Hamburg. Folge vier der Abendblatt-Serie über ungewöhnliche olympische Sportarten in Hamburg. Heute: Die koreanische Kampfkunst Taekwondo.
Hamburg würde als Gastgeber der Olympischen und Paralympischen Spiele einige Sportarten erleben, die in der Stadt nur von wenigen betrieben werden. Das Abendblatt stellt sie in einer Serie vor.
Pfeilschnell tritt Özlem Gürüz auf Kopfhöhe gegen den Sandsack. Der Tritt der 15-Jährigen sorgt für einen lauten Knall. „Höher und jetzt mit richtig Power!“, ruft Trainer Oktay Cakir ihr zu. Özlem tippelt kurz auf der Stelle und tritt dann erneut zu. „Bam! Sehr gut“, ruft der Trainer, während der Knall noch durch die Tangun-Sportschule in Stellingen hallt. Taekwondo, eine koreanische Kampfkunst, wird hier gelehrt. Özlem ist die derzeit erfolgreichste Schülerin. 2015 wurde sie deutsche Jugendmeisterin.
Taekwondo besteht aber keineswegs aus bloßer Gewalt. Ziel der Sportschule ist es, Kindern ein Bewegungsgefühl zu vermitteln. „Viele Kinder können heutzutage nicht einmal rückwärtsgehen, das ist schrecklich“, berichtet Trainer Cakir. Dem geborenen Türken liegt die Arbeit mit Kindern besonders am Herzen. „Hier ist es egal, wer die Kinder sind und wo sie herkommen. Sie trainieren zusammen und haben alle gemeinsam Spaß“, sagt er. Für die Taekwondo-Union Hamburg, den Landesverband, gibt er seit Jahren Sportunterricht an mehreren Schulen. Treten und Schlagen bringt er den Kindern nicht bei. Es geht ausschließlich um das Vermitteln von Taekwondo-typischen Bewegungsabläufen.
Von der Brutalität anderer Kampfsportarten hebt sich Taekwondo deutlich ab, sagt Verbandspräsident Hamid Rashimi. „Im Kampf hat man es darauf abgesehen, Punkte zu erzielen. Mit einer Schlägerei hat das hier überhaupt nichts zu tun“, erklärt er. Punkte werden durch Treffer auf den Schutzwesten am Torso oder auf dem Schutzhelm am Kopf erzielt. Technik und Reaktionsschnelligkeit sind essenziell für den Sport. „Wer im falschen Augenblick blinzelt, muss einen Treffer einstecken“, sagt der Trainer Cakir lachend.
Der Begriff Taekwondo stammt aus dem Koreanischen. In Korea wird die Sportart schon seit Jahrhunderten betrieben. Die einzelnen Silben des Wortes, Tae-kwon-do, bedeuten Fuß-Hand-Lehre. Tatsächlich ist Taekwondo eine Sportart mit Hand und Fuß, wobei die Fußarbeit eindeutig im Vordergrund steht. Nahezu 99 Prozent aller Punkte werden per Fußtritt erzielt. Die schnellen Fußtritte sind Özlem Gürüz’ große Stärke.
Özlem und andere Jugendliche werden derzeit mit besonderem Augenmerk gefördert. „Wir legen mit Blick auf die Olympischen Spiele 2024 schon heute enormen Wert auf die Nachwuchsarbeit“, sagt Verbandspräsident Rashimi. „Wir hoffen, dass Özlem bis dahin dabeibleibt, denn sie ist schon sehr weit gekommen.“
Die Achtklässlerin der Stadtteilschule Eppendorf hat zunächst ein anderes großes Ziel. „Ich will eine Medaille bei der Jugend-EM im Oktober in Riga.“ Ihr Trainer will „auf dem Weg dorthin noch eine Schippe drauflegen. Dann hat sie aber das Zeug, oben mitzumischen.“