Martin Schmitt führte das deutsche Skispringen einst in ungeahnte Höhen, zuletzt flog er nur noch hinterher. Jetzt hängt der 35-Jährige seine Skier endgültig an den Nagel.
Hamburg. Martin Schmitt war der erste Popstar des Skispringens, die Teenager kreischten, in seiner Heimat Furtwangen wurde eine Straße nach ihm benannt. Das ist lange her. Seit 2002 hat Schmitt kein Springen mehr gewonnen, er flog trotzdem einfach weiter. Nun aber ist Schluss: Nach 17 Jahren im Weltcup hängt der Team-Olympiasieger von 2002 seine Skier endgültig an den Nagel.
Offiziell verkünden wird Schmitt seinen Rücktritt nach Bild-Informationen am 1. Februar in Willingen. Dort also, wo der Hype um ihn und Sven Hannawald einst mit Dauer-Partys an der Schanze seinen Höhepunkt fand. Das macht Sinn, auch wenn weder Schmitt noch der Deutsche Skiverband (DSV) den Rücktritt am Mittwoch auf SID-Anfrage bestätigen wollten.
Überraschend kommt der Schritt nicht. Seine Auftritte bei der Vierschanzentournee in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen waren die einzigen Weltcups in diesem Winter. Vom A-Kader oder gar den erträumten Olympischen Spielen war der 35-Jährige weit entfernt, für eine Rückkehr in den zweitklassigen Continental Cup fehlt ihm die Motivation.
„Wenn ich einmal aufhören werde, habe ich das lange genug gemacht. Dann habe ich auch keine Entzugserscheinungen“, hatte Schmitt im Sommer dem SID gesagt. Da bereitete er sich bereits auf die Zeit nach seiner Karriere vor. In Köln studiert der Routinier derzeit an der Trainerakademie, im Oktober 2015 wird er seinen Abschluss machen.
Anschließend will ihn der DSV für eine Zusammenarbeit gewinnen, Sportdirektor Thomas Pfüller hat seine Fühler bereits ausgestreckt. „Es ist geplant, dass ich mich weiter im Skispringen einbringe“, sagt der Weltmeister von 2001. Martin Schmitt als Trainer? Warum nicht, findet Bundestrainer Werner Schuster: „Ich kann mir das gut vorstellen. Er hat die nötige Leidenschaft für den Sport.“
Eine Leidenschaft, die er jahrelang ausgelebt hat. Seit 1997 war Schmitt im Weltcup dabei, feierte stolze 28 Siege bei 292 Starts. Nur fünf Springer der Welt waren erfolgreicher. 1998/1999 und 1999/2000 gewann er den Gesamtweltcup, viermal war er bei Olympischen Spielen dabei, 18 Mal bei der Tournee. Dort schloss sich nun der Kreis. Garmisch sei „ein schöner Ort für den letzten Weltcup“, hatte Schmitt an Neujahr gesagt, und es klang bereits nach Abschied.
Zum Rücktritt geraten hatten Schmitt seit Jahren unzählige Stimmen. Deutschlands Sportler des Jahres 1999 musste viel Spott ertragen, auch von einstigen Bewunderern, die nun nichts mehr von ihm wissen wollten. Schmitt war es egal, er hat weitergemacht. Nicht, weil er das Geld brauchte, sondern weil er Spaß am Skispringen hatte.
„Dieser Sport hat eine Faszination“, sagte Schmitt einmal und geriet dabei in Schwärmen: „Wenn ein guter Sprung gelingt, wenn man am Schanzentisch die Energie richtig mitnimmt, wenn man die Welle erwischt und das ganze Puzzle sich fügt, wenn man mit einem weiten Flug belohnt wird – dieses Gefühl strebt man immer wieder an.“ Allen Kritikern zum Trotz.
2009 wurde Schmitt völlig überraschend noch einmal Vize-Weltmeister. Es war die dunkle Zeit des deutschen Skispringens, die Erfolge blieben aus, der neue Bundestrainer Werner Schuster stand vor einem Scherbenhaufen. „In meinem ersten Jahr hat Martin eine richtig tolle Saison gehabt. Ich habe ihm viel zu verdanken, er ist ein großer Sportsmann“, sagt Schuster im Rückblick.
Inzwischen ist das deutsche Skispringen dank Siegspringern wie Severin Freund oder Andreas Wellinger zurück in der Weltspitze. Ein Popstar wie Martin Schmitt fehlt zwar, doch der Held von einst kann beruhigt seine Sachen packen. Der Generationswechsel ist längst vollzogen, das weiß auch Schmitt: „Den Staffelstab haben die Jungen schon lange genommen. Und das ist gut so.“