Weil Miroslav Klose angeschlagen ist, könnte der HSV-Stürmer beim Länderspiel gegen Chile in der Startelf stehen
Stuttgart/Hamburg. Die Freude über die neue weiße Kluft musste raus. Also nutzte Pierre-Michel Lasogga die Gelegenheit, sich während einer Fahrt mit dem Lift im Stuttgarter Mannschaftshotel Le Méridien im Trainingsanzug der deutschen A-Nationalmannschaft mit seinem Handy im Spiegel zu fotografieren. Um 12.11 Uhr war der optische Beweis, dass der HSV-Stürmer anlässlich des Freundschaftsspiels gegen Chile am Mittwoch (20.30 Uhr) zum ersten Mal zum Kreis der DFB-Elite gehört, auf seiner Facebook-Seite zu bewundern, versehen mit der kurzen Überschrift: „Stolz…“
Eineinhalb Stunden zuvor hatte Joachim Löw im achten Stock des Mercedes-Benz-Museums Platz genommen, wo die WM-Kampagne des Deutschen Fußball-Bundes mit dem Generalsponsor vorgestellt wurde: „Bereit wie nie.“ Doch dass die Nationalelf derzeit alles andere als bereit ist, den nächsten Anlauf Richtung internationaler Titel in Angriff zu nehmen, lässt sich nicht zuletzt an der Nominierung des HSV-Stürmers erkennen.
Als Joachim Löw am Montag gefragt wurde, ob Lasoggas Nominierung nicht doch etwas überraschend sei, da er zuletzt doch gar nicht auf solch einen Stürmertyp gesetzt habe, musste der Bundestrainer erst schmunzeln und dann einige Sekunden überlegen, bevor er schließlich ausführlich antwortete: „Für mich ist dieses Spiel einfach mal eine Testsituation. Ich habe gesehen, dass einige Spieler noch nicht ihre Form haben oder auch durch Verletzungen zurückgeworfen wurden. Für mich war es daher nur logisch zu sagen, dass ich gerne den einen oder anderen Spieler noch mal sehen möchte. Lasogga hat in der Bundesliga auch in diesem Jahr sehr viele Tore erzielt, und er hat auch sehr, sehr gut gespielt. Deswegen haben wir gesagt: Okay, wir nehmen ihn jetzt mal dazu. Natürlich hat er immer noch eine Chance, wenn er jetzt dabei ist. Ich habe immer betont: Die Tür ist nicht zu. Bei der WM müssen die aktuell besten verfügbaren Spieler dabei sein, nicht die theoretisch besten Spieler.“
Um Lasogga und den anderen Neulingen (André Hahn, Shrodran Mustafi, Matthias Ginter) die anfängliche Nervosität zu nehmen, wird Löw bis zum Spieltag Einzelgespräche führen, um sie in ihre Aufgaben einzuweisen: „Dann können wir entscheiden, wer spielen und wer erst mal auf der Bank sitzen wird.“ Die Chancen, dass der HSV-Angreifer bei seiner Premiere gleich die Hymne auf dem Platz hören wird, stehen nicht schlecht. Der gesetzte Miroslav Klose konnte am Sonntag wegen einer Beckenprellung und einer Bauchmuskelzerrung aus dem Ligaspiel gegen Florenz (1:0) nicht auflaufen. Am Telefon teilte der 35-Jährige zwar mit, dass er hoffe, nach zwei Tagen Behandlung einsatzfähig zu sein, aber ein Risiko werden weder der zuletzt anfällige Klose noch der Bundestrainer eingehen.
Und Lasogga selbst? Der Leihstürmer von Hertha BSC, der für die U21-Auswahl auf elf Einsätze (und vier Tore) gekommen war, ging das Abenteuer A-Nationalmannschaft betont defensiv an: „Mal eine ganz neue Luft zu schnuppern ist sicher nicht verkehrt. Die Berufung ist eine schöne Sache, die man gerne mitnimmt“, sagte er nach dem 0:1-Rückschlag des HSV in Bremen. Ein gesunder Schuss Realismus, denn auch Lasogga dürfte wissen, dass er zumindest für die WM in Brasilien nur dann ein Ersatzkandidat ist, falls weder Klose noch Mario Gomez (fehlt in Stuttgart) zur Verfügung stehen. Doch auch der Stürmer des AC Florenz kämpft nach seiner Knieverletzung um den Anschluss. Gegen Lazio wurde Gomez erst in der zweiten Hälfte eingewechselt, zeigte kaum ansprechende Szenen.
Am 8. Mai, kurz vor dem letzten Spieltag der Saison, wird Löw ein erweitertes Aufgebot von 25 bis 28 Spielern für die WM-Endrunde benennen, das er bis zum Meldeschluss am 2. Juni dann auf 20 Feldspieler und drei Torhüter reduzieren muss. Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt deshalb keine Überraschung, sollte Lasogga also auch zum deutschen Kader gehören, der am 13. Mai in Hamburg gegen Polen antreten wird.
Der Auftritt im Trikot der Nationalelf könnte Lasoggas Abschiedsvorstellung in der Hansestadt sein. Längst deutet es sich an, dass der Stürmer, der bis Saisonende von Hertha BSC ausgeliehen ist, keine Zukunft beim HSV hat, weil der Club dem Spieler keine reizvolle sportliche Perspektive bieten kann und auch finanziell kaum in der Lage sein dürfte, die von Berlin aufgerufene Ablösesumme zu bezahlen. Anders als der VfL Wolfsburg, der laut „Kicker“ seine Bemühungen um Lasogga intensiviert haben soll.