An diesem Sonnabend beginnt in Oberstdorf die Vierschanzentournee. Das deutsche Skisprung-Idol nennt seine sechs Topfavoriten. Darunter sind auch zwei Newcomer.
Berlin. Sechsmal in Folge, man muss sich diese Serie einmal vorstellen, sechsmal in Folge also gewann zuletzt ein Skispringer aus Österreich die traditionsreiche Vierschanzentournee. Wolfgang Loitzl, Andreas Kofler, Thomas Morgenstern, zweimal Gregor Schlierenzauer und dann völlig überraschend Thomas Diethart trugen sich in die Geschichtsbücher ein. Mit Diethart hatte im vergangenen Jahr niemand gerechnet – er kam fast aus dem Nichts und sprang sich in einen Rausch. Danach aber war es vorbei mit der Leichtigkeit, in dieser Saison kämpft er um den Anschluss und zählt zum Start der Vierschanzentournee in Oberstdorf (Sonnabend, 16.30 Uhr: Qualifikation/Sonntag, 16.30 Uhr: 1. Springen) nicht einmal mehr zum Favoritenkreis.
Ein Märchen wie das des Thomas Diethart sollte all jenen in der zweiten und dritten Reihe Mut machen. „Natürlich träumt man von so was“, sagt Markus Eisenbichler (23), Zwölfter des Gesamtklassements und der Aufsteiger dieser Saison im deutschen Team. „Aber das geschieht meiner Meinung nach nur alle zehn Jahre. Dieses Mal wird es nicht passieren, dass irgendwer von unten kommt und die Tournee gewinnt.“
Dennoch ist es so schwierig wie selten, aus der Menge guter Skispringer auf einen Gesamtsieger zu tippen. Unter den Top Ten finden sich gar Springer aus sieben verschiedenen Nationen. „Es kann so viel passieren, so vieles während der Tournee auf dich als Sportler einströmen, dass Prognosen immer schwierig sind“, sagt Sven Hannawald, 40. Sein historischer Triumph 2001/02 mit vier Siegen auf vier Schanzen ist zugleich der bisher letzte Tournee-Erfolg eines Deutschen. Hannawald wagt trotz der schwierigen Prognosen eine Vorschau und benennt seine sechs Topfavoriten auf den diesjährigen Gesamtsieg:
Roman Koudelka
Der 25 Jahre alte Tscheche überraschte diesen Winter mit den ersten drei Weltcupsiegen seiner Karriere. Im Gesamtklassement liegt er auf Rang zwei. Hannawald: „Spätestens durch seinen Sieg in Engelberg zählt Koudelka zu den Favoriten, zumal er wirklich ein effektives System springt – meiner Meinung nach das effektivste der gesamten Konkurrenz. Wenn alles von den Bedingungen her fair läuft, jeder seine besten Sprünge zeigt, könnte er am Ende vorne sein.“
Severin Freund
Nach dem Olympiasieg mit dem Team und seinem ersten großen Einzeltitel, dem WM-Gold im Skifliegen, will der 26 Jahre alte Deutsche jetzt auch endlich bei der Vierschanzentournee glänzen. Derzeit liegt er nach einem Saisonsieg auf Platz vier des Gesamtweltcups. Hannawald: „Auch wenn zuletzt die beiden Weltcups in Engelberg nicht so gut funktionierten, kann er bei der Tournee um den Sieg mitspringen. Ich denke, dass er aus den vergangenen Tourneen gelernt hat und am Ende zumindest auf dem Treppchen stehen und einen Tagessieg erringen kann. Das hatte ich den Deutschen schon vor drei Jahren zugetraut. Sie sind aber an den Erwartungen von Außen, vielleicht auch an ihren eigenen Erwartungen gescheitert. Man merkt aber jetzt eine gewisse Reife. Allerdings: Es kann alles sehr schnell zerbrechen. Beim Tourneesieg muss enorm viel zusammen kommen – nicht zuletzt das Glück. Aber klar, auch der Tourneesieg ist für Severin möglich.“
Anders Fannemel
Der 23 Jahre alte Norweger geht überraschend als Führender des Gesamtweltcups in die Vierschanzentournee. Erst in diesem Winter holte er seinen ersten und bisher einzigen Weltcupsieg. Hannawald: „Dieser junge Norweger ist sehr gefährlich – auch wenn er noch nicht sehr zuverlässig um die Siege springt.“
Michael Hayböck
Der Dritte des Gesamtweltcups ist in diesem Jahr die größte Hoffnung der Österreicher. Hayböck, 23, der im Februar mit seinen Teamkollegen Olympiasilber in Sotschi gewann, könnte die Serie seiner Landsleute ausbauen. Hannawald: „Er springt sich immer mehr in eine stabile Form und hätte zuletzt auch schon Weltcupspringen gewinnen können. Ich denke, da war er noch zu nervös. Spannend wird sein, wie er mit dem Druck aus Österreich bei der Tournee umgehen kann.“
Simon Ammann
Der zweimalige Doppel-Olympiasieger, 33, hat die Vierschanzentournee noch nie gewonnen. Hannawald: „Ammann ist für mich schwer zu berechnen. Er kommt an die Schanze, und dann klappt es auf einmal. An anderen Tagen bleibt er hinter den Erwartungen. Er ist ein Wackelkandidat. Wenn alles klappt, kann es aber ganz nach vorne reichen.“
Gregor Schlierenzauer
Mit 53 Weltcupsiegen ist der Österreicher der erfolgreichste Springer der Geschichte. In diesem Winter läuft es allerdings nicht rund – Platz acht des Gesamtweltcups. Hannawald: „Er kennt die Schanzen so gut wie kaum ein anderer. In dieser Saison hat er aber noch ein paar Probleme. Wenn Schlierenzauer in Oberstdorf Luft schnuppern sollte, kann er durch seine Erfahrung und sein gutes System ganz vorne landen.“