Martin Kind sieht in der Bundesliga noch Handlungsbedarf. Anlässlich des fünften Todestages des Nationaltorwarts am Montag war am vergangenen Freitag im Landesmuseum in Hannover eine Ausstellung eröffnet worden. Sie läuft noch bis Dienstag (11. November).

Hannover. Fünf Jahre nach dem Suizid von Fußball-Nationaltorwart Robert Enke (32) sieht Martin Kind (70) in der Bundesliga noch Handlungsbedarf, wenn es um das Thema Depressionen geht. „Wir brauchen noch sehr viel Zeit, um wirklich daraus lernen zu können“, sagte der Präsident von Hannover 96 der Bild-Zeitung.

Zwar gebe es positive Beispiele wie 96-Torwart Markus Miller, der seine mentale Erschöpfung 2011 in einer Pressekonferenz öffentlich machte und heute wieder auf dem Platz steht. „Aber es gibt auch die Tragödie Biermann“, mahnte Kind. Der frühere Bundesliga-Profi Andreas Biermann, der seit 2004 an Depressionen litt, hatte sich im Juli 2014 nach zuvor drei Suizidversuchen das Leben genommen.

Depressiven Fußballprofis empfiehlt Kind, sich gegenüber den Verantwortlichen zu öffnen. Nur so könne die medizinische Betreuung und die Hilfestellung im Verein gewährleistet werden. Anders als im Fall Miller sollten sie ihre Erkrankung aber nicht öffentlich machen, glaubt der 96-Präsident: „Markus wollte das ausdrücklich so und das ist zu respektieren. Aber wenn mich ein Spieler um Rat fragt, würde ich empfehlen, wir sollten es vertraulich, intern und defensiv angehen. Man kennt die Reaktionen der Öffentlichkeit nicht.“

Auch für den Kölner Sportchef Jörg Schmadtke, der zurzeit von Enkes Tod Manager bei Hannover 96 war, ist der Umgang mit psychischen Erkrankungen „ein schwieriger Spagat“ für die Vereine. „Wir fordern Top-Leistungen ein, müssen aber auch einen Blick für die Spieler haben“, sagte der 50-Jährige dem Express. Nach Enkes Tod seien in der Bundesliga einige sensibilisiert worden. „Die Klubs öffneten sich für Dinge wie die psychologische Betreuung der Sportler“, äußerte Schmadtke.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sieht fünf Jahre nach dem Selbstmord von Enke beim Umgang mit Profi-Fußballern keine grundlegende Änderung. Es habe sich „nichts Gravierendes verändert“, hatte der 63-Jährige in einem Interview mit der ARD-Recherche-Redaktion Sport gesagt, „da würde man sich selber etwas vormachen. Wir kommen immer wieder an Punkte, wo man sich von einer gesunden sportlichen Rivalität entfernt.“

Anlässlich des fünften Todestages des Nationaltorwarts am Montag (10. November) war am vergangenen Freitag im Landesmuseum in Hannover eine Ausstellung eröffnet worden. Sie läuft noch bis Dienstag (11. November).

Fälle von psychischen Erkrankungen im deutschen Fußball

Martin Amedick: Der damals bei Eintracht Frankfurt spielende Defensivakteur begab sich im Juli 2012 wegen eines temporären Erschöpfungssyndroms in fachärztliche Behandlung und wurde vom Verein freigestellt. Nach einer halbjährigen Pause kehrte er im Januar 2013 ins Mannschaftstraining zurück. Heute ist der 32-Jährige für den Bundesliga-Aufsteiger SC Paderborn aktiv.

Andreas Biermann: Am 20. November 2009, kurz nach Robert Enkes Freitod, gab der Spieler des FC St. Pauli bekannt, dass er sich in stationärer Behandlung befinde. Nach eigenen Angaben litt er seit 2004 an Depressionen. Der Suizid des Nationaltorwarts habe ihn zum Schritt an die Öffentlichkeit bewogen. Diesen Schritt bereute er später, weil er laut eigenen Angaben nicht die erhoffte Unterstützung fand. Nach drei gescheiterten Suizidversuchen nahm sich Biermann am 18. Juli 2014 das Leben.

Breno: Der ehemalige Spieler von Bayern München zündete im September 2011 seine gemietete Villa im Münchener Vorort Grünwald an. Das Gebäude brannte aus. Der Brasilianer musste im anschließenden Prozess wegen schwerer Brandstiftung eine Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten antreten. Der damalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß machte anschließend öffentlich, dass Breno vor seiner Verhaftung wegen Depressionen behandelt wurde. Inzwischen ist der heute 25-jährige Breno Freigänger und arbeitet in der Jugendabteilung des FC Bayern. Im Dezember soll er voraussichtlich vorzeitig aus der Haft entlassen werden.

Sebastian Deisler: Der als Jahrhunderttalent bezeichnete Spieler von Bayern München bekannte sich im Jahr 2003 zu seinen Depressionen und ließ sich ins zur stationären Behandlung einweisen. Nach fünf Monaten kehrte der Nationalspieler zurück, hatte in der Folgezeit aber immer wieder mit depressiven Schüben und Verletzungspech zu kämpfen. Im Januar 2007 – mit 27 Jahren – gab Deisler sein Karriereende bekannt. Heute lebt der Ex-Mittelfeldstar zurückgezogen in Freiburg.

Martin Fenin: Der Tscheche, in Deutschland für Eintracht Frankfurt und Energie Cottbus aktiv, machte im Oktober 2011 nach einem Fenstersturz seine Depressionen und seinen Medikamentenmissbrauch öffentlich. Er unterzog sich einer langfristigen Behandlung. Nach fünf Monaten stand Fenin wieder für Cottbus auf dem Rasen. Fenin spielt heute beim französischen Zweitliga-Aufsteiger FC Istres.

Christopher Gäng: Das frühere Torwart-Talent, das 2008 einen Bundesliga-Einsatz für Hertha BSC absolvierte, bekannte sich im November 2012 zu seinen Depressionen und begab sich in ärztliche Behandlung. Mittlerweile spielt der 26-Jährige bei der SG Sonnenhof-Großaspach in der 3. Liga.

Markus Miller: Der Ersatz-Torhüter von Hannover 96 erklärte am 5. September 2011 auf einer Pressekonferenz, dass er sich wegen mentaler Erschöpfung stationär in einer Klinik behandeln lasse. Bei dem früheren Karlsruher wurde zudem ein beginnendes Burnout-Syndrom diagnostiziert. 14 Wochen nach der Therapie absolvierte Miller sein erstes Pflichtspiel für die Rothosen. Derzeit erholt sich der 32 Jahre alte Torhüter von einer Knieoperation.

Babak Rafati: Am 19. November 2011 versuchte der damalige Bundesliga-Schiedsrichter vor der Partie des 1. FC Köln gegen Mainz 05 sich in seinem Hotelzimmer das Leben zu nehmen. Seine drei Assistenten fanden Rafati, der unter Depressionen litt, jedoch noch rechtzeitig und alarmierten den Notarzt. Später klagte Rafati über angeblich zu großen Druck beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und warf den Schiedsrichter-Chefs Herbert Fandel und Hellmut Krug „systematisches Mobbing“ vor. Der 44-Jährige ist heute als Referent tätig.

Ralf Rangnick: Am 22. September 2011 erklärte der Trainer von Schalke 04 seinen Rücktritt. Als Grund nannte Rangnick erste Burnout-Symptome und den zu großen Druck auf der Trainerbank. „Mein derzeitiger Energielevel reicht nicht aus, um erfolgreich zu sein“, sagte der damals 53-Jährige. Nach einer neunmonatigen Pause ist Rangnick bis zum heutigen Tag als Sportdirektor der Klubs RB Salzburg und RB Leipzig tätig.

Jan Simak: Der hochveranlagte Tscheche, der Hannover 96 in die Bundesliga schoss und für Bayer Leverkusen, VfB Stuttgart, Mainz 05 und Carl Zeiss Jena spielte, hatte während seiner Karriere immer wieder mit Depressionen und Alkoholproblemen zu kämpfen. Seit dieser Saison spielt der inzwischen 36-Jährige beim tschechischen Drittligisten Bohemians Prag.