Der Deutsche Tennis Bund will in Hamburg vom Jahr 2015 an im Juni auf Gras spielen lassen. Zum Missfallen des Turnierdirektors.
Hamburg. Der Rothenbaum soll grün werden. Der Deutsche Tennis Bund (DTB) hat sich bei der Herren-Spielerorganisation ATP um die Ausrichtung eines Rasenturniers in Hamburg beworben. Hier wird seit 1892 traditionell auf Asche gespielt. Der erste Aufschlag könnte im Juni 2015 erfolgen. Hintergrund der Pläne sind Terminverschiebungen im internationalen Kalender. Das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon wird vom Jahr 2015 an in der ersten Julihälfte eine Woche später als bisher ausgetragen. In den dann drei Wochen nach den French Open in Paris, die Anfang Juni enden, wäre folglich mehr Zeit für weitere Auftritte auf Gras.
Nach Wimbledon wiederum wünscht sich die ATP bis zu den US Open in New York, die Ende August beginnen, mehr Hartplatz- und möglichst keine Sandplatzturniere. Die ATP soll nach Abendblatt-Informationen gedroht haben, den Standort Hamburg und den momentanen (Ferien-)Termin Ende Juli spätestens 2019 von der Tennistour zu streichen, falls der Verband auf dem jetzigen Status beharre. Im Sommer 2018 endet der Zehnjahresvertrag zwischen der Spielerorganisation und dem deutschen Verband für ein Sandplatzturnier der zweiten Kategorie (500er) am Rothenbaum.
Der DTB hatte seine Bewerbungsunterlagen Mitte Dezember bei der ATP in den USA vorbehaltlich einer Einigung mit Turnierdirektor Michael Stich eingereicht. Dessen Hamburger Sports and Entertainment GmbH (HSE) übernahm 2009 die Organisation des Rothenbaum-Turniers für zunächst fünf Jahre - und rettete die Veranstaltung. Die Option für weitere fünf Jahre, für den Zeitraum 2014 bis 2018, zog die HSE fristgerecht im Dezember. Ohne Zustimmung Stichs und seines Partners Detlef Hammer kann es deshalb keine Änderungen geben. Erste Verhandlungen zwischen der HSE und DTB-Vizepräsident Stefan Felsing (Hamburg) scheiterten kurz vor Weihnachten.
Der DTB will mit Stich weiter eng zusammenarbeiten, seinen Namen, seine Erfahrungen und Verbindungen nutzen. "Ein Vorbereitungsturnier auf Wimbledon von einem Wimbledonsieger organisiert, wäre doch eine fantastische Story und würde uns bessere TV-Zeiten verschaffen", sagt Medienmann Felsing (Ufa Sports). Stich, der 1991 in London das Finale gegen Boris Becker gewann, und Hammer lehnen einen Umzug vom Juli in den Juni und von Sand auf Rasen bislang ab. Für Mitte Januar ist das nächste Gespräch anberaumt. Die Möglichkeit, die HSE aus den bestehenden Verträgen herauszukaufen, dürfte dagegen teuer werden. Stich soll eine hohe Entschädigungszahlung aufgerufen haben. Der fínanziell klamme DTB wäre nicht in der Lage, Millionen zu überweisen, geforderte zehn Millionen Euro schon gar nicht.
+++ Kommentar: Letzte Chance für den Rothenbaum +++
Stichs Argumente, alles beim Alten zu lassen, basieren auf der zuletzt positiven Entwicklung des Traditionsturniers, das rund 3,2 Millionen Euro kostet. Das Interesse von Zuschauern und Sponsoren sei kontinuierlich gestiegen, für den vergangenen Juli bilanzierte die HSE am Rothenbaum wieder einen Gewinn. Zudem drohe ein Rasenturnier im Juni am Rothenbaum eine weitere Kategorie (250er) heruntergestuft zu werden, damit das anschließende Event in Halle (Westfalen) den heutigen Hamburger Status erhalten könne. Von Halle erhofft sich der DTB weit höhere Lizenzeinnahmen. Die Steigerung des Preisgeldes von 650.000 (250er-Kategorie) auf 1,2 Millionen Euro (500er) wäre für die Gerry-Weber-Open keine Herausforderung. Der Rothenbaum, fürchtet Stich, würde dann aber seine auch geldwerte Bedeutung als wichtigstes deutsches Tennisturnier verlieren.
In Hamburg beklagt der DTB derzeit jährliche Verluste von rund 200.000 Euro, weil der Verband seine alte Anlage am Rothenbaum in akzeptablem Zustand bereitstellen muss, die Lizenzgebühren der HSE jedoch dafür nicht ausreichten. Laut DTB generierte die HSE bisher den größten Teil ihrer Einnahmen aus Geldern des ATP-Sponsorenpools und durch Kompensationszahlungen der Profi-Organisation, weil stets zu wenige Spitzenspieler am Rothenbaum aufschlugen. Die ATP garantiert den Veranstaltern für jede ihrer Turnierkategorien eine bestimmte Zahl an Top-6- und Top-20-Profis. Fehlen sie, zahlt die ATP. Die bizarre Logik: Je schlechter das Turnier besetzt ist, desto mehr Geld erhält die HSE von der ATP. Ein Termin im Juni, glaubt der DTB, sei für die meisten Profis zum Einspielen auf Wimbledon wesentlich attraktiver.
Die logistischen Probleme, temporär Rasen auf bis zu sechs Sandplätzen auf der Anlage an der Hallerstraße zu verlegen, sind nach Einschätzung des Verbandes zu bewältigen. Wimbledon hat personelle und finanzielle Unterstützung für die Umstellung versprochen. Die Engländer sind stark daran interessiert, die Rasensaison zu verlängern, um ihrem eigenen Turnier noch mehr Gewicht zu geben. Beim Grasturnier in Halle wächst der Rasen das Jahr über außerhalb der Anlage und wird drei Wochen vor Turnierbeginn auf dem dortigen Betonboden verlegt. Ähnliches sei in Hamburg denkbar, sagt der DTB. Falls Rothenbaum-Hausherr Club an der Alster gegen diese Pläne stimmen würde, könnte die Veranstaltung ab 2015 auch anderswo, zum Beispiel im Volkspark, aufgezogen werden.