Stanislas Wawrinka gewinnt überraschend die Australian Open. Der Schweizer profitierte von einer Rückenverletzung des Weltranglistenersten Rafael Nadal, gegen den er zuvor in zwölf Duellen nicht einmal einen Satz geholt hatte.
Melbourne. Der Jubel fiel verhalten aus, diesen Moment hatte sich Stanislas Wawrinka anders ausgemalt. Bei den Australian Open gewann der Schweizer den ersten Grand-Slam-Titel seiner Karriere gegen den angeschlagenen Rafael Nadal – und gegen seine eigenen Nerven. 6:3, 6:2, 3:6, 6:3 triumphierte Wawrinka in einem Finale, das sich alle Beteiligten anders vorgestellt hatten.
Allen voran Nadal, der sich zu Beginn des zweiten Satzes am Rücken behandeln ließ und fortan sich nur noch über den Platz schleppte. Als die Schmerztabletten zu wirken begannen, verlor Wawrinka beinahe für eine Stunde völlig seine Linie und musste am kurzzeitig sogar zittern, obwohl Nadal noch immer weit von seiner Normalform entfernt war.
„Ich weiß nicht, ob ich träume oder nicht. Das werde ich morgen sehen“, sagte Wawrinka bei seiner Dankesrede. An Nadal gerichtet fand er aufmunternde Worte: „Rafa, es tut mir leid für dich. Ich hoffe, deinem Rücken geht es bald besser. Du bist ein guter Freund und ein unglaublicher Champion.“
Nadal war der gewohnt faire Verlierer: „Ich hatte heute Pech, aber du hast es dir wirklich verdient.“ Beim Dank an das Publikum schossen ihm Tränen in die Augen: „Es waren zwei sehr emotionale Wochen für mich. Es tut mir leid, dass sie so zu Ende gehen müssen. Ich habe alles versucht.“
Der Spanier war als turmhoher Favorit in die Partie gegangen. Zwölf Begegnungen hatte er zuvor mit Wawrinka ausgetragen, nicht einen Satz hatte er bis zum Finale am Australia Day in Melbourne verloren.
Das änderte sich nach 37 Minuten, in denen Nadal noch schmerzfrei wirkte, Wawrinka jedoch der aggressivere Spieler in der Rod-Laver-Arena war. Ganz anders, als bei seinem Viertelfinalcoup gegen Titelverteidiger Novak Djokovic startete der 28-Jährige scheinbar mit grenzenlosem Selbstvertrauen in die Partie. Nach zwölf Gewinnschlägen, zumeist mit seiner mächtigen Vorhand, war Wawrinka oben auf.
Seine Gemütslage schlug zu Beginn des zweiten Durchgangs allerdings in Ärger um. Als Nadal zur Behandlung im Kabinengang verschwand, diskutierte Wawrinka lautstark mit Schiedsrichter Carlos Ramos. „Du musst mir sagen, warum er den Physio ruft, so sind die Regeln“, sagte Wawrinka. „Ich werde dir es nicht sagen“, erwiderte Ramos: „Du kannst entweder weiter darum kämpfen, oder es akzeptieren. Ich würde es an deiner Stelle akzeptieren.“
Als Nadal mit nacktem Oberkörper zurück in die Arena kam, pfiffen ihn die 15.000 Zuschauer aus. In den Runden zuvor war er bei jedem T-Shirt-Wechsel vor allem von seinen weiblichen Fans gefeiert worden. Der Unmut des Publikums war allerdings nicht sein größtes Problem. Nadal konnte kaum noch laufen, den Aufschlag warf er nur noch über das Netz. Aufgeben kommt für den Matador aus Manacor nicht in Frage, im dritten Satz ging es nur noch darum, so lange durchzuhalten, bis die Schmerzmittel wirken.
Während Nadal vor sich hinhumpelte, verlor Wawrinka völlig seine Linie. Der Final-Debütant wusste nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte und kassierte das Break zum 0:2. Bis in den vierten Satz schaffte es Wawrinka nicht, an das grandiose Tennis der Anfangsphase anzuknüpfen, er schimpfte mit sich selbst und ermahnte sich zur Ruhe.
Erst nach knapp zwei Stunden Spielzeit fing sich Wawrinka wieder und feierte schließlich nach 2:21 Stunden den größten Erfolg seiner Karriere. Mit dem Titel springt er in der Weltrangliste auf Platz drei und steht damit weit vor seinem berühmten Schweizer Landsmann Roger Federer, der erstmals seit fast 14 Jahren nicht mehr die Nummer eins der Eidgenossen ist.