Weitere Sportler gestehen die Einnahme von Meldonium
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Moskau/Berlin. Russischer Volleyball-Nationalspieler räumt ein, von dem Verbot des Präparats gewusst zu haben. Parlament berät über Doping-Skandal.
Die Affäre um das seit Jahresbeginn untersagte Präparat Meldonium sorgt in Russland weiter erheblich für Wirbel. Der Volleyball-Nationalspieler Alexander Markin räumte ein, von dem Verbot gewusst zu haben. „Der Arzt sagte, und das ist auch (im Beipackzettel) geschrieben, dass das Präparat innerhalb von drei bis sechs Stunden aus dem Körper abgeführt wird, aber die Tatsachen zeigen, dass es im Organismus noch bis zu drei Monate bleiben kann“, sagte Markin am Freitag der Agentur Interfax zufolge. Der Außenangreifer von Dynamo Moskau begründete die Einnahme mit einer schweren sportlichen Belastung mit vielen internationalen Spielen.
Der russische Shorttrack-Olympiasieger Semjon Jelistratow schloss nicht aus, dass ein Mannschaftskollege ihm das Meldonium verabreicht haben könnte. „Ich nenne keine Namen, aber der Vorfall hat mir die Augen geöffnet“, sagte er in Moskau. Nicht jeder möge Sieger, und nicht jeder kämpfe ehrlich, meinte Jelistratow.
Ein Ausschuss des russischen Parlaments wollte am Freitag hinter verschlossenen Türen über den Skandal beraten. In den vergangenen Tagen waren zahlreiche Athleten des Dopings mit Meldonium beschuldigt worden. Prominenteste Sportlerin ist Tennis-Star Maria Scharapowa.
Das ist Maria Scharapowa
Nation
Russland
Geburtsdatum
19. April 1987
Weltranglisten-Platz
7 (Stand März 2016)
Beste Platzierung
1 (August 2005)
Grand-Slam-Titel
5 (Wimbledon 2004, US Open 2006, Australian Open 2008, French Open 2012 und 2014)
Turniersiege insgesamt
35
Preisgeld insgesamt
Rund 36,8 Millionen US-Dollar (rund 33,5 Millionen Euro)
Besonderes
Scharapowa hat als eine von nur zehn Spielerinnen alle Grand-Slam-Turniere mindestens einmal gewonnen.
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Dopingexperte: Meldonium ist große Gefahr
Nach Meinung des Dopingexperten Fritz Sörgel gehen Sportler mit dubiosen Designerdrogen vom Schwarzmarkt ein hohes Risiko ein. „Wenn Athleten dann in die Chemie-Kiste der unbekannten Stoffe greifen - das ist für mich künftig die größte Gefahr“, sagte der Pharmakologe aus Nürnberg der Deutschen Presse-Agentur nach den jüngsten Dopingfällen mit dem Herzmedikament Meldonium. „Meldonium geht nicht mehr – sie suchen im Internet, und nach zwei Tagen haben sie dann 20 neue Substanzen in der Hand, die sie in China bestellen“, erklärte der renommierte Pharmakologe. „Das kann schon mal schief gehen.“
Pressestimmen zum Fall Scharapowa
Sport-Express (Russland)
Das Geschehene ist schwer zu begreifen. Nicht die Tatsache, dass Maria Scharapowa, Weltstar und Publikumsliebling, überführt wurde, ein verbotenes Präparat genommen zu haben. Umso mehr aber, dass das Mittel Meldonium als „unnütz" gilt und keinen besonderen Wettbewerbsvorteil bringen soll. Schockierend ist zudem etwas anderes: der Umstand, dass die Tennisspielerin den Moment verpasst hat, als das Mittel verboten wurde (...). Die Tennisspielerin hat selbst betont, dass sie nicht will, dass ihre Karriere so endet. Selbstverständlich gefällt uns diese Aussicht auch nicht. Daher bleibt uns nur, Maria zu wünschen, dass sie so schnell wie möglich auf den Court zurückkehrt.
La Repubblica (Italien)
Maria, was für ein hässliches Match. Sie ist in nüchternes Schwarz gekleidet, der Blick geht in die Ferne, die Arme sind vor der Brust verschränkt. Im Ambiente eines traurigen Kongress-Saals in einem zweitrangigen Hotel in Los Angeles verliert Maria Scharapowa das Spiel ihres Lebens. (...) Die Welt liegt in Trümmern, sicherlich die Welt der russischen Tennisspielerin, aber auch die der Tennis-Welt.
Corriere della Sera (Italien)
Die Tennisspielerin der Titelseiten war noch nie so zerknittert. (...) Live und mit einer Dringlichkeit, die sofort verdächtig erschien, wird der traurige Moment der blonden Spitzensportlerin aus Sibirien (...) übertragen, die sich mit der schlimmsten Schande beschmutzt hat: dem Doping. (...) Das Make-up, das Hollywood für sie maßgeschneidert hat, für die ausgewanderte Russin, der die USA die Chance ihres Lebens bieten, ist abgebröckelt. Sie, die auf dem Platz so vorhersehbar und roboterhaft wirkt, wird vom wahren Leben überrascht.
Times (Großbritannien)
Den Sport in Misskredit zu verlassen, das Image zu zerstören, das sie sich so hart erarbeitet hat, wäre ein schwerer Schlag. Sicher ist, dass diese einzigartige Frau, die ihr ganzes Leben lang gekämpft hat, die Schlacht um Herzen und Verstand nicht ohne Gegenwehr verlieren wird.
Daily Mail (Großbritannien)
Der positive Test ist eine Katastrophe fürs Tennis (...) Jetzt ist einer der größten Stars des Sports der Geschichte gesperrt und für immer befleckt.
Gazeta Sporturilor (Rumänien)
Wie viel lügt sie, wie viel Wahrheit ist dabei? Was esst ihr in Russland? Maria will uns weismachen, dass sie kein Team hat, das sich um eines der kompliziertesten Themen im Tennis kümmert: die Anpassung an die neuesten Anti-Doping-Vorschriften. (...) Was sollen wir von der Nummer 500 in der Weltrangliste erwarten, wenn die reichste Spielerin der Welt die Anti-Doping-Frage dem Zufall überlässt?
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Sörgel warnte erneut vor fatalen Folgen von Doping-Experimenten mit nicht zugelassenen Mitteln. „Das ist wie im richtigen Leben: Der beißt ins Gras, der die schlechten Dinge nehmen muss – in diesem Fall verunreinigte Substanzen. Das ist ja auch bei Drogen so“, meinte der Wissenschaftler und schilderte ein düsteres Szenario. „In vielen Geheimlaboren tüfteln sie schon an neuen Designerstoffen - auch für Athleten“, sagte Sörgel. „Sportler, die im Jahr 50 Millionen und mehr verdienen, können sich doch ein eigenes Labor leisten, das ihnen nicht nachweisbare neue Mittel liefert.“
66 Fälle bei den Europaspielen
Meldonium (Handelsname „Mildronat“) war von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA nach einer Beobachtungsphase im Jahr 2015 zum 1. Januar 2016 auf die Verbotsliste gesetzt worden. In den vergangenen Tagen wurden neben Scharapowa zahlreiche weitere russische Athleten des Dopings mit Meldonium beschuldigt. Auch beim Council des Weltverbandes IAAF, das am Donnerstag und Freitag in Monaco tagte, stand der Dopingskandal in Russland ganz oben auf der Agenda.
Der englische Pharmakologe Mark Stuart enthüllte jetzt in einer Studie, dass 2015 bei den 1. Europa-Spielen in Baku bei 66 von 762 kontrollierten Athleten Meldonium im Urin nachgewiesen wurde - damals indes noch nicht strafbar. „Die Analysen der Europaspiele in Baku haben sicher dazu beigetragen, Meldonium vom 1. Januar an auf die Verbotsliste zu setzen“, sagte der Kölner Dopinganalytiker Mario Thevis in einem dpa-Gespräch. „Manchmal trägt ein Fall, den die ganze Welt hört und sieht, dazu bei, dem Ganzen Nachdruck zu verleihen.“
Die deutschen Medaillengewinner von Baku:
Deutschlands Medaillengewinner von Baku
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Sörgel beschreibt Dilemma der Doping-Fahnder
Die weitverbereite Häufigkeit des Gebrauchs von Meldonium durch ansonsten ganz gesunde Sportler erfolgte „ganz eindeutig nicht in erster Linie aus therapeutischen Gründen“, betonte Stuart. Vielmehr wurde das Mittel mit der Absicht genutzt, „sowohl die Regeneration zu verbessern als auch die Leistung zu steigern“.
Das sieht Sörgel ganz anders - und beschreibt es ziemlich drastisch. „Der große Menschenversuch mit Meldonium ist nur deshalb nach bisheriger Kenntnis gut gegangen, weil das Mittel aus klinischer Sicht keinerlei Wirkung hat“, meinte der 65-Jährige und fragte: „Wie kommt man auf die Idee, dass eine bei herzkranken Patienten eingesetzte Substanz auch bei Gesunden als Dopingmittel wirken soll?“ Allerdings musste sich die WADA „natürlich erst einmal auf den Standpunkt stellen: Die Substanz könnte gefährlich sein. Man muss den Sportler vor sich selbst schützen!“
Für Sörgel bleibt das Dauer-Dilemma der Dopingfahnder: „Man kann bei Tests nur etwas finden, wenn man weiß, was und wonach man suchen will“, sagte der Leiter des Nürnberger Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung. In der Literatur gebe es „jede Menge solcher Substanzen, denen man eine Wirkung zur Leistungssteigerung zutrauen kann und die man sofort einsetzen könnte“.
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