Die Zukunft der Hamburger Tennisveranstaltung ist unklar. Der DTB favorisiert ein Rasenturnier, Michael Stich will um den Standort kämpfen.
Hamburg. Drei Tage ist es her, dass Michael Stich beste Nachrichten für den Rothenbaum verkünden konnte. Dem Turnierdirektor des wichtigsten deutschen Herrentennisevents war es gelungen, für die 107. Auflage der Traditionsveranstaltung, die vom 15. bis 21. Juli 2013 ausgetragen wird, das deutsche Zugpferd Tommy Haas für das Turnier und den schwedischen Altmeister Mats Wilander für das Legendenmatch zu verpflichten. "Unser Anspruch ist es, das Turnier von Jahr zu Jahr weiterzuentwickeln. Deshalb sind wir sehr froh, so früh Planungssicherheit zu haben", sagte Stich.
Diese Planungssicherheit des Wimbledonsiegers von 1991 bezieht sich allerdings nur auf die mittelfristige Zukunft. Obwohl er mit seinem Team langfristig arbeiten möchte, wird darüber, wie es nach 2013 mit dem Rothenbaum weitergeht, hinter den Kulissen in diesen Tagen kontrovers diskutiert. Das Ergebnis dieser Diskussionen ist nicht abzusehen. Im für Hamburg schlechtesten Fall könnte es sogar passieren, dass die Stadt das prestigeträchtige Turnier verliert.
Glaubt man den Aussagen aller Beteiligten, soll dieses Szenario vermieden werden. "Der Rothenbaum ist uns sehr wichtig", hatte Karl-Georg Altenburg, Präsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), Ende November in einem Abendblatt-Interview gesagt. Die Faktenlage ist klar: Stich und sein Partner Detlef Hammer richten mit ihrer Agentur HSE seit 2009 ein Turnier der 500er-Serie, der zweiten ATP-Kategorie hinter der Mastersserie, aus. Bis 2013 ist die Zusammenarbeit zwischen Ausrichter HSE und dem DTB als Lizenzinhaber vertraglich fixiert. HSE hat eine bis Januar 2013 zu ziehende Option, den Vertrag um fünf Jahre zu verlängern. Passiert dies, dann müsste der DTB die Austragung des Turniers zum Status quo, am Rothenbaum im Juli auf Sandplatz, bis 2018 garantieren.
Fakt ist aber auch, dass nicht alle Seiten mit eben diesem Zustand glücklich sind. Hätte Stich einen Weihnachtswunsch frei, würde er zum bis 2008 gültigen Status eines Mastersturniers im Mai, den die Herrentennisorganisation ATP Hamburg aberkannt hatte, zurückkehren. Da dies unrealistisch ist, hat sich die HSE mit dem Termin im Juli abgefunden. "Wir sind angetreten, um das Turnier langfristig zu alter Stärke zurückzuführen. Deshalb werden wir die Option wohl ziehen", sagt HSE-Geschäftsführer Hammer.
Der DTB wiederum hat ein großes Interesse daran, in Hamburg ein Rasenturnier auszutragen. Denn die Veranstalter des wichtigsten Grasturniers in Wimbledon wollen ihren angestammten Termin - Ende Juni - von 2015 an eine Woche nach hinten schieben. Damit entsteht zwischen den French Open im Mai und dem Grand-Slam-Turnier in London eine Woche Vakanz, die die ATP mit Rasenturnieren füllen möchte. Da zwischen Wimbledon und US Open eine Woche wegfällt, waren bereits im vergangenen Sommer Turnierveranstalter aus diesem Bereich, darunter eben auch Hamburg, nach ihrer Umzugsbereitschaft gefragt worden.
Allerdings sahen damals alle Beteiligten einen möglichen Wechsel des Belags skeptisch. "Für uns wären die Investitions- und Instandhaltungskosten nicht zu stemmen", sagte Christian Bock, Vorstandsmitglied des Clubs an der Alster, der bis 2049 ein Erbbaurecht auf der Anlage an der Hallerstraße besitzt und den maroden Centre-Court gern durch ein modernes, kombiniertes Tennis- und Hockeystadion ersetzen würde. Auch Stich konnte kaum Vorteile ausmachen, die für einen anderen Untergrund sprechen. Da in der Woche nach den French Open die Topspieler meist pausieren, wäre das Teilnehmerfeld nicht besser als derzeit, außerdem würde das Turnier auf den 250er-Status herabgestuft, da die ATP in der Woche nach den French Open kein weiteres 500er-Turnier einbauen will.
Dennoch glaubt die DTB-Spitze, ein Turnier außerhalb der Sommerferien besser vermarkten zu können. "Wir prüfen derzeit alle Optionen, dazu gehört auch, in Hamburg ein Rasenturnier durchzuführen. Aber nur, wenn das nachhaltig sinnvoll ist", sagt Stefan Felsing aus dem Vorstand des DTB. Um die Möglichkeiten eines Belagwechsels zu diskutieren, gab es am Dienstagvormittag in Hamburg ein Treffen zwischen Stich, Hammer und der DTB-Spitze, das seit Monaten anberaumt war. Die Zeit drängt, immerhin läuft die Frist der ATP für die Bewerbung um eins der drei Rasenturniere nach Paris an diesem Freitag ab. "Wir überlegen bis dahin, ob wir den Hut in den Ring werfen. Uns ist es aber wichtig, im Konsens mit unserem Vertragspartner HSE zu einer Lösung zu kommen", sagt Felsing.
Diese Lösung müsste allerdings nicht zwingend bedeuten, dass es weiterhin in Hamburg großes Tennis zu sehen gibt. Mit Stuttgart, das derzeit in der Woche vor Hamburg ein Sandplatzturnier der 250er-Serie austrägt, steht ein deutscher Interessent für einen Umzug auf Rasen fest. Zudem wäre Halle (Westfalen), das im Juni ein renommiertes 250er-Rasenturnier spielt und mit Gerry Weber einen potenten Sponsor hat, ein Kandidat dafür, die 500er-Lizenz aus Hamburg zu übernehmen.
Sollte sich kein Konsens über einen gemeinsamen Hamburger Weg finden lassen, müsste der DTB der HSE ein Angebot über eine Vertragsauflösung vorlegen. "Wir werden keiner Lösung im Weg stehen, die dem deutschen Tennis weiterhilft. Aber derzeit sehen wir diese Vision nicht", sagt Stich. Der DTB-Spitze ist der Vertrag, den die HSE mit dem Vorgänger-Präsidium unter Georg von Waldenfels schloss, schon länger ein Dorn im Auge, da sie die Lizenzgebühren als viel zu niedrig erachtet. Das Verhältnis zwischen dem Hamburger Veranstalter und dem Dachverband darf ohne Übertreibung als unterkühlt betrachtet werden.
Klar ist: Stich, Hammer und ihr Team sind bereit, für die Zukunft des Turniers am Rothenbaum zu arbeiten. "Wir haben Riesenspaß und wollen unsere Vision für das Turnier weiterverfolgen, auch weil uns der Standort Hamburg am Herzen liegt", sagt Stich. Diese Vision schließt die Überlegung ein, in einigen Jahren ein Damenturnier nach Hamburg zu holen. Nach drei Jahren der Konsolidierung habe man in diesem Jahr erstmals "gute Gewinne erwirtschaftet". Nun wolle man diesen Weg in den kommenden sechs Jahren fortsetzen. Es bleibt abzuwarten, ob es dazu kommt.