliga Hammonia) in den Fokus der Öffentlichkeit. Die Spieler von Teutonia 05 verließen beim Stand von 0:3 gegen sie in der 66. Minute den Platz auf der Norderstedter Paul-Hauenschild-Anlage, lieferten sich Auseinandersetzungen mit den HSV-Fans. Teutonia nannte rassistische Beleidigungen der HSV-Anhänger als Auslöser, konnte diese Behauptung jedoch vor dem Sportgericht des Hamburger Fußball-Verbandes nicht beweisen. Trotzdem wurde der HSV III mit drei „Geisterspielen“ bestraft. Deshalb startet die Mannschaft am morgigen Freitag ohne Zuschauer in die neue Saison gegen Blau-Weiß 96 Schenefeld (Anstoß:
20 Uhr, Ulzburger Straße 94). Das Hamburger Abendblatt bat den Leiter Amateursport beim HSV, Kumar Tschana (30), und Trainer Felix Karch (31) zum Interview über die leidenschaftlichen Fans des Landesligisten und die sportliche Perspektive der dritten HSV-Mannschaft, die in absehbarer Zeit in die Oberliga Hamburg aufsteigen will.
Herr Tschana, Herr Karch, das letzte seiner drei „Geisterspiele“, die der Hamburger SV III vom Verbandsgericht als Strafe für das Verhalten seiner Fans aufgebrummt bekommen hat, ist ausgerechnet die Auftaktpartie der neuen Saison gegen Schenefeld. Wie fühlt sich das für Sie beide an?
Felix Karch: Am Saisonanfang ist die Umstellung nicht so groß wie am Saisonende. Wir hatten in der Vorbereitung mehrere Matches vor wenigen Zuschauern. Da konnten wir uns daran gewöhnen. Die Situation kennen wir sonst dank unserer treuen Anhänger und unseres Zuschauerschnitts von 250 Leuten ja nicht. Fantechnisch wird sich das alles anfühlen wie ein Testspiel. Dieses Mal noch – und dann ist die Sache erledigt.
Kumar Tschana: Es ist schade, dass wir unser Eröffnungsspiel auf eigenem Platz nicht vor eigenem Publikum bestreiten können. Wir hätten gerne gemeinsam mit unseren Fans einen schönen Auftakt hingelegt, ihnen die neuen Akteure im Kader vorgestellt. Es wären bestimmt viele Zuschauer gekommen.
Wie kommentieren Sie denn das Verhalten Ihrer Fans beim zweiten „Geisterspiel“ gegen den TuS Osdorf am 22. April? Damals hing ein Plakat mit der derben Parole „Fick Dich, HFV“ im Innenraum, und außerhalb des Zauns wurde Pyrotechnik gezündet.
Tschana: Das Plakat wurde von außen angebracht. Unser Sicherheitsdienst entfernte es sofort. Außen standen Fans, das stimmt. Aber das ist öffentlicher Grund und Boden. Wir können relativ schwer kontrollieren, was außerhalb des Platzes passiert.
Durch den Vorfall gegen Osdorf wurde die in der Berufung von drei auf zwei „Geisterspiele“ reduzierte Strafe aber prompt wieder auf drei Partien erhöht. Wie wollen Sie eine Wiederholung ähnlicher Vorfälle am Freitag verhindern?
Tschana: Eventuell gehen wir auf den zentralen Platz auf der Paul-Hauenschild-Anlage. Von da sind es für Zuschauer 50 bis 60 Meter Entfernung bis zum Spielfeld. Ich möchte jetzt aber mal etwas Grundsätzliches sagen.
Bitte sehr…
Tschana: Wir haben sehr gute Gespräche mit allen Beteiligten geführt. Unseren Vereinsgremien, den Behörden, dem Hamburger Fußball-Verband, doch vor allem mit unseren Fans, die uns positiv unterstützen. Sie bringen sich ehrenamtlich ein, opfern viel Freizeit, sorgen für eine tolle Fankultur. Viele Gastvereine freuen sich, wenn der HSV III zu ihnen kommt. Das soll bitte nicht vergessen werden.
Karch: Unsere Fans sind klasse. Das motiviert doch schon beim Training, dieses Wissen, am Spieltag als Landesligist vor so vielen Leuten aufzulaufen. Jeder bei uns hat Bock auf diese Stimmung, auf Emotionen. Unter der Woche beschäftigen sich die Fans in den sozialen Medien mit uns, wir haben 4500 Facebook-Follower. Und unsere Anhänger haben auch erkannt, dass es, wenn es mal Probleme gibt, um interne Lösungen geht. Es geht nicht nur darum, nicht mitzumachen. Es geht auch darum, Dinge zu unterbinden, wenn mal einer Ärger macht.
Sie sehen Ihre Fans also nicht als problematisch an?
Tschana: Nein. Das sind sie auch nicht. Die Situation selbst sehe ich als Herausforderung an.
Fühlen sich Ihre Anhänger nicht doch als „wahre Fans“, da sie mit dem HSV III die erste Mannschaft des Hamburger SV e.V. und nicht mehr die ersten beiden Teams der HSV AG unterstützen?
Tschana: Dieses Bild möchte ich korrigieren, das stimmt so nicht. Viele unserer Fans gehen auch zur ersten und/oder zur zweiten Mannschaft in die Bundesliga oder Regionalliga. Unabhängig davon freuen wir uns über jeden Zuschauer, der den Hamburger SV III positiv unterstützt.
Der Verband hat beim Hamburger SV III ein Sicherheitskonzept angemahnt. Wie sieht das aus?
Tschana: Es ist darin klar geregelt, wer wofür zuständig ist. Wir haben einen Fanbetreuer, einen Ansprechpartner für Gastvereine und eine professionelle Sicherheitsfirma auf dem Platz. Hochprozentiger Alkohol wird bei unseren Heimspielen nicht mehr ausgeschenkt. Zudem werden wir vor Auswärtspartien immer frühzeitig Kontakt mit dem gastgebenden Verein aufnehmen. Die Resonanz des HFV auf unser Konzept ist sehr positiv. Ich bin fest davon überzeugt: Gemeinsam mit der Hilfe aller Beteiligten wird es helfen, die Sicherheit zu gewährleisten. Und ich bin gespannt, wer nachzieht.
Wie meinen Sie das denn?
Tschana: Wir sind nicht der einzige Amateur-Fußballverein mit einer Fankultur, meines Wissens aber der einzige Hamburger Landesligist mit einem Sicherheitskonzept. Wir wollen ein Vorzeigeverein werden.
Wie sieht die sportliche Zielsetzung aus?
Karch: Wir möchten innerhalb der kommenden drei Jahre in die Oberliga Hamburg aufsteigen.
Und wie lauten die Pläne für diese Saison?
Karch: In der vergangenen Spielzeit sind wir als Aufsteiger Vierter geworden und haben sehr guten Fußball gezeigt. Wir wollen besser abschneiden. Platz eins bis drei ist realistisch. Wir haben die Qualität deutlich angehoben. Teutonia 05 ist natürlich der Topfavorit. Andererseits: Eine Serie ist lang...
Gibt es eine Vorgabe vom Verein, der den HSV III ja unter der Säule „Team Raute“ ins Spitzensportkonzept integriert hat?
Tschana: Nein, die gibt es nicht. Doch ich setze dort auf die Prognose von Felix. Er kann das Potenzial der Mannschaft gut einschätzen. Das hat uns auch die vergangene Saison gezeigt.
Herr Karch, Sie haben die deutlich gestiegene Qualität im Kader betont...
Karch: Grundsätzlich vorneweg: Der Charakter der Mannschaft ist sensationell. Wir haben uns bewusst gegen manche Verpflichtung entschieden, weil wir ein Wir-Gefühl wollen. Der Landesligaabstieg 2013 lag auch an problematischen Personalien. Das soll sich niemals wiederholen.
Bitte charakterisieren Sie Ihre Neuzugänge.
Karch: Sieben Neue haben wir. Michael Ulbricht ist ein bärenstarker Innenverteidiger, hat in der Vorbereitung nicht einen Zweikampf verloren. Tim Henkis hat sich in der Vorbereitung vom Rechtsverteidiger zum Zehner entwickelt. Er läuft bis zu 15 Kilometer im Spiel, ist eine absolute Maschine. Steve Harder ist leider noch verletzt. Fabian Weier ist mit 19 Jahren unser Küken im Sturm. Er muss noch viel lernen, kann in ein bis zwei Jahren von den Anlagen einer der Topstürmer in Hamburg sein. Mladen Tunjic ist ein Templayer, eine absolute Rakete, offensiv variabel einsetzbar. Er hat in 200 Oberligaspielen 100 Scorerpunkte gesamelt. Das sagt alles. Jendrik Bauer ist ähnlich treffsicher. Er hat wie Mladen das Leader-Gen und ist vor dem Tor auch mal ein eigensinniges Arschloch. Aber das brauchen wir. Veli Sulejmani ist 19, kann auf dem Feld jede Position spielen, ist pfeilschnell mit dem Ball, verfügt über einen bärenstarken Abschluss. Macht er so weiter, sollte ihn sich unser großer Bruder HSV in ein bis zwei Jahren mal angucken.
Haben Sie sich taktisch schon festgelegt?
Karch: Wir wollen den Ball haben, flexibel mit vielen Systemen spielen. Auch mal mit nur zwei Abwehrspielern.
Mit zwei Abwehrspielern? Im Ernst?
Karch: Klar. Ich will Tore sehen. 6:3 macht mehr Spaß als 1:0. Und wenn der Gegner mit nur einem Stürmer spielt, brauche ich keine Viererkette.
Sie wirken sehr ehrgeizig. Wird die Arbeit beim HSV III mittlerweile auch bei den beiden ersten Teams anerkannt?
Tschana: Sie wird im ganzen Verein anerkannt.
Karch: Es bewegt sich was. Kumar knüpft immer wieder Kontakte, wir sind in Gesprächen. Jahrelang war die Durchlässigkeit vom HSV III nach oben kein Thema. Jetzt sehen die Leute: Bei uns wird professionell gearbeitet.