Es ist der größte Erfolg der 23-jährigen Berlinerin in ihrer noch jungen Karriere. Im Halbfinale behielt Sabine Lisicki gegen die Polin Agnieszka Radwanska die Oberhand und trifft nun im Finale auf Marion Bartoli.
London. Sabine Lisicki kniete auf dem Heiligen Rasen nieder, warf ihre Kusshand ins tobende Publikum und verneigte sich im Stile einer Wimbledon-Siegerin. Als wenige Momente später die Tinte für den Eintrag in die Tennis-Geschichtsbücher getrocknet war, vergrub die 23 Jahre alte Berlinerin ihr tränenüberströmtes Gesicht im Handtuch und schüttelte ungläubig den Kopf.
Vor dem Match noch hatte Steffi Graf per SMS Glückwünsche übermittelt – und nach diesem 138 Minuten währenden Herzschlag-Halbfinale wird nun der Name von Sabine Lisicki in einem Atemzug mit dem der letzten deutschen Wimbledon-Siegerin genannt. „Sie hat mir viel Glück gewünscht“, berichtete Lisicki nach ihrem 6:4, 2:6, 9:7-Erfolg gegen die Weltranglisten-Vierte Agnieszka Radwanska aus Polen. In der puren Ziffernfolge aber lässt sich all die Dramatik und Spannung, all der Nervenkitzel und all die Szenen, die sich an diesem historischen Donnerstagnachmittag im Südwesten Londons abgespielt hatten, noch nicht einmal in Ansätzen erfassen.
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„Es ist unglaublich. Ich bin so happy. Die letzten Spiele waren unglaublich aufregend. Ich habe mit meinem ganzen Herzen gekämpft“, sagte Lisicki. „Ich habe immer daran geglaubt, egal wie es stand.“ Im dritten Durchgang lag sie 0:3 hinten, später stand sie nur zwei Punkte vor dem K.o. Doch schon bei ihrem sensationellen Achtelfinal-Sieg gegen Serena Williams hatte sie sich aus einer ähnlich aussichtslosen Misere noch befreit.
„Ich habe dran gedacht: Hey, gegen Serena hast du es schon mal geschafft“, berichtete Lisicki später. Da war ihr der Stellenwert des Triumphes längst bewusst. Als erste Deutsche seit Steffi Graf vor 14 Jahren steht sie im Endspiel des berühmtesten Tennisturniers der Welt. Im Kampf um die erste deutsche Wimbledon-Krone im Vereinigten Königreich seit Steffi Grafs Finalsieg gegen die Spanierin Arantxa Sánchez-Vicario im Jahr 1996 trifft die Nummer 24 der Welt am Samstag auf die Französin Marion Bartoli. Die Finalistin von 2007 gewann 6:1, 6:2 gegen Kirsten Flipkens aus Belgien.
„Bring den Titel nach Deutschland“
„Du bist unglaublich, unfassbares Match, einfach nur stolz dabei zu sein“, twitterte Bundestrainerin Barbara Rittner unmittelbar nach dem Matchball. Ihre Fed-Cup-Kollegin Andrea Petkovic schrieb: „Wow, Bine! Wir sind alle megastolz! Bring den Titel nach Deutschland!“. Und auch Trainer-Legende Nick Bollettieri („Wow wow wow. Sabine on to her first grand slam final“) und Tommy Haas reihten sich unter die ersten Gratulanten. „Und ab geht es in ihr erstes Grand Slam finale, wow, gratuliere dir“, twitterte der 35-Jährige.
Obwohl Agnieszka Radwanska an beiden Oberschenkeln dick bandagiert spielte, präsentierte sie sich genauso, wie es alle erwartet und aus deutscher Sicht befürchtet hatten: zäh, nervenstark und aggressiv. Noch gut drei Stunden vor dem Match hatten die beiden nebeneinander im angrenzenden Aorangi Park trainiert.
Während Radwanska nach 30 Minuten lockerem Einspielen schon wieder verschwand, powerte Lisicki schon beim Einschlagen, als würde sie bereits um die Grand-Slam-Krone kämpfen. Nach 33 Minuten entschied die 23-Jährige den ersten Satz für sich. Im zweiten Durchgang ging es zunächst mit mehreren Breaks munter hin und her. Mit zwei Doppelfehlern nacheinander erlaubte Lisicki ihrer Gegnerin die ersten Satzbälle – nach 36 Minuten war Durchgang zwei verloren.
Lisicki mit fantastischem Comeback
Die Wettquoten auf die Deutsche dürften zu diesem Zeitpunkt gefallen sein. Akt drei auf der bedeutendsten Tennisbühne des Planeten begann wenig verheißungsvoll. Radwanska ging 3:0 in Führung. Aber schon bei ihrem sensationellen Achtelfinal-Sieg gegen Serena Williams hatte Lisicki einen 2:4-Rückstand im entscheidenden Durchgang noch aufgeholt.
Auch diesmal glich sie zum 3:3 und später zum 4:4 aus. In der Box wurden die Nerven von Trainer Wim Fissette, Vater Richard, Mutter Elisabeth und Teamchefin Rittner auf eine harte Probe gestellt. Mit dem Break zum 5:4 schien die Vorentscheidung gefallen zu sein. Doch Radwanska konterte, glich aus und ging sogar mit 6:5 in Führung. Anschließend war es ein Spiel auf Augenhöhe.
Dann das entscheidende Break von Lisicki zum 8:7. Wenige Minuten später hatte sie drei Matchbälle. Den ersten wehrte die Polin ab, den zweiten nicht. Nach 138 Spielminuten fiel Lisicki erst auf den Rücken und ging dann in die Knie – das Wunder war wahr geworden.
ARD-Anfrage wegen Finale bei Sky
Das starke öffentliche Interesse für Lisicki hat die ARD zu einem Vorstoß beim Pay-TV-Sender Sky veranlasst. Das Erste möchte einem Bericht der „Bild-Zeitung“ (Donnerstag) zufolge das Wimbledon-Finale mit Lisicki am Sonnabend live übertragen. „Ich kann die Anfrage der ARD bestätigen. Mehr können wir dazu nicht sagen“, erklärte Dirk Grosse, Leiter der Sky-Sportkommunikation, am Donnerstag vor dem Halbfinale der Berlinerin gegen die Polin Agnieszka Radwanska. Die ARD wollte auf Anfrage keine Stellungnahme zu der Thematik abgeben.
Man habe das Angebot „eingehend geprüft und für nicht ausreichend erachtet“, sagte Sky-Sprecher Ralph Fürther am Abend dem Medienmagazin DWDL.de. „Dies bedeutet, dass Sky das Endspiel von Sabine Lisicki am Sonnabend live und exklusiv übertragen wird.“
Der Münchner Bezahlsender Sky mit mehr als 3,4 Millionen Abonnenten besitzt in Deutschland die exklusiven Fernseh-Rechte für das wichtigste Tennis-Turnier der Welt. Im Free-TV sind im Gegensatz zu den drei anderen Grand-Slam-Turnieren Australian-Open, French-Open und US-Open (alle bei Eurosport) keine Live-Bilder aus Wimbledon zu sehen. „Wir sind sehr happy, dass wir das Wimbledon-Turnier haben“, sagte Grosse. Der bestehende Dreijahresvertrag endet am Sonntag mit dem Herren-Finale. Die Ausschreibung für einen neuen Dreijahresvertrag läuft.
Die Einschaltquoten für die Sky-Übertragungen fallen im Vergleich zu frei empfangbaren Sendern allerdings deutlich geringer aus. So haben nach eigenen Angaben 60.000 Tennis-Fans den Erfolg von Lisicki im Viertelfinale gegen die Estin Kaia Kanepi verfolgt. Etwas mehr (77.000) waren es eine Runde zuvor beim Sensationssieg gegen die Weltranglisten-Erste Serena Williams gewesen. 140.000 Zuschauer schauten am Montagabend beim Aus von Tommy Haas gegen Novak Djokovic zu.