Wimbledon ist bekannt für perfekten englischen Tennis-Rasen. Doch nun sind nur knapp drei Wochen Zeit, um die Plätze wieder herzurichten.
London. Was Roger Federer, Serena Williams und Kollegen an der Grundlinie des Centre Courts von Wimbledon hinterlassen haben, hat mit Rasen nicht mehr viel zu tun. Es ist eher eine Steppe. Jahrzehntelang hatten Wimbledons Chef-Rasenwart Eddie Seaward und sein Team jeweils fast zwölf Monate Zeit, um den Flurschaden auf dem für Tennisspieler Heiligen Rasen wieder in Ordnung zu bringen.
Doch in seiner letzten großen Anstrengung vor dem Ruhestand wird von dem 68-Jährigen beinahe Unmenschliches verlangt: In drei Wochen soll er mit 27 Gärtnern 12 Wimbledon-Plätze so herrichten, dass die besten Tennisspieler der Welt bei Olympia 2012 in London optimale Bedingungen vorfinden.
Seaward, den sie in Wimbledon nur den „Grasflüsterer“ nennen, steht vor der größten Herausforderung seiner Karriere. Doch der oberste Rasenwart von Wimbledon sieht den Dingen in typisch englischer Gelassenheit entgegen. „Der Großteil des Rasens ist ja noch da“, wiegelt er ab. Selbst an den kahlen Stellen seien die Punkte über der Wurzel, von denen aus das Gras wächst, noch vorhanden. „Wenn wir genug wässern, kommt es schnell genug wieder.“
Ein wenig müde wirkt er dennoch, wie er in seinem blauen Pullover und der grauen Hose in einer der vorderen Reihen auf dem Centre Court des berühmtesten Tennistempels der Welt sitzt. Gelegenheit zum Üben, so sinniert der siebte „Groundsman“ in der Geschichte des Clubs, hatten er und sein Team genug. „Es wurde schon mal ein Film hier gedreht, da hatten wir auch nur drei Wochen bis zum Turnierbeginn.“
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Eines seiner Geheimnisse ist das Weidelgras, eine besonders robuste Sorte aus der Familie der Süßgräser. Vor zehn Jahren war es Seaward, der den speziellen Samen erstmals ausprobierte und mutig auf einen Tennisplatz säte. Und siehe da: Es gelang. Das Weidelgras ist nicht nur widerstandsfähig, es wächst auch besonders schnell. Gemäht wird täglich, sommers wie winters. Nie mehr als zwei Millimeter, die Halme haben eine Turnierlänge von acht Millimetern.
Vom 28. Juli an macht der Tennis-Zirkus erneut an der berühmten Church Road im Südwesten Londons Station. Es sind Seawards erste Olympische Spiele und sein letztes Turnier in Wimbledon.
Denn der Meister, dessen Rasen schon Steffi Graf und Boris Becker plattgetreten hatten und der in Wimbledon mehr als zwei Jahrzehnte lang über Grassorten, die Härte des Bodens und damit auch über Erfolge und Niederlagen mitentscheiden hat, wird sich am 31. August für immer verabschieden. Er geht in den Ruhestand.
Sein Nachfolger Neil Stubley ist schon an seiner Seite. Und auch er weiß in puncto Rasenpflege: „Das ist ein ewiger Kampf für uns“, sagte der Experte wenige Tage nach Ende des diesjährigen Wimbledon-Turniers.
Eigentlich hätte sich Seaward bereits vor drei Jahren auf das Altenteil zurückziehen sollen. Dass er erst mit 68 in Rente geht, hat natürlich vor allem einen Grund: Auf Seawards grünen Daumen wollte der Club in der Zeit zwischen den beiden Mega-Events nicht verzichten. „Es war meine Entscheidung, solange zu bleiben, aber der Club hat mich zuvor darum gebeten“, sagt der Mann, der sogar ein Diplom für Pflege und Anbau von Rasen vorweisen kann.
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Seine Strategie für die kritischen 20 Tage hatte er lange vorher ausgeklügelt. Der Countdown für Olympia begann für Seaward schon, als das Turnier noch lief. Am vergangenen Freitag kam das Saatgut zunächst in Kübel, damit es drei Tage lang keimen konnte, am Montag säte Seawards Team das Saatgut auf den Plätzen aus.
Ab jetzt heißt es für die Wimbledon-Crew: Wässern, was das Zeug hält. Und der Dünger tut sein Übriges. Nach einer Woche, so Seawards Erfahrung, lugen dann die ersten Grashalmspitzen aus der Erde hervor. Das Regenwetter über London, dass laut Meteorologen die nassesten Olympischen Spiele der letzten Jahrzehnte verspricht, könnte ihm in die Hände spielen.