Endlich läuft der Countdown im WM-Land – und der beginnt nach der Ankunft im Campo Bahia mit einem positiven Signal. Löw sieht kein Risiko für einen Einsatz von Neuer. Auch Lahms neue Rolle verfestigt sich.
Santo André. Nach dem herzlichen Empfang in Brasilien hat Joachim Löw keine Zeit mehr zu verlieren. Nur ein paar Stunden gönnte der Bundestrainer seinen 23 Fußballern nach dem Einchecken im abgeschiedenen Campo Bahia, um sich nach einem 15-Stunden-Trip mit Flugzeug, Bus und einer Fähre vom Jetlag zu erholen. „Wir alle haben diesen Moment immer herbeigesehnt“, sagte Löw zu seiner Freude, endlich im WM-Land zu sein. „Die WM hat für uns jetzt begonnen. Wir freuen uns, dass wir nach langen Planungen, nach vielen Gedanken und Diskussionen in Brasilien sind. Denn jetzt geht's los.“
Entwarnung bei Manuel Neuer
Nach einem ersten, kurzen Eintauchen in die unbekannte Welt am Atlantik startete der Chefcoach auf einem aus dem Boden gestampften Trainingszentrum unweit des Teamhotels den Vorbereitungsendspurt für das erste Gruppenspiel gegen Portugal. Dabei gab es nur einen Tag nach dem WM-Aus von Marco Reus (Löw: „Ein Schock für uns“) das lange erhoffte positive Signal: Drei Wochen nach seiner Schulterverletzung macht Manuel Neuer wieder Torwarttraining – mit Handschuhen und Ball.
Für Löw kam das absolut planmäßig. Der Bundestrainer glaubt nicht, dass er mit einem Einsatz von Neuer schon im ersten Spiel ein Wagnis eingehen müsste. „Nach aktuellem Stand wird es dieses Risiko nicht geben. Die klare Aussage der medizinischen Abteilung und auch des Spielers ist, dass er nun torwartspezifisch belastet werden kann“, sagte der 54-Jährige. Löw rechnet mit einer WM-Punktlandung seiner Nummer 1: „Ich gehe daher davon aus, dass er gegen Portugal spielen kann.“
Lahm spielt vermutlich im Mittelfeld
Löw treibt seine Pläne für das wichtige Auftaktspiel aber auch auf anderen Positionen voran. Er gewährte bereits am Tag vor einem öffentlichen Training für die gastgebende Gemeinde Santo André aufschlussreiche Einblicke. Philipp Lahm agierte im Übungsspiel im Mittelfeld, Jérome Boateng verteidigte rechts – beides so wie beim 6:1-Sieg im Benefiz-Länderspiel gegen Armenien. „Wenn man im letzten Spiel vor einer WM auf einer Position spielt, dann geht man auch davon aus, dass man auf dieser Positon eingesetzt wird“, hatte Lahm schon nach seinem gelungenen 45-Minuten-Comeback in Mainz drei Wochen nach seiner Fußverletzung erklärt.
Reus hatte eine zentrale Rolle gespielt
Das gegen die Armenier getestete 4-3-3-System könnte tatsächlich die taktische Variante gegen Portugal sein. Die noch um die WM-Fitness ringenden Führungskräfte Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira scheinen dabei um den dritten Mittelfeldplatz neben Lahm und Toni Kroos zu kämpfen. Löw sucht noch intensiv nach Lösungen für seine WM-Startelf, in welcher der Dortmunder Reus bis zu seinem tragischen Verletzungs-Aus ein Fixpunkt war.
„Marco war super drauf. Er hat vor Spielfreude gesprüht. In unseren Überlegungen hat er eine zentrale Rolle gespielt“, bedauerte Löw den Turnierausfall des 25 Jahre alten Angreifers, der nach der Diagnose – Syndesmoseteilriss am linken Sprunggelenk – am Boden zerstört war. Ein Traum sei für ihn geplatzt, dem Team aber wünschte der große Pechvogel dennoch „alles Gute“.
Die offensiven Spieler kommen in Schwung
Den frei gewordenen Kaderplatz vergab Löw an Nachrücker Shkodran Mustafi. Um die vakant gewordene Planstelle von Reus in der Offensive streiten jetzt vor allem die gegen Armenien nicht nur als Torschützen auftrumpfenden André Schürrle und Lukas Podolski. „Es ist ein kleines Plus von uns, dass die Spieler in der Offensive in Schwung kommen“, stellte Löw erfreut fest. Auch Miroslav Klose, der gegen Armenien mit Länderspieltor 69 zum alleinigen deutschen Rekordschützen aufstieg und am Montag in Brasilien seinen 36. Geburtstag feierte, traut der Bundestrainer mehr als nur eine Joker-Rolle bei seiner vierten WM zu.
Begeisterter Empfang für die Nationalelf
Bei fast 30 Grad hatten singende und klatschende Kinder mit Fähnchen das deutsche Team am Sonntag am WM-Quartier empfangen. Zuvor mussten Spieler und Trainer nach der ersten Fahrt mit dem knallbunten Teambus mit dem Slogan „Ein Land, eine Mannschaft, ein Traum“ aber noch über den Fluss Joao da Tiba übersetzen. Mehrere hundert Einheimische winkten den prominenten Gästen aus Alemanha begeistert zu.
Die ersten Eindrücke von Land und Leuten seien sehr positiv gewesen, berichtete Teammanager Oliver Bierhoff in der ARD: „Auch schon der Moment auf der Fähre, wo man gemerkt hat, man taucht ein bisschen in eine andere Welt.“ Die deutsche Nationalmannschaft ist in Brasilien angekommen – und bleiben will sie bis zum großen Finale am 13. Juli. „Man muss immer das höchste Ziel haben“, sagte WM-Debütant Schürrle.