Aus dem Nichts hat Skispringer Richard Freitag den Weltcup in Engelberg gewonnen. Druck für die Vierschanzentournee macht sich der 23 Jahre alte Sachse deswegen aber nicht.
Engelberg. Nach seinem furiosen Comeback wollte Richard Freitag nichts von der Rolle als Mitfavorit für die Vierschanzentournee wissen. „Ich bin einer, der am Rand steht“, sagte der Skispringer im Anschluss an seinen überraschenden Weltcupsieg in Engelberg. Nach vielen Rückschlägen gewann der 23-Jährige aus Aue am Samstag völlig unerwartet in der Schweiz, 24 Stunden später ließ er einen guten fünften Platz folgen. Druck will sich Freitag nun aber trotzdem nicht machen.
„Es gibt viele, viele Leute, die gut skispringen können – und sie haben den Druck“, sagte Freitag: „Ich bin hier, um schöne Sprünge zu machen. Ich kümmere mich nur um mich.“ Allerdings dürfte die Konkurrenz spätestens jetzt gewarnt sein, denn Freitag schaltete rechtzeitig vor der Tournee (27. Dezember bis 6. Januar) von 0 auf 100.
Keinen einzigen Sprung hatte er absolviert, seit er Anfang Dezember vom Weltcup aus Lillehammer abgereist war. „Es war notwendig, dass er neu durchstartet. Wir haben alles auf eine Karte gesetzt“, sagte Bundestrainer Werner Schuster: „Das Körpergefühl war weg und wir mussten die Reißleine ziehen.“ Freitag schaffte es in Norwegen nicht einmal in den zweiten Durchgang, war weit von seiner Form entfernt. Wegen eines grippalen Infekts hatte er dann in der Vorwoche auf die Wettkämpfe in Nischni Tagil verzichtet.
Am Freitag ging der Sachse auf der größten Naturschanze der Welt erstmals wieder in die Spur, einen Tag später stand er ganz oben auf dem Podest. Zum ersten Mal seit März 2013 im finnischen Lahti. „Ich kann nicht sagen, was dafür gesorgt hat, dass es wieder läuft“, sagte Freitag: „Ich glaube, es war einfach mal das Abschalten, das Wegkommen vom Springen und dann das neue Hochfahren.“
Bei seinen Liebsten sammelte er Kräfte, während Severin Freund und Co. in Russland sprangen. „Wenn es nicht läuft, dann muss man dafür sorgen, dass es wieder läuft“, sagte Freitag: „Man muss lernen, dass man frei springen kann.“ Auch bei der Tournee könne ihm das durchaus gelingen, denn „ich war schon ein paar Mal dabei. Man wächst da rein, es ist einfach Skispringen.“
Vier Weltcups hat der Sachse gewonnen, den ersten 2011 in Harrachov, wo auch Vater Holger den einzigen Sieg seiner Karriere gefeierte hatte. „Er ist einer unserer absoluten Topspringer“, sagte Schuster: „Wir bekommen einen Springer dazu, der absolute Topleistungen bringen kann.“
Vor wenigen Monaten sah das noch ganz anders aus. Nach einer schwachen Saison flog er im vergangenen Winter bei Olympia in Sotschi aus dem Team – beim sensationellen Gold-Triumph seiner Kollegen war er nur Zuschauer. „Das sind eben die anderen Seiten des Sports. Aber auch die gehören dazu. Man wächst dadurch“, sagt er heute.
Im Sommer hat Freitag daher alles auf Null gestellt. Er hat die Skifirma gewechselt, an freien Tagen sein Interesse an Physiotherapie vertieft, eine neue Einstellung gewonnen. „Wichtig sind nicht immer die Ergebnisse, sondern ob ich mich wohl fühle“, sagt Freitag: „Ich springe wieder aus dem Grund, aus dem ich einmal angefangen habe – nämlich dass Skispringen arschgeil ist.“