Wimbledon. Während der Serbe noch immer mit der Vergangenheit kämpft, moniert der Schweizer das Prozedere der Siegerehrung von Wimbledon.
Der Mythos hält sich hartnäckig, wie so viele Geschichten im und um den All England Club von Wimbledon. Seit Jahrzehnten hat beim traditionellen Championsdinner in einem edlen Londoner Hotel allerdings niemand mehr getanzt. Auch das deutsche Traumpaar Boris Becker und Steffi Graf, das vor 26 Jahren gemeinsam beim bedeutendsten Tennisturnier der Welt triumphierte, schwofte damals nicht übers Parkett.
Erst Novak Djokovic und Serena Williams, die frisch gekrönten Oberhäupter im Rasenkönigreich an der Church Road, ließen die Tradition wieder aufleben und interpretierten sie neu. Zum Song "Night Fever" der Bee Gees ließen die beiden alles überragenden Spieler der Gegenwart auf der Showbühne die Hüften kreisen. Den Gästen, darunter auch Djokovics Trainer Becker, gefiel die Vorstellung.
Stunden zuvor war das Bewegungstalent aus Serbien leichtfüßig über den heiligsten aller Rasenplätze getänzelt. Bei seinem dritten Titelgewinn auf dem Centre Court in Wimbledon hatte er dabei selbst Roger Federer, den Maestro aus der Schweiz, schwerfällig wirken lassen. "Ich habe es mir wieder selbst bewiesen. Das ist das Wichtigste", sagte Djokovic nach dem 7:6 (7:1), 6:7 (10:12), 6:4, 6:3.
Djokovic denkt schon wieder an Roland Garros
Die Niederlage im Finale der French Open in Paris gegen Federers Landsmann Stan Wawrinka, die kaum fünf Wochen zurückliegt, sei "enttäuschend, ja herzzereißend" gewesen. "Aber wenn ich nur eine Sache im Sport gelernt habe, dann die: Du musst dich so schnell du kannst erholen, alle Dinge hinter dir lassen und nach vorne schauen", sagte Djokovic.
Pressestimmen zu Djokovics Wimbeldon-Sieg
Irgendwann, so hofft er, bekomme er erneut die Chance auf den Titel in Roland Garros und damit womöglich die Chance auf den Grand Slam, den Triumph bei allen vier Majors in einer Saison. So wie seine Tanzpartnerin Serena Williams, der das äußerst seltene Kunststück 27 Jahre nach Steffi Graf bei den US Open gelingen kann. "Ich hoffe, dass sie es schafft", sagte Djokvoic: "Ich versuche, ihrem Beispiel zu folgen, ich versuche, alles zu wiederholen, was sie geschafft hat."
Federer glaubt an große Zukunft für den Djoker
Djokovic ist jung genug, um in den nächsten Jahren weitere Kapitel Tennisgeschichte zu schreiben. "Ich bin 28, ich fühle mich gut, ich fühle mich nicht alt", sagte er: "Ich habe hoffentlich noch viele Jahre vor mir und werde versuchen, mein eigenes Limit zu steigern. Dann werden wir sehen, wie viele Titel ich noch gewinnen kann." In den Ohren der Konkurrenz muss das wie eine Drohung klingen.
Bereits jetzt hat Djokovic (9) mehr Grand-Slam-Titel gewonnen als Andre Agassi, Ivan Lendl und Jimmy Connors (je 8). Coach Becker (6), der wie er dreimal in Wimbledon gewann, hat er längst hinter sich gelassen. Djokovic werde am Ende der Karriere einer der größten Namen seines Sports sein, sagte Grand-Slam-Rekordsieger Roger Federer, der weiter auf seinen 18. Majortitel wartet: "Ich bin sicher, dass er noch viele gute Jahre vor sich hat."
Feine Herren verlängern Federers Qualen
Für den Schweizer selbst endete das weltweit bedeutendste Tennisturniers indes unwürdig. Obwohl Federer nach dem erneut missglückten Anlauf zum achten Wimbledon-Titel nur noch nach Hause wollte, zögerten die feinen Herren des All England Club die Siegerehrung hinaus. Erst ließen sie das Dach über dem Centre Court schließen und verlängerten so den Schmerz des Schweizers nach der Niederlage.
"Das war ein wenig seltsam", befand Federer, er habe sich gedacht: "Kommt schon, gebt Novak den Pokal, das ist sein Moment." Nach einigen Minuten in der Kabine und einer heißen Dusche hatte sich Federer dann wieder gefangen: "Es hat mir die Chance gegeben, runterzukommen und eine bessere Idee davon zu bekommen, was da gerade auf dem Court passiert ist."
Federer bleibt Sieger der Herzen
Zum zweiten Mal nacheinander hat Federer bei seinem Lieblings-Grand-Slam den magischen Triumph verpasst, der ihn zum alleinigen Rekordhalter im Rasenmekka an der Church Road machen würde. Wie im Vorjahr unterlag er dem alles überragenden Serben. "Am Ende stehe ich wieder mit leeren Händen da", sagte Federer, der bis zum Finale nahezu perfektes Rasentennis geboten hatte.
In Wimbledon bleibt er der Sieger der Herzen, die Liebe des Publikums bedeute ihm sogar fast so viel wie ein Sieg, meinte der 33-Jährige. Allerdings nur fast, denn auch im fortgeschrittenen Tennis-Alter giert Federer nach großen Titeln. Nirgends sind seine Chancen größer als auf dem Heiligen Rasen von Wimbledon, umso bitterer war die erneute Niederlage.
Sicher, Federer rief im Finale nicht sein gesamtes Potenzial ab, das er vor allem im Halbfinale gegen den Briten Andy Murray so eindrucksvoll gezeigt hatte. Doch bleibt die Frage, ob es Djokovic ihm vielleicht einfach nicht erlaubt, ihm den Spaß raubt und Federer gar nicht erst ins Rollen kommen lässt.
Kampfansage von Federer an Djokovic
"Ich habe gegen die aktuelle Nummer eins verloren, das ist nicht außergewöhnlich", sagte Federer und ließ eine Kampfansage folgen: "Ich werde das nicht hinnehmen und sagen, das ist normal. Denn das ist es nicht. Ich habe Novak einige Male geschlagen, ich bin einer der wenigen, die gegen ihn eine Chance bekommen." Federers letzter Erfolg bei einem der vier Majors gegen Djokovic liegt allerdings schon so lange zurück wie sein letzter Titel: 2012 schlug er seinen Dauerrivalen im Halbfinale von Wimbledon.
"Ich bin noch immer hungrig und noch immer motiviert", rief Federer seinen Fans zu, als die Zeremonie auf dem Centre Court endlich begonnen hatte. Er wird wiederkommen im nächsten Jahr und aller Voraussicht nach erneut um den Titel spielen. So wie Djokovic, der neue Rasenkönig von Wimbledon.