Der beste deutsche Tennisprofi schlägt heute am Rothenbaum gegen Marsel Ilhan auf. Er ist kein Showman, will sich aber auch nicht verbiegen.
Hamburg. Es war Anfang März, die deutschen Tennisherren hatten ihre Erstrundenpartie im Daviscup in Zagreb gegen Kroatien auf dramatische Weise 3:2 gewonnen, als Florian Mayer auf der Siegesfeier im Teamhotel plötzlich das Wort ergriff. Er sei stolz, zu einem solchen Team zu gehören, tat der Bayreuther den verdutzten Mitspielern kund. Zum Sieg hatte Mayer zwar keinen Punkt beigetragen, er hatte das Auftakteinzel trotz 2:1-Satzführung verloren. Und doch war er bester Laune.
Daviscup-Teamchef Patrik Kühnen erzählt diese Geschichte gern, weil sie zwei Dinge sagt über den derzeit besten deutschen Profi. Erstens, dass er seinen Beruf mittlerweile aus vollem Herzen liebt, was nicht immer so war. Und zweitens, "dass der Flo eigentlich ein lockerer und sehr umgänglicher Typ ist". Das Problem ist, dass der 27-Jährige als solcher in der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird. Vor wenigen Wochen stand er an Position 18 der Weltrangliste (aktuell Rang 20); er spielt die beste Saison seiner Karriere, und doch wird über Mayer meist nur berichtet, wenn er bei großen Turnieren oder im Daviscup schlecht spielt. Dann heißt es wieder, er sei zu blass, zu brav, zu bieder, kurzum: der falsche Typ, um ein Held zu sein in einer Nation, die immer noch der Ära der Beckers und Stichs nachtrauert. "Ich kann den Flo schon verstehen, dass ihn das nervt", sagt Kühnen, "diese Vergleiche sind ungerecht, denn so eine Zeit kommt niemals wieder."
Als am vorvergangenen Wochenende nach der 1:4-Niederlage gegen Frankreich im Daviscup-Viertelfinale dann auch noch der in den Ruhestand entlassene Nicolas Kiefer bemängelte, dass "dem deutschen Tennis die Typen fehlen", konnte man einen Florian Mayer erleben, der nur mit Mühe die Contenance bewahrte. "So etwas tut weh", sagte er, "aber ich habe mich mittlerweile an diese Kritik gewöhnt." Was soll er auch tun? Mayer strahlt auf dem Platz die Emotion einer Bronzestatue aus, eine geballte Faust ist bei ihm schon ein Gefühlsausbruch. Seine Aussagen in öffentlichen Interviews schwanken zwischen unglücklich und langweilig. "Ich weiß, dass die Leute lieber einen sehen, der Show macht. Aber ich werde mich nicht verbiegen. Ich bin ein bescheidener, ruhiger junger Mann, und ich brauche es einfach nicht, mich auf dem Platz hochzupushen", sagt er.
Tatsächlich muss man Verständnis aufbringen für das Dilemma, in dem Mayer sich befindet. Seine sportliche Leistung, sich unter die besten 20 Spieler der Welt zurückgekämpft zu haben, ist viel zu selten anerkannt worden, dabei muss man den Hut davor ziehen. Anfang 2009 stand er, zermürbt und ermüdet von den Strapazen des Profisports, nur noch an Position 450 der Welt. "Ich brauchte damals eine Pause, um mich zu erholen und zu spüren, was mir Tennis bedeutet", sagt er. Heute weiß er es, er hat Gefallen daran gefunden, auf den großen Bühnen zu bestehen. "Früher war ich lieber auf kleinen Turnieren, Aufmerksamkeit war mir unangenehm. Dieses Jahr spiele ich zum ersten Mal kontinuierlich große Turniere, da ist es klar, dass Konstanz fehlt. Ich bin aber stolz auf das Erreichte, das hätte mir niemand zugetraut", sagt er.
Dass seine Schaffenspause in einigen Medien als "Burn-out" dargestellt wurde, ist auch wieder so eine Sache, die Mayer missfällt. Er fühlte sich missverstanden, wie so oft. "Ich war einfach mental müde, aber nicht in Behandlung, und ich habe auch nie an ein Karriere-Ende gedacht", sagt er. "Je länger ich den Schläger nicht in der Hand hatte, umso größer wurde die Sehnsucht. Ich hatte den Spaß verloren, doch der ist jetzt zurück!"
Und er ist so groß, dass er sich auf Hamburg, wo er heute in Runde zwei auf den Türken Marsel Ilhan trifft, der gestern Philipp Petzschner 6:2, 4:6, 7:6 (7:5) besiegte, freut wie nie zuvor. Erst im vergangenen Jahr, als er das Halbfinale erreichte, hat Mayer seinen Frieden mit dem Rothenbaum gemacht. 2005 war er hier in die Schlagzeilen geraten, weil er sich nach seinem Erstrundenaus über die zu lauten Kinder auf den Tribünen beklagte. Auch damals sei er falsch verstanden worden. "Ich habe nie gesagt, dass die Kinder Schuld hatten", sagt er. Dass ihn die Fans im Vorjahr mit Standing Ovations feierten, hat ihm gutgetan.
In diesem Jahr hofft er sehr auf eine Wiederholung, mehr noch, er will den Titel, den ihm Kühnen auch, mehr als allen anderen Deutschen, zutraut. "Hamburg war 2010 ein Knackpunkt, da habe ich gemerkt, dass ich die Fähigkeit habe, jeden Spieler der Welt zu schlagen", sagt er. Um die Anerkennung zu bekommen, die ihm fehlt, müsste Florian Mayer wohl genau das tun. Dass ihm nach neun Titeln bei Challenger-Turnieren zu seinem ersten Sieg auf der ATP-Tour nicht mehr viel fehlt, bewies sein Finaleinzug in München.