Mit 39 Jahren hängt der Ungar Zsolt Erdei seine Boxhandschuhe an den Nagel. In Kecskemet verabschiedete er sich am Sonnabend. Dabei entschied er alle Runden souverän für sich.
Kecskemet. Am Tag nach seinem hoch emotionalen Abschied vom Berufsboxen suchte Zsolt Erdei Entspannung im heimischen Garten. Gemeinsam mit seinem Freund Walter Knieps von der Firma Paffen-Sport, der zu Erdeis Ehren nach Ungarn gereist war, beschnitt er die an seinem Haus in Fot nahe Budapest wachsenden Weinpflanzen und ließ die Gefühle noch einmal aufleben, die ihn am Vorabend übermannt hatten. Im Arm seines langjährigen Trainers Fritz Sdunek war der 39-Jährige in Tränen ausgebrochen, nachdem ihn die mehr als 4000 Zuschauer in der Isztvan-Messzi-Sporthalle in Kecskemet frenetisch für seine gelungene Abschiedsvorstellung gefeiert hatten. Gegen den Georgier Shalva Jomardaschwili hatte Erdei auf allen drei Punktzetteln alle zehn Runden für sich entscheiden können.
„Es war eine unglaubliche Atmosphäre, diesen Abend werde ich niemals in meinem Leben vergessen“, sagte Erdei. Doch obwohl er sich dynamisch und technisch fintenreich wie in besten Zeiten gezeigt hatte, bekräftigten Sdunek und Erdei unisono, dass es kein Zurück in den Ring geben wird – wenigstens nicht als aktiver Kämpfer. „Ich habe Zsolt zugeraten, jetzt Schluss zu machen“, sagte Sdunek. „Ich bin mit diesem Ende mehr als zufrieden. Ich wollte mich mit einem Erfolg verabschieden, das ist mir gelungen. Ich habe eine tolle Karriere gehabt und habe ehrlich gesagt keine Lust mehr, mich noch weiter zu quälen“, gab der Ungar ehrlich zu.
Eine tolle Karriere hat Zsolt Erdei tatsächlich gehabt. Im Dezember 2000 war der bullige Halbschwergewichtler zum Hamburger Universum-Stall unter Sduneks Fittiche gekommen. Im Januar 2004 holte er sich in einem mitreißenden Kampf den WBO-WM-Titel vom Mexikaner Julio Cesar Gonzalez und rächte damit seinen Trainingskollegen Dariusz Michalczewski, der den Gürtel im Oktober 2003 an Gonzalez verloren hatte. „Das war der größte Moment meiner Karriere, ein absoluter Höhepunkt, an den ich mich immer erinnern werde“, sagte Erdei. Anschließend verteidigte er den Titel elfmal erfolgreich, legte ihn im Sommer 2009 nieder und holte sich im November 2009 auch den WBC-WM-Titel im Cruisergewicht durch einen Sieg gegen den Italiener Giacobbe Fragomeni.
Von Universum trennte sich Erdei, der sich jahrelang nicht ausreichend vermarktet fühlte, im Unfrieden und absolvierte zwischen November 2010 und März 2013 noch drei Kämpfe in Kooperation mit US-Promoter Lou di Bella. Doch Verletzungen an Ellenbogen, Schulter oder dem Trommelfell verhinderten, dass sich der sympathische „Feuervogel“, so Erdeis Kampfname, noch einmal für eine WM-Chance empfehlen konnte. Deshalb entschied er sich nun dazu, in seiner Heimat einen Abschiedskampf zu bestreiten.
In Zukunft wird sich der Vater eines Sohnes, der von seiner Ehefrau Arabella getrennt lebt und sich mit ihr das Sorgerecht für den Erstklässler teilt, seine ganze Energie in die Trainerkarriere stecken, die er bereits während der vergangenen Jahre angeschoben hatte. In einer staatlich geförderten Akademie in Budapest betreut er derzeit rund 25 ungarische Nachwuchs-Kaderboxer, dazu betreibt er in der Hauptstadt ein eigenes Gym für Kinder. „Diese Arbeit macht mir viel Spaß, und ich freue mich, dass ich jetzt noch mehr Zeit für die Kinder habe. Ich will alles geben, damit sie auch den Weg einschlagen, den ich gehen durfte“, sagt er.
Während Erdei knapp drei Monate vor seinem 40. Geburtstag den Absprung ins Leben nach der Karriere geschafft hat, hofft Juan Carlos Gomez im Alter von 40 Jahren auf einen letzten Neustart im Cruisergewicht, der Gewichtsklasse, die er von 1998 bis 2001 als WBC-Weltmeister dominierte. In Kecskemet kämpfte der in Hamburg lebende Kubaner im Vorprogramm und konnte den Kroaten Ivica Bacurin durch 2:1-Punkturteil nach acht Runden besiegen. „Für mich hat Juan klar gewonnen, allerdings fehlt ihm noch die Spritzigkeit, man hat den Ringrost deutlich gesehen. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, aber ich bin trotzdem ganz zufrieden“, sagte Trainer Sdunek. Gomez, der für den Abstieg aus dem Schwergewicht rund 30 Kilogramm abgenommen hatte, ist erst seit November 2013 nach zuvor 18 Monaten Kampfpause wieder in Aktion. Dennoch hofft er, spätestens 2015 eine letzte WM-Chance gegen WBO-Champion Marco Huck zu bekommen. „Zwei bis drei Aufbaukämpfe sollten es aber schon noch sein, bevor ich Juan zutrauen kann, gegen einen Mann wie Huck zu bestehen“, sagte Sdunek.