Moubarak Alassani hat durch das Projekt „Spielmacher Harburg“ auf den rechten Weg gefunden. Jetzt läuft er am Millerntor mit seinem Team auf – und hofft dabei entdeckt zu werden.

Hamburg. Er kommt als einer der Ersten. Wie immer eigentlich. „Beim Fußball bin ich sehr diszipliniert“, sagt Moubarak Alassani, „das musst du sein.“ Der 17-Jährige ist stets pünktlich beim Training, will keine Einheit verpassen. Fußball ist sein Leben und sein Traum, der Weg in die Welt. „Es ist mir sehr wichtig“, sagt der talentierte Mittelfeldspieler, „seit ich hier spiele, mache ich keinen Mist mehr, habe keine falschen Freunde mehr, bin reifer geworden.“

„Spielmacher Harburg“ heißt das Projekt, das 2012 vom Fachamt Jugend-und Familienhilfe Harburg und dem Verein In Via Hamburg ins Leben gerufen wurde. Reinhold Beckmanns Initiative Nestwerk, zu deren Gunsten der Tag der Legenden nun schon zum zehnten Mal gefeiert wird, unterstützt die Spielmacher. „Wir können die Jugendlichen durch Fußball binden“, sagt Christoph Ebenthal, der als Sozialpädagoge bei Nestwerk arbeitet, „das Ziel ist, sie in eine Ausbildung zu bringen.“

Es seien oft Jungs mit Tendenzen zur Schulverweigerung, Bocklosigkeit, Lernschwierigkeiten. Migranten, alle. Ausgewählt in Zusammenarbeit mit zehn Schulen, aus Harburg und Nachbarschaft. Trainiert wird drei Mal in der Woche auf einem Fußballplatz mitten im Phoenix-Viertel. Mehr als 20 Kicker zwischen 14 und 18 Jahren treffen sich dort. Der ehemalige FC St. Pauli-Trainer Michael Lorkowski leitet die Übungen. Und Moubarak ist der Kapitän des Teams.

Beim Tag der Legenden haben die Spielmacher ihren ersten großen, öffentlichen Auftritt, sie bestreiten das Vorspiel gegen eine Amateurmannschaft aus Hamburg. 2000 Zuschauer werden erwartet. Große Bühne, Moubaraks Augen strahlen: „Hey, vielleicht sieht mich ja jemand.“ Mit Beckmann und Franz Beckenbauer soll das Spielmacher-Team im Millerntor auflaufen. Die Vorfreude ist gewaltig, die Enttäuschung über nur zweimal 15 Minuten Spielzeit war es auch. Zunächst. „Hey, da sind wir doch noch gar nicht richtig warm“, sagt Moubarak.

Als er fünf Jahre alt war, 2002, machte er sich mit seiner Mutter aus Togo auf den Weg nach Deutschland. Vater Islam war bereits da, sie lebten zunächst in Greifswald in einem Asylantenheim. Waren geduldet. Wurden bepöbelt. „Der Rassismus war schon schlimm“, sagt Moubarak. Es sei auch nicht besser geworden, als das Heim in Greifswald geschlossen wurde und die Familie nach Parchim umziehen musste. Seit 2009 ist sie in Hamburg, es sei nicht mehr gegangen in Mecklenburg-Vorpommern. „Ich habe viel Mist gemacht früher“, erzählt der junge Mann, „wir wurden beleidigt, meine Mutter wurde beleidigt, und ich musste doch meine Familie verteidigen.“

Er schloss sich einer Jugendgruppe an, lernte das Recht des Stärkeren kennen. „Schlägereien waren zu meinem Hobby geworden.“ Aber gestohlen, darauf legt Moubarak Wert, gestohlen habe er nie.

Für Trainer Lorkowski hat dessen Nummer 10 fußballerisch das „größte Potenzial“. Bis zum Sommer spielte Moubarak auch bei Eintracht Norderstedt in der Jugend-Regionalliga, jetzt hat er sich den Herren von Altenwerder in der Landesliga angeschlossen. Ist aber grade gesperrt, ein Wechselproblem, weil er auch bei Dersimspor angeheuert hatte. Formalien, das ist alles nicht so einfach in der Bürokratie, auch beim Fußballverband.

In einer Dreizimmerwohnung in Harburg wohnt Moubarak mit seiner Mutter Toba-Faouzya und drei jüngeren Geschwistern, die zwischen fünf und elf Jahre alt sind. Die Familie lebt von Hartz IV. Denn der Ernährer, der in Hamburg einen Job als Busfahrer hatte, ist vor zwei Jahren gestorben. Vier Tage lag er nach einer Rücken-OP im Koma, zu retten war Islam Alassani nicht mehr. Irgendetwas war wohl schiefgelaufen im Krankenhaus, was, das will die Familie gar nicht so genau wissen. „Wegen unseres Glaubens.“ Alles liege doch in Gottes Hand.

Moubarak spricht exzellent Deutsch, er hat seinen Hauptschulabschluss im letzten Sommer bestanden, Note 2,9. Jetzt sucht er einen Job, „irgendetwas mit Metall, ich bin handwerklich begabt.“ Aber es ist nicht einfach, etwas zu finden. Auch wenn das Projekt „Spielmacher“ bei der Vermittlung von Praktika hilft. Moubarak hat auch schon mal ein Praktikum kurzfristig nach einem Tag abgebrochen. „Er ist kommunikativ, diszipliniert und ehrgeizig auf dem Fußballplatz“, sagt Sozialarbeiter Jens Körner von In Via, der das Projekt betreut, „seine Leistungsbereitschaft ist da hoch – er muss das nur ins normale Leben übertragen.“

So sei das bei fast allen Spielern. Die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass es der eine oder andere nicht schaffen würde, ohne die Unterstützung von „Spielmacher“. Eine Garantie gebe es nicht, aber eine Chance.

Im November wird Moubarak 18. Dann möchte er die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen, die seine drei Geschwister bereits besitzen, weil sie in Deutschland geboren sind. Er träumt auch von einer eigenen Wohnung. Und ja, einem Arbeitsplatz, denn mit dem Fußball als Lebensgrundlage wird es schwer, ahnt er: „Es gibt so viele talentierte Spieler.“ Aber ganz will er die Hoffnung nicht aufgeben, denn eigentlich ist ja der Fußball sein Traum und sein Leben: „Vielleicht bin ich ja wie Klose und werde erst spät entdeckt.“