Der Punktsieg gegen Marcus Oliveira war dramatischer als gedacht. US-Promoter Don King änderte kurzerhand den Walk-in. Hamburger Jack Culcay siegt nach Punkten.
Neubrandenburg/Hamburg. Für Jürgen Brähmer und seinen Boxstall war die Bescherung schon am dritten Advent fällig. Der 35 Jahre alte Schweriner meldete sich zweieinhalb Jahre nach seinem Titelverlust am Grünen Tisch als Box-Weltmeister ziemlich eindrucksvoll zurück. Am frühen Sonntagmorgen riss Ringrichter Raul Caiz Brähmers Arm nach zwölf Runden in die Luft: Der Lokalmatador hatte sich in Neubrandenburg den vakanten WBA-Titel im Halbschwergewicht durch einen einstimmigen Punktsieg (115:112, 117:110, 117:110) über den US-Profi Marcus Oliveira geholt. Vor 5000 Zuschauern wurde nach Robert Stieglitz, Felix Sturm, Pablo Hernandez und Marco Huck Deutschlands fünfter aktueller Weltmeister auf den Thron gehoben.
„Das war mein vierter Sieg im vierten Titelkampf in diesem Jahr. Ich bin stolz auf mich“, sagte der bisherige Europameister. Die sportliche Zukunft steht dem WBA-Champion offen. Durch den Erfolg lieferte er seinem Arbeitgeber Sauerland Promotion gute Argumente für die demnächst beginnenden Vertragsverhandlungen um die Fortsetzung der TV-Kooperation mit der ARD. „Jetzt kaufe ich erst einmal einen Weihnachtsbaum“, sagte der Weltmeister und wollte sich nicht weiter dazu äußern, was danach ansteht.
Das tat Senior-Promoter Wilfried Sauerland: „Jetzt kommt erst einmal eine freiwillige Titelverteidigung, vielleicht im April, dann könnte es einen Kampf gegen den Kasachen Beibut Schumenow geben.“
Brähmer hielt den gebürtigen Menominee-Indianer Oliveira mit den klassischen Mitteln des Rechtsauslegers in Schach. Rechte Jabs zum Kopf und linke Haken zum Körper zermürbten den Modellathleten aus Pottawatomie und ließen ihn nicht zur Entfaltung kommen. Schon ab der zweiten Runde musste eine Schwellung unter dem linken Auge Oliveiras gekühlt werden – später monierte er einen Stich mit dem Daumen durch Brähmer als Ursache.
„Ich bin erst in der sechsten Runde aufgewacht, da war es dann eigentlich schon zu spät“, analysierte der US-Boxer seine erste Niederlage im 27. Kampf und machte dafür auch die Zeitumstellung verantwortlich: „Ich bin zum ersten Mal in Europa.“ Aber er zeigte sich als fairer Verlierer: „Brähmer ist ein exzellenter Boxer.“
Obwohl er schon früh an seine Grenzen geführt wurde, blieb der hart schlagende Oliveira gefährlich. Brähmers Ecke und sein Management schwitzten in der letzten Runde noch einmal Blut und Wasser. Der Amerikaner setzte alles auf eine Karte, und der jetzt auch müde Brähmer stellte sich trotz großen Punktvorsprungs unklugerweise einer wilden Keilerei, die ins Auge hätte gehen können.
Zweiter Hauptdarsteller im Jahnsportpark neben Brähmer war der legendäre Promoter Don King, der Glanz nach Neubrandenburg brachte und die Gastgeber ärgerte. Der 82-jährige Box-Pate mit der Starkstrom-Frisur, mit Schmuck behangen wie ein reichlich geschmückter Christbaum, wollte mit seinem Boxer partout nicht als Erster in den Ring kommen, wie es im Regelmeeting besprochen worden war. Dadurch verzögerte sich der live übertragene Kampf um rund 15 Minuten. „Kindergarten“, nannte Brähmer das Hickhack um den Einmarsch der Gladiatoren.
Vorwürfe ließen den Exzentriker King, seit rund 50 Jahren im Geschäft, kalt. Er sortierte bei der nächtlichen Pressekonferenz seine mitgebrachten Fähnchen aus aller Herren Länder und saugte und kaute genüsslich an einer dicken Havanna-Zigarre – ohne sie je anzuzünden.
Der TV-Quote hat es keinen Abbruch getan. Im Gegenteil. Den Brähmer-Kampf sahen 2,97 Millionen Zuschauer mit einem Marktanteil, der so hoch war wie im ZDF „Wetten dass...?“: 23,1 Prozent. Auch den Kampf des Hamburgers Jack Culcay sahen 2,71 Millionen Gucker. Der 28-Jährige schlug im Halbmittelgewicht Dieudonne Belinga (Frankreich) nach Punkten und verteidigte den WBA Intercontinental Titel.