Showdown in München. Am Sonnabend kreuzen Bayern und Dortmund die Klingen. Beide hielten sich mit verbalen Angriffen ungewohnt zurück.

München. Wenn ein solches Spiel ansteht, versteht es sich von selbst, dass Uli Hoeneß etwas sagen wollte. Er musste sogar. "Wir sind die bessere Mannschaft", behauptete der Leiter der vereinseigenen Abteilung Attacke, „eins gegen eins haben die Dortmunder keine Chance.“ Ein Unentschieden oder gar eine Niederlage seien „völlig ausgeschlossen“, ergänzte der Präsident des deutschen Rekordmeisters.

Neun Monate sind diese Aussagen her. Woher Hoeneß damals diesen überheblichen Optimismus nahm, wird die verworrene Psyche des Münchener Machers niemals Preis geben. Schließlich waren es doch dreizehn Punkte, die der FC Bayern den Überfliegern aus Dortmund damals hinterherhinkte. Nach der Partie war es gar noch schlimmer - es waren deren 16. Hinterher, das war nach dem denkwürdigen 3:1 der Dortmunder in München am 26. Februar dieses Jahres, es war ein Resultat, das in seiner Nüchternheit nicht mal ansatzweise wiedergab, dass der FC Bayern schwer gedemütigt wurde.

Ein Dreivierteljahr später schicken sich beide Mannschaften erneut an, das wohl beste auf den Rasen der Münchener Allianz Arena zu bringen, was der deutsche Bundesligafußball derzeit zu bieten hat. Kleine Frotzeleien und ein öffentlicher Gedankenaustausch über die angebliche Zukunft Mario Götzes in rot und weiß außen vorgelassen, herrscht vor dem Spitzenspiel am Sonnabend (18.30 Uhr/Live auf Sky, Liga total! und im abendblatt.de-Ticker) eine fast gespenstische Ruhe. Parolen aus der Kategorie Phrasenschwein sind nicht vernehmbar, vielmehr tragen der FC Bayern und der BVB so eine Art Meisterschaft im Süßholzraspeln aus.

„Die Niederlage hat mir unheimlich gestunken, weil ich vorher ziemlich das Maul aufgerissen hatte“, sagte Hoeneß vor der großen Revanche im Radiosender „Antenne Bayern“. Er hatte voll auf Sieg gesetzt – „und dann sind wir ziemlich sang- und klanglos untergegangen. Da gehe ich mal davon aus, dass das dieses Jahr so nicht passieren wird.“

Hoffnung machte Hoeneß am Freitag sein Kumpel Jupp Heynckes. „Dortmund hat in der letzten Saison super gespielt und dominiert, aber in dieser Saison ist der FC Bayern eine andere Mannschaft“, sagte der Bayern-Trainer. Er erwartet einen „richtigen Knaller“.

Neun Monate nach dem vom BVB ausgelösten Fußball-Erdbeben in München sind die früheren Kräfteverhältnisse wieder hergestellt. Die 90 Minuten entscheiden allein darüber, ob der Titelkampf neu befeuert wird oder nur noch auf Sparflamme lodert. „Wir wollen unsere Chance nutzen und auf acht Punkte davonziehen“, kündigte Bayern-Kapitän Philipp Lahm an. „Bislang sind die Bayern sehr dominant. Aber sie haben auch noch nicht gegen uns gespielt“, konterte Meistercoach Jürgen Klopp. „Die Borussia wird sich auch viele Gedanken machen, wie sie uns stoppen kann“, stichelte Heynckes ein klein wenig.

Beim verbalen Ballyhoo verhielten sich beide Seiten eher defensiv, zu groß ist der gegenseitige Respekt und auch die Fallhöhe bei allzu vorlauten Sprüchen. „Wir werden einen Teufel tun und nun irgendwelche Parolen raushauen, um die Stimmung anzuheizen“, betonte Klopp. Er weiß, wie schwer es für Mario Götze & Co. wird, den letzten 3:1-Coup zu wiederholen: „Es gibt keine Mannschaft auf der Welt, die nach München fährt und sich denkt, diese drei Punkte haben wir im Sack.“

Zumal die Allianz Arena wieder eine Bayern-Festung ist. Seit dem 0:1-Fehlstart gegen Gladbach legte der deutsche Rekordchampion fünf Gala-Heimsiege mit 23:0 Toren hin. Das verschafft eine breite Brust: „Wir fürchten uns nicht. Ich bin überzeugt, dass wir gewinnen, wenn wir an unser Maximum gehen“, erklärte Torjäger Mario Gomez.

Aber auch der BVB hatte vor der Länderspielpause mit 16 Punkten und 19:3 Toren aus den letzten sechs Spielen zum Lauf und zur Klasse des Meisterjahres zurückgefunden. „Wenn wir merken, dass was drin ist, werden wir voll auf Sieg spielen“, kündigte Nationalspieler Mats Hummels an. Für Dortmund fällt in München der Startschuss in eine Woche der Wahrheit mit den anschließenden Knaller-Spielen in der Champions League beim FC Arsenal und dem Derby gegen Schalke 04.

„Wenn ein frühes Tor fällt, könnte es ein sehr attraktives Spiel werden“, prophezeite Bayern-Kapitän Lahm. Vor neun Monaten war das so - der BVB führte nach Toren von Lucas Barrios und Nuri Sahin nach nur 18 Minuten mit 2:1. Doch so naiv wie damals agieren die Bayern unter Trainer Jupp Heynckes defensiv nicht mehr – und vorne funktionierte die Torproduktion mit 32 Treffern bislang prächtig. „Wir waren letzte Saison einfach nicht gut genug“, erklärte Gomez: „Jetzt haben wir eine gewisse Spielkultur, die wir immer durchziehen, egal gegen wen.“

Und auch mit wem: Die Bayern müssen das Handicap verkraften, dass im defensiven Mittelfeld neben Chef Schweinsteiger auch der erfahrene Anatoli Timoschtschuk ausfällt, dessen Sperre von drei Spielen am Freitag vom DFB-Sportgericht bestätigt wurde. Der junge David Alaba soll die Lücke wie schon beim mageren 2:1 in Augsburg schließen.

Dortmund muss in der Innenverteidigung den Ausfall das Fehlen des verletzten Neven Subotic verkraften, hat aber in Felipe Santana einen prächtigen Ersatz. „Er erfüllt die körperlichen Voraussetzungen, um gegen Mario Gomez spielen zu können“, meinte Klopp zuversichtlich.

Einen wertvollen Joker hält sein Kontrahent Heynckes in der Hinterhand: Arjen Robben wird sechs Wochen nach seiner Leisten-OP wieder auf der Bank sitzen. „Ich bin froh, dass seine Leidenszeit zu Ende ist. Natürlich zwickt und zwackt es hier und da nochmal, aber Arjen hat gut gearbeitet, ist motiviert“, berichtete Heynckes.

FC Bayern gegen BVB: Nur der Bundestrainer hat Besseres vor

Nur der Bundestrainer hat offensichtlich Besseres zu tun. Joachim Löw wird in der Tat nicht im Stadion sein, wenn der FC Bayern München gegen Borussia Dortmund spielt. Der Tabellenerste der Fußball-Bundesliga gegen den Tabellenzweiten, der Rekordmeister gegen den amtierenden Meister - da muss der Assistent ran. „Hansi Flick ist für die Spitzenspiele zuständig“, betonte Löw am Freitag. Mit einem Augenzwinkern. Wo er selbst ist, was er am Samstag macht, das wollte der Bundestrainer nicht verraten.

Das weltweite Interesse an der Bundesliga scheint ausgeprägter zu sein als jenes von Löw. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) jedenfalls meldet einen Rekord, 200 Länder hätten ihr Interesse an Bewegtbildern vom deutschen Fußball-Gipfel angemeldet - in der Tat bemerkenswert angesichts von nur 194 bei den Vereinten Nationen registrierten Staaten. „Aus Sicht der Liga ist das eine Konstellation, wie sie sich besser nicht ergeben kann“, betont Reinhard Rauball, Präsident der DFL - und von Borussia Dortmund, vor dem Liga-Highlight.

Im Stolz gekränkt: Für Hitzfeld ist Bayern gegen Dortmund Favorit

Ottmar Hitzfeld ist gespannt, wie Bayern München den Ausfall von Bastian Schweinsteiger im Spitzenspiel gegen Dortmund verkraften wird. „Wie stark Bayern wirklich ist, zeigt sich erst, wenn Probleme entstehen“, sagte der 62 Jahre alte Schweizer Nationaltrainer am Freitag in München. Schweinsteiger sei das „Gehirn der Mannschaft“ und nicht ohne weiteres zu ersetzen. „Aber große Teams müssen solche Ausfälle wegstecken.“

Trotz des Fehlens von Schweinsteiger (Schlüsselbeinbruch) ist der FC Bayern für Hitzfeld Favorit. „Die Münchner sind in ihrem Stolz verletzt. Sie haben in der vergangenen Saison zu Hause gegen Dortmund verloren und wollen diese Schmach vergessen machen“, sagte Hitzfeld.

Der Lörracher, der als Trainer von Dortmund und Bayern sieben Meisterschaften und zwei Champions-League-Siege feierte, traut Dortmund dennoch einiges zu. „Wenn der BVB früh mit 1:0 in Führung geht und sein Spiel spielen kann, dann wird es auch für Bayern schwer.“

Vertrag mit Sportdirektor Nerlinger verlängert

Christian Nerlinger bleibt Sportdirektor des FC Bayern München. Die vorzeitige Verlängerung des am Saisonende auslaufenden Vertrages soll auf der Jahreshauptversammlung des deutschen Fußball-Rekordmeisters am Freitagabend offiziell bekanntgegeben werden. Trainer Jupp Heynckes machte die Einigung auf die weitere Zusammenarbeit mit dem 38 Jahre alten Ex-Nationalspieler aber bereits vorab publik.

„Es ist eine kluge Entscheidung, den Vertrag zu verlängern“, sagte Heynckes am Freitag bei der Pressekonferenz zum Bundesliga-Topspiel zwischen Bayern München und dem deutschen Meister Borussia Dortmund. Die Laufzeit des neuen Vertrages soll drei oder vier Jahre betragen.

Der in Dortmund geborene Nerlinger spielte bereits in der Jugend und seinen ersten Profijahren für den FC Bayern. Nach seinem Karriereende wegen anhaltender gesundheitlicher Probleme Ende 2005 studierte er internationale Betriebswirtschaftslehre an der Munich Business School. Am 1. Juli 2008 besetzte er an der Seite des damaligen Bayern-Trainers Jürgen Klinsmann den neu geschaffenen Posten des Teammanagers. Ein Jahr später wurde er als Nachfolger von Manager Uli Hoeneß zum Sportdirektor ernannt.

„Christian und ich harmonieren sehr gut miteinander“, äußerte Heynckes über das Verhältnis zu Nerlinger. Dieser habe es in seiner Anfangszeit als Nachfolger des heutigen Präsidenten Hoeneß und auch mit dem als schwierig bekannten Trainer Louis van Gaal „nicht leicht gehabt“, erklärte Heynckes. Nerlinger sei „loyal und intelligent“. (lge/sid/dpa/dapd/abendblatt.de)