Évian-les-Bains. Der Innenverteidiger steht im A-Team der Deutschen Elf. Doch es gibt noch weiteren Klärungsbedarf vor dem Achtelfinale.
Manchmal dauert ein sogenanntes „Wechselbad der Gefühle“ nicht einmal 25 Minuten. So geschehen am Sonnabendvormittag beim Abschlusstraining in Évian-les-Bains zwischen 11.01 Uhr und 11.26 Uhr. Erst allenthalben großes Entsetzen („Boateng wird behandelt“), dann leichte Entwarnung („Boateng läuft sich warm) und schließlich allgemeine Entspannung („Boateng ist im A-Team“). Die Berichterstatter auf der kleinen Tribüne des Stade Camille Fournier hatten gut zu tun, das minutiöse Bulletin über den Gesundheitszustand des Münchners, dessen Wade zwickte, zu aktualisieren. Ein überregionales Sportmagazin bot sogar einen Liveticker zur neuen Wade der Nation an. Erst „Daumen drücken“, dann „Schaut gut aus“, über „Jetzt liegt er am Rasen“, „grünes Licht“, „Boateng hüpft und trabt“ bis „Die Wade der Nation hält.“
Wenig später saß Jerome Boateng tatsächlich mit seinen 22 Kollegen im Flieger von Annecy nach Lille, wo die deutsche Nationalmannschaft am Sonntagabend (18 Uhr/ZDF) im Achtelfinale auf die Slowakei trifft. Vorab stellt auch das Abendblatt noch einmal die Boateng-Frage – und beantwortet ganz nebenbei auch alle anderen relevanten Fragen zum Spiel.
Schweinsteiger weiter mit Problemen am Knie
Kann Boateng spielen? Eindeutig ja. „Er spielt, er hat das Abschlusstraining ohne Probleme mitgemacht“, bestätigte Bundestrainer Joachim Löw noch vor dem Abflug nach Lille. Nach offiziellen (und etwas sperrigen) Angaben hatte Boateng nach dem Spiel gegen Nordirland an einer „neurogenen Verhärtung in der rechten Wade“ gelitten, die allerdings bereits seit Tagen rückläufig gewesen sei. Würde ein minimales Restrisiko bestehen, stünden Benedikt Höwedes und Shkodran Mustafi als Ersatz bereit. Dem nachnominierten Jonathan Tah, der am Freitag von einem Medienvertreter als Jerome angesprochen wurde, bleibt lediglich die Rolle als Ersatz vom Ersatz vom Ersatz.
Setzt Löw endlich von Anfang an auf Schweinsteiger? Schwierig. Zwar hatte Löw-Assistent Thomas Schneider betont, dass Sami Khedira die meisten Kilometer in der Vorrunde gelaufen wäre und eine Pause gebrauchen könnte, allerdings stand Kapitän Bastian Schweinsteiger beim Abschlusstraining in Évian-les-Bains lediglich im B-Team. Bislang durfte der Wahl-Engländer, dessen linkes Knie auch gestern noch getaped wurde, bei dieser Europameisterschaft nur 22 Minuten spielen.
Brexit auch das Thema bei der Deutschen Elf
Könnte Löw eine Überraschung präsentieren? Möglich. Obwohl die Vorrunde vorbei ist und eine Niederlage das Aus bedeuten würde, bietet sich das Achtelfinale mit der Slowakei als Gegner als letzte Möglichkeit an, ein kalkuliertes Risiko bei der Wahl der Startelf einzugehen. In der Nationalmannschaft hat dieses „kalkulierte Risiko“ auch einen Namen: Leroy Sané. Neue Nahrung erhielt diese Risikorechnung durch die Tatsache, dass der Schalker beim Abschlusstraining das orangefarbene Leibchen der A-Elf erhielt. Allerdings ist in dieser Hinsicht Vorsicht geboten: Löw neigt dazu, selbst im Abschlusstraining noch mal Dinge auszuprobieren. Vor dem EM-Start gegen die Ukraine hatte beispielsweise auch Mesut Özil kein A-Elf-Leibchen erhalten, obwohl sein Platz in der Startelf zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt war.
Und sonst? Selbstverständlich ist der Brexit auch im Deutschen Team ein Thema. „Ich bin natürlich auch enttäuscht über diese Scheidung“, sagte Löw im ARD-Hörfunk. „Was für Auswirkungen das hat – wirtschaftlich und politisch – kann man schwer absehen.“ Darüber hinaus darf sich Deutschlands Fußballelite über einen neuen Rasen im Stade Pierre-Mauroy freuen. „Schlechter hätte der Rasen ja auch nicht mehr werden können“, hatte unter der Woche Co-Trainer Marcus Sorg gemäkelt. Nun bekommt der Weltmeister sein gefordertes neues Grün. Dieses stammt übrigens aus Holland, wodurch auch die Niederlande zumindest ein bisschen bei dieser EM dabei sind. Neuer plädiert für Schweinsteiger und setzt auf Boateng