Am Sonntag steigt am Millerntor der zehnte „Tag der Legenden“. Erfinder Reinhold Beckmann über seine ganz besonderen Erlebnisse.
Hamburg. In der Ecke steht der Kaffeetisch, an dem Uwe Seeler mit seinem Freund, der Werder-Bremen-Legende Max Lorenz, wieder am Spielfeldrand Platz nehmen wird. Daneben wartet eine gigantische „10“ aus Styropor mit dem Logo vom Tag der Legenden auf den Abtransport zum Millerntor, ansonsten reiht sich Stahlkiste an Stahlkiste mit technischer Ausrüstung. Die Redaktionsräume der TV-Produktionsfirma von Reinhold Beckmann am Eppendorfer Straßenbahnring gleichen derzeit eher einer Requisitenhalle. Der Hausherr selbst ist etwas vergrippt, womöglich auch eine Folge des Stresses unmittelbar vor dem zehnten Tag der Legenden am Sonntag, dem Benefizspiel für den Verein NestWerk. Im Gespräch mit dem Abendblatt erzählt Beckmann seine größten Momente aus zehn Jahren Tag der Legenden.
Karten aus dem Bully
Die ersten Karten für den ersten Tag der Legenden haben wir aus einem beklebten alten VW-Bully verkauft. Wir sind mit dem Auto zu Sportplätzen und in Einkaufsstraßen gefahren, um für den Tag der Legenden zu trommeln. Damals war das ja eher Neuland, Spiele mit ehemaligen Stars für den guten Zweck in dieser Qualität gab es kaum. Als zum Auftakt 11.500 Fans kamen, waren wir mehr als zufrieden. Denn das bedeutete eine Einnahme von rund 120.000 Euro für NestWerk.
Würstchen von Hoeneß
Viel ist in den vergangenen Monaten über das Steuervergehen von Uli Hoeneß diskutiert und geschrieben worden. Unbestreitbar bleiben seine sozialen Verdienste, auch für den Tag der Legenden. Ohne Zögern sagte er sofort seine Teilnahme bei der Premiere 2005 zu. Zudem hat er unseren Tag mit einer Wagenladung Würstchen aus seinem Unternehmen gesponsert. Am Millerntor wurde er gefeiert. Schließlich hatte kein St.-Pauli-Fan seinen Einsatz für das Retterspiel mit dem FC Bayern für den damals fast insolventen Kiezclub vergessen.
Fischers Kunstschuss
Das Traumtor von Klaus Fischer zählt zu den ganz großen sportlichen Momenten unserer Veranstaltung. „Reinhold, mach dir keine Sorgen, ich kriege das hin“, sagte er mir vor dem Anpfiff. Wiederholen wollte er sein schönstes Tor der Karriere per Fallrückzieher im Länderspiel 1977 gegen die Schweiz. Er hatte nur zwei Bedingungen: Top-Flanke und kein Verteidiger in der Nähe. Die Flanke servierte Matthias Herget so präzise wie einst Rüdiger Abramczik. Der Ball flog in den linken Winkel, die Fans waren aus dem Häuschen.
Ein bisschen Frieden
Der gemeinsame Auftritt von Jürgen Klopp und Matthias Sammer beim Legenden-Spiel im vergangenen Jahr hatte schon in den Tagen zuvor für Schlagzeilen gesorgt. Denn die beiden hatten sich gerade öffentlich ganz schön gezofft. Doch am Millerntor waren Dortmunds Trainer und der Sportdirektor des FC Bayern ein Herz und eine Seele. Klopp fungierte auf dem Spielfeld sogar als verlängerter Arm von Trainer Sammer. Was zeigt, dass der Legenden-Tag auch ein Friedensstifter sein kann.
Mein Freund Schumacher
Fotos von Michael Schumacher machen mich traurig. Ich kenne ihn schon eine halbe Ewigkeit, ich bin früher als Student mit meiner Clique auf der elterlichen Kartbahn in Kerpen oft gefahren. Natürlich waren die Schumi-Brüder immer viel schneller als ich. In den vergangenen Jahren wurde unsere Freundschaft wieder intensiver, wir haben ein paar Mal bis in die tiefe Nacht zusammengesessen und über alte Zeiten gesprochen. 2013 war er dann unser Gast, großartig. Ich wünsche ihm nach seinem schweren Skiunfall bei seiner Reha alles Glück der Welt.
Ovationen für Keegan
Auf den Auftritt von Kevin Keegan hatten wir Jahre hingearbeitet, ich hatte selbst fast nicht mehr daran geglaubt. 2011 klappte es dann endlich, auch dank Bernd „Fummel“ Wehmeyer, der zu ihm einen engen Draht hat. Enthusiastisch wurde Kevin am Millerntor gefeiert. Er hat jeden Autogramm- und Interviewwunsch erfüllt, er ist einfach ein ganz feiner Kerl. Die Ovationen für Keegan zeigen die Sehnsucht der HSV-Fans nach den alten, großen Zeiten. Und es illustriert auch, was möglich wäre, sollte der HSV wieder an alte Erfolge anknüpfen können.
Legendärer Ex-Kanzler
Gerhard Schröder hatte mir schon länger versprochen, dass er die Schirmherrschaft übernimmt, wenn der Termin irgendwann passen sollte. 2009 war es dann so weit. Und ihm hat es so gut gefallen, dass er auch noch zur Nacht der Legenden im Tivoli geblieben ist. In einem Grußwort hat er damals geschrieben, warum er den Integrationsgedanken von NestWerk so gut findet: „In meiner Kindheit lebten wir in einer Behelfsbaracke am Rande des dörflichen Fußballplatzes. Immer wenn ich die Jungs aus dem Dorf auf dem Platz spielen hörte, war mir klar: Ich will auch dazugehören.“
Kaiser ohne Wetterglück
Franz Beckenbauer war schon einmal Schirmherr, 2006 beim zweiten Legenden-Tag. Es war die einzige Veranstaltung, wo wir richtig Pech mit dem Wetter hatten. Es schüttete wie aus Kübeln. Sonntag kommt Franz wieder als Schirmherr. Sollte es erneut regnen, war es für ihn das letzte Mal ... Aber eigentlich haben wir mit Petrus fast immer Glück. Ich erinnere mich an einen ebenfalls ganz düsteren Tag, wo der Himmel pünktlich zum Anpfiff aufriss. Und eine Stunde nach dem Abpfiff hat es wieder geregnet.
Charly, der Clown
Charly Dörfel zählt zu unseren ganz treuen Freunden. In den ersten Jahren rief er schon mal ein paar Tage vorher an: „Reinhold, ich habe mir wieder was ganz Besonderes überlegt.“ Unvergessen ist seine Jonglieraktion beim ersten Legenden-Tag. Über das ganze Spielfeld hat er einen Besenstiel auf seinem Kinn balanciert. Hinterher hat er behauptet, er halte in dieser Disziplin jetzt den Weltrekord. Charly ist ein echter Zirkusmensch, einer, den man mögen muss.
Trauer um Hermann
Dass Hermann Rieger nicht mehr unter uns ist, kann ich noch immer nicht fassen. Auch für den Tag der Legenden ist das ein ganz schwerer Verlust. Hermanns Auftritte waren immer ganz besondere Momente. Mal kam er in einer Seifenkiste mit Michael Schumacher auf den Rasen, mal auf einem fliegenden Teppich, mal mit Schlittenhunden. Wenn sich ein Spieler scheinbar vor Schmerzen krümmte, wussten alle Fans: Jetzt kommt Hermann. Der Burschi mit dem großen Herzen fehlt mir sehr.
Auf Uwe ist Verlass
Auf Uwe Seeler kann ich mich immer verlassen. Schon beim allerersten Tag der Legenden hat er mit mir Karten verkauft. Auch in diesem Jahr werden wir ihm selbstverständlich Kaffee und Kuchen am Spielfeldrand servieren, wo er wie immer mit seinem Freund Max Lorenz an einem kleinen Tisch sitzt. Was kaum jemand weiß: Uwe unterbricht für den Tag der Legenden jedes Jahr seinen Urlaub. Ich hatte deshalb schon Stress mit seiner Tochter Kerstin, die sagt: Das kannst du mit Vadder eigentlich nicht machen. Aber natürlich kommt Uwe auch am Sonntag wieder. Ehrensache für ihn.