Hamburg. Der Daviscupspieler ist nach einjähriger Verletzungspause zurück. Am Auftakttag des Rothenbaum-Turniers zeigte er Kampfgeist.
Seine dunkle Vorahnung war trügerisch. Bevor am Sonntagnachmittag die vier Qualifikanten des Herrentennisturniers am Rothenbaum ihren Gegnern zugelost wurden, hatte Florian Mayer einen Wunsch geäußert. „Nur nicht den Montanes!“ Natürlich wurde es der Spanier, Vorname Albert. Doch als Mayer am verregneten Auftakt-Montag nach seinem 4:6, 6:2, 6:2-Sieg die Ovationen der 3000 Zuschauer auf dem Centre-Court genossen hatte, konnte er ein zufriedenes Fazit ziehen. „Anfangs lief es nicht gut, weil ich zu viele leichte Fehler gemacht habe. Aber ich habe mich super reingekämpft und mir den Sieg hart erarbeitet“, sagte er. Der Erfolg sei vor allem mental wichtig. „Ich wollte mich beweisen. Ich weiß, dass noch viel Arbeit vor mir liegt, aber wenn ich so weitermache, bin ich auf dem richtigen Weg.“
Dass dieser Weg ein harter werden würde, war dem 31-Jährigen klar gewesen, als er Anfang April beim Masters in Monte Carlo nach einjähriger Pause sein Comeback gab. „In meinem Alter auf die Tour zurückzukommen, das ist sehr schwierig“, sagt er, „die jungen Spieler sind unglaublich fit und schenken mir gar nichts.“ Früher sei er zu Turnieren der Challengertour gefahren im Wissen, dort mindestens im Finale zu stehen. „Heute muss ich dort schon in der ersten Runde voll da sein.“
Die besten Bilder vom Rothenbaum-Turnier
Mayers Leidensweg begann im Frühjahr 2014, nach dem Daviscup-Erstrundensieg gegen Spanien. Stechende Schmerzen plagten ihn vor allem dann, wenn er auf dem Rücken lag und sich aufrichten wollte, oder wenn er die Bauchmuskeln überstreckte. Zunächst konnte der Ursprung der Pein nicht lokalisiert werden, doch nach der Diagnose Schambeinentzündung war Mayer klar, dass er Geduld brauchen würde. Zwar konnte er bald wieder auf dem Fahrradergometer die Ausdauer trainieren und nach drei Monaten auch wieder joggen gehen, an schnelle Bewegungen wie den für Tennisspieler typischen Richtungswechsel war jedoch erst nach einem halben Jahr zu denken.
Die erzwungene Auszeit nutzte Mayer, um Dinge zu tun, die im Leben eines Tennisprofis sonst keinen Platz finden. Er schlief morgens lang, ging abends mit Freunden weg, machte ausgiebigen Urlaub – und schaffte es über viele Wochen, diesen Zustand zu genießen. „Ich habe zwar weiter Kontakt mit einigen Kollegen gehalten, aber anfangs überhaupt kein Tennis geschaut oder mich mit der Szene beschäftigt“, sagt er. Zukunftsängste habe er keine verspürt. „Natürlich war ich anfangs etwas niedergeschlagen, weil ich wusste, dass ich lange ausfallen würde. Aber trösten musste mich niemand“, sagt er.
Nach einem halben Jahr allerdings wurde das In-den-Tag-Leben ohne festes Ziel anstrengend. Es war die Zeit, in der Florian Mayer die Lektion lernte, die er als wichtigste Erfahrung seines „Sabbatjahres“ einstuft. „Ich habe gespürt, wie sehr mir mein Beruf ans Herz gewachsen ist. Man darf nie vergessen, was für ein unglaubliches Privileg es ist, Tennisprofi sein zu dürfen“, sagt er. Spätestens als er im Januar bei dunklem Winterwetter zu Hause saß und vorm Fernseher den Kollegen bei den Australian Open die Daumen drückte, war da dieses Gefühl, unbedingt zurückkehren zu wollen. „Am meisten habe ich den Nervenkitzel vermisst, auf einem großen Court vor vielen Menschen zu spielen“, sagt er.
Diesen hat er nun wieder. Und auch wenn man Florian Mayer eher als introvertierten Spieler kennt, der unter dem Eindruck großer oder ungewohnter Kulissen schon so manches Mal einbrach, ist seine ehrliche Freude darüber, wieder auf der Tour mitspielen zu dürfen, spürbar. Er selbst hat an sich eine neue Lockerheit festgestellt, die ihm in seiner Karriere vor der Verletzung bisweilen gefehlt habe. „Ich gehe jetzt viel relaxter an meine Aufgaben heran. Mir gelingt es, Tennis zu genießen. Früher war ich oft zu verbissen, weil sich für mich alles nur um Tennis drehte. Jetzt weiß ich, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt.“
Die Auszeit sei eine gute Vorbereitung gewesen auf das Leben nach der aktiven Karriere. Er hat eine Ausbildung zum Fitnesstrainer begonnen, damit der Sprung ins nächste Berufsleben reibungslos gelingt. Trainer zu werden und weiterhin mindestens 30 Wochen im Jahr zu reisen, das kann er sich derzeit nicht vorstellen. Insofern sei es wichtig gewesen zu erfahren, dass das Leben mehr bereithält als Tennis. „Mir gibt das Sicherheit“, sagt er.
Zunächst allerdings will er die Zeit, die ihm bleibt, erfolgreich nutzen. Das Tennisspielen, die eingesprungene beidhändige Rückhand, die sein Markenzeichen geworden ist, hat er ja nicht verlernt. Ihm fehlt aber das Selbstvertrauen, das man nur durch Siege aufbauen könne. „Im Training läuft es gut, aber die Wettkampfhärte, die muss ich noch zurückerlangen“, sagt er. Bis zum Jahresende will er sich von Weltranglistenplatz 261 in die Top 100 vorgearbeitet haben, auch das Daviscup-Relegationsspiel im September in der Dominikanischen Republik ist auf Mayers Radar. „Vor allem aber will ich Spaß haben und die letzte Phase meiner Karriere genießen“, sagt er. Den Anfang dazu hat er am Montag gemacht.