Hamburg . Das European Darts Matchplay der Profis in der Inselparkhalle wurde zu der erwarteten Megaparty mit trinkfreudigen Fans.
Farid ist ein Schwein. Keine Beleidigung. Er hätte auch ein Zwerg sein können oder ein Sternenkrieger. Doch er hatte halt noch dieses Schweinskostüm von irgendeinem Fasching. Das passte noch, schön rosa, Hauptsache verrückt. Und es ist ja auch ein Tollhaus, alles erlaubt, Karneval in Wilhelmsburg. Oder auch: European Darts Matchplay in der Inselparkhalle. Drei Tage Ausnahmezustand.
„Ich gucke Darts-Turniere seit zwei Jahren im Fernsehen, kenne die Typen, die da mitspielen“, erzählt Farid, 24, aus Horn, „cool, die hier einmal zu sehen.“ Noch ein Bier, Prost zu Kumpel Lukas – heute ein Cowboy – und dann stimmen sie ein in Gesang/Gegröl der Masse: „Es gibt nur ein’ Philip Taylor, ein’ Philip Tayyyylor“.
Nur gibt es ausgerechnet den beim vierten von zwölf Turnieren der europäischen Profitour (PDC Europe) in Hamburg nicht. Der englische Superstar hatte kurzfristig abgesagt, als einziger der Topstars aus der Pfeilewerferszene allerdings. Die anderen Größen wie Weltmeister Gary Anderson, der Weltranglistenerste Michael van Gerwen oder Publikumsliebling Peter Wright traten von Freitag bis Pfingstsonntag in Wilhelmsburg auf die Bühne und darteten um ein Preisgeld von insgesamt rund 160.000 Euro.
„Die Besetzung war überragend“, freute sich PDC-Sprecher Timo Gans, „neun der zehn Besten der Weltrangliste waren hier.“
Der deutsche Toppspieler Maximilian „The Maximizer“ Hopp, Nummer 45 derzeit in der Welt, musste durch die Qualifikation, um in das Hauptfeld zu kommen. Er hat sich durchgeworfen und ist damit seiner Rolle als „local hero“ gerecht geworden. „Hopp, Hopp, Hopp“, schallte es jedesmal in ohrenbetäubender Lautstärke, wenn der erst 19-Jährige aus dem hessischen Idstein zu Nebelschwaden, seiner Walk-in-Musik „Yaya Kolo“ und eskortiert von einer kurzberockten Schönen die Bühne betrat. Bis ins Viertelfinale warf er sich durch, schaltete auf dem Weg unter die letzten acht weit vor ihm platzierte Spieler aus. „Gegen Maxi, kann man mal verlier´n“, sang die Menge, Hopp bedankte sich mit Kusshändchen Richtung Publikum. „Die deutschen Fans sind immer da, sie sind absolut super“, sagt der junge Darts-Profi. „Ich finde das Halli-Galli total geil und versuche auch, beim Gang auf die Bühne alles in mich aufzusaugen.“
Wo sonst die Basketballspieler der Hamburg Towers ihre Moves zeigen, stehen nun in engen Reihen lange Biertische und -bänke. Es riecht nach Schweiß und Bier. Und Bier und Schweiß. Auf der einen Stirnseite ist die Bühne mit der Dartscheibe, gegenüber die Bar mit zahlreichen Zapfhähnen. Die Show ist prächtig inszeniert, der hauptberufliche englische Announcer Russ Bray („The Voice“) zelebriert sein Runterzählen, die Pfeile dringen mit einem tiefen, mikrofonverstärkten „Plopp“ in die Scheibe ein, die auf dem Monitor überall in der Halle bestens zu erkennen ist. Schafft ein Spieler die 180 (Dreimal Triple 60), das Non-Plus-Ultra seiner Würfe, explodiert das Feiervolk im Jubel.
Alles läuft ab wie beim großen Vorbild, der Weltmeisterschaft in Londons Alexandra Palace, „Ally Pally“, wo die extravaganten Briten ihr Kneipenspiel zu einer kultigen Mischung aus Prunkkappensitzung, Last Night of the Proms und Circus Roncalli hochgejazzt haben. „Mich hat Ally Pally immer total fasziniert, die Stimmung, das wollte ich auch mal live erleben“, erzählt Claudia, 35, aus Eimsbüttel, eine der wenigen Frauen. Außer einem lila Glitzerhütchen hat sie auf weitere Verkleidung verzichtet. Aber ihr lila ist super.
Es ist erstaunlich, wie viel die Fans zwischen ihren Getränkerunden, Gesangseinlagen, Aufstehen, Hinsetzen und „Hände waschen“ tatsächlich mitbekommen von dem sportlichen Geschehen auf der Bühne. Und wie grundfriedlich trotz erheblichen Alkoholgehalts schon nachmittags alles abläuft. „Wir sind natürlich auf alles vorbereitet“, sagt Gans, dessen Organisation allein in Deutschland sechs Turniere veranstaltet. Die Sanitäter warteten hinter den Kulissen, die Ordner auch. Wenn es nötig wurde, griffen sie schnell, direkt und unter Buhrufen anderer Fans ein. Mit 3200 Plätzen war die Inselparkhalle bestuhlt, über 16.000 Zuschauer waren bei den sechs Sessions bis Sonntag dabei. Nach einer Pause 2015 war die PDC erstmals wieder in Hamburg zu Gast. „Wir sind sehr zufrieden“, sagte Gans, „dennoch wissen wir noch nicht, ob wir wiederkommen können, der Turnierplan wird immer recht kurzfristig erstellt.“
Max Hopp würde das sicher bedauern. Erst am Sonntagabend im Viertelfinale war für ihn gegen den exzentrischen Schotten Peter Wright Schluss. „Man braucht Zeit und Geduld für den Weg an die Spitze. Aber ich weiß genau, dass ich ihn gehen werde“, meint der Hesse, der bereits seit vier Jahren sein Geld an der Wurfscheibe verdient. Knapp 5000 Euro brachte ihm sein Erfolg in Hamburg ein. Sieger (35.000 Euro) wurde der Brite James Wade, der im Finale seinen Landsmann Dave Chisnall knapp 6:5 bezwang. Aber das war den meisten Besuchern egal. Sie hatten so oder so ihren Spaß.