Werder Bremen trifft am Abend auf Tottenham Hotspur. Bei den Londonern fehlt Rafael van der Vaart, bei den Bremern die halbe Startelf.

London. Die Personaldecke beim SV Werder Bremen ist vor dem Champions-League-Spiel gegen Tottenham Hotspur dünn. Thomas Schaaf muss deshalb gegen den Verein von Rafael van der Vaart auf unbekannte Spieler zurückgreifen: Ein Nobody und ein Amateur mit bekanntem Namen stehen bei Werder Bremen vor ihrem internationalen Debüt. Dominik Schmidt und Toni Kroos' Bruder Felix sollen bei Tottenham Hotspur auflaufen – wo Werder unbedingt einen Sieg braucht. Mitten in der schlimmsten Krise muss eine Notelf eine weitere Blamage verhindern: Mit sechs Amateuren und einem Juniorenspieler ist Werder Bremen zum Champions-League-Spiel nach London geflogen. Schadensbegrenzung statt Werder-Wunder – so lautet am Mittwoch (20.45 Uhr/Sky) die Devise für die Partie bei Tottenham Hotspur. „Die Voraussetzungen waren schon mal besser“, kommentierte Werder-Clubchef Klaus Allofs vor dem Abflug: „Aber es gibt keinen Grund, das Spiel abzuschenken.“ Als wäre die Situation bei Werder nicht schon schlimm genug, fallen beim Spiel gegen den Tabellenführer der Gruppe A zehn Profis aus, darunter auch Kapitän Torsten Frings. „Gerade, wenn man das Personal sieht, ist das eine schwierige Aufgabe“, sagte Trainer Thomas Schaaf und fügte an: „Der Reiz ist, dass in dieser Situation die meisten nicht allzu viel erwarten.“

Tatsächlich ist die Hoffnung der Fans mehr als gering. Um noch ins Achtelfinale zu kommen, müsste Werder gegen Tottenham und Mailand gewinnen – und gleichzeitig auf Hilfe offen. Selbst für das Minimalziel Europa League benötigen die Bremer im günstigsten Fall vier Punkte, also mindestens ein Unentschieden im Stadion an der White Hart Lane. Selbst ein Remis wäre derzeit, in der vielleicht schlimmsten Krise der Ära Schaaf und Allofs, als Erfolg zu werten.

Auch Schaaf macht sich nicht wirklich große Hoffnung. „Man muss ehrlich sein, es müsste etwas Außergewöhnliches passieren“, sagte er am Abend in London über die Chancen weiterzukommen: „In der Situation, in der wir sind, kann man nicht davon ausgehen. Wir müssen sehen, was für uns übrig bleibt.“

Es klingt nicht unbedingt ermutigend, wenn Aaron Hunt sagt: „Es bringt nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Schlechter kann man ja sowieso nicht mehr spielen.“ Veränderungen im Bremer Spiel sind notwendig, personell gibt es sie zwangsweise. Zwei Spieler sollen ihr internationales Debüt feiern, die noch nicht einmal die Erfahrung einer Bundesliga-Minute mitbringen. Bei Felix Kroos ist zumindest der Nachname berühmt, er ist der Bruder von Nationalspieler Toni Kroos. Nur Experten dürfte hingegen Dominik Schmidt bekannt sein. Er spielt für Werder II, Schlusslicht der 3. Liga, als Innenverteidiger und dürfte in London links auflaufen, wenn Petri Pasanen seine Grippe nicht unerwartet schnell auskuriert. Der Finne soll im Falle einer schnellen Besserung am Spieltag nachreisen. „Das muss man abwarten“, sagte Schaaf. „Ich habe die Champions League noch längst nicht abgeschrieben“, gab der gesperrte Kapitän Frings der „Bubi-Truppe“ mit auf den Weg.

Doch der Optimismus der Verantwortlichen hielt sich am Tag vor dem Spiel in deutlichen Grenzen. „Wir können aus dieser Situation eher positiv überraschen“, sagte Allofs: „Wenn man in Tottenham gewinnt, kann es für die gesamte Situation eine positive Auswirkung haben. Wir denken deshalb auf keinen Fall an das Wochenende.“ Eine Wende mit einer besseren Reservemannschaft? Gegen ein Spurs- Team, das mit Klassespielern wie dem unglaublich schnellen Gareth Bale besetzt ist? „Tottenham hat eine gute Mannschaft, sie sind in der Liga sehr erfolgreich, aber das bedeutet für Mittwoch nichts“, sagte Allofs. Wie kritisch die Stimmung in Bremen ist, war auch beim Trip nach London zu erleben. Nachdem Allofs am Vortag angebliche Rücktrittsgedanken von Schaaf dementieren musste, sagte er am Dienstag: „Es ist völliger Blödsinn, dass es ein Problem zwischen Mannschaft und Trainer gibt.“ Schaaf sagte, dass er sich nur auf die Arbeit konzentriere:„Alles andere blende ich aus.“

Ausfallen wir höchstwahrscheinlich Tottenhams Rafael van der Vaart. Der Niederländer hat eine Oberschenkelverletzung. Der ehemalige Star von Werders Bundesliga-Rivalen Hamburger SV konnte nicht am Abschlusstraining des Londoner Fußball-Clubs teilnehmen. „Wir müssen abwarten“, sagte Tottenham-Trainer Harry Redknapp am Dienstag in London. Van der Vaart werde erneut untersucht. Die Entscheidung über den Einsatz des niederländischen Mittelfeldspielers fällt erst am Mittwoch vor dem Spiel.

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Rafael van der Vaart hat Heimweh nach dem HSV

Am vergangenen Wochenende ist Rafael van der Vaart endgültig angekommen. Bei Tottenham Hotspur und bei den Fans von der White Hart Lane. Denn mit einem verwandelten Handelfmeter und zwei Vorlagen besiegelte der Niederländer den für die Anhänger der „Spurs“ extrem wichtigen 3:2-Sieg beim FC Arsenal, dem großen Lokalrivalen im Norden Londons. Auf den man in der Tabelle der Premier League somit wieder auf vier Zähler herangerückt ist.

Und wenn der 27-Jährige im Heimspiel am Mittwoch (20.45 Uhr/Sky) in der Champions League mit seinen Teamkollegen den Pflichtsieg gegen den grün-weißen Trümmerhaufen Werder Bremen einfährt und damit sicher das Achtelfinale der Königsklasse erreicht, ist Zeit für eine positive Zwischenbilanz. „Ich habe mit meiner Entscheidung richtig gelegen und bereue den Wechsel nicht. Sportlich läuft es, der Klub ist einer der Besten in England“, verriet van der Vaart dem kicker.

Der Glamour-Kicker, Ehegatte der nach wie vor in Deutschland permanent im TV präsenten Sylvie van der Vaart, wurde Ende August sozusagen in letzter Minute gerade noch rechtzeitig vor Transferschluss von Real Madrid zu Tottenham weitergereicht. Zumindest geografisch ist der Holländer mit spanischen Wurzeln damit seinem alten Lieblingsklub, dem Hamburger SV, schon wieder ein gehöriges Stück nähergekommen.

Schließlich hat der 87-malige Nationalspieler noch längst nicht vergessen, dass er zwischen 2005 und 2008 an der Elbe brillierte und sich dort einen Vertrag bei Real Madrid erspielen konnte. „Meine Sehnsucht gilt dem HSV. Dorthin kann ich jederzeit zurückkommen, vielleicht werde ich es noch einmal machen“, sagte van der Vaart. Derzeit allerdings könnten die Hanseaten die Kosten für einen solchen Transfer gar nicht stemmen.

Denn auch wenn dem smarten Freistoßspezialist der konstante Durchbruch bei den Königlichen nicht gelang, wäre wohl nur Bayern München in der Lage, van der Vaart in die Bundesliga zurückzuholen. Schon gar nicht HSV-Nordrivale Werder Bremen, der Nationalspieler Mesut Özil an Real abgab und seither erschreckende sportliche Defizite offenbart.

Dennoch weigert sich van der Vaart, vor dem Bremer Gastspiel von einem Selbstläufer für Tottenham zu sprechen: „Wir müssen vorsichtig sein, Werder kann weiterhin guten Fußball spielen. Wenn wir nicht dagegenhalten, könnten wir Probleme bekommen. Die Qualität bei Werder ist da, auch wenn es nicht so läuft.“