Nach dem Sieg in der EM-Qualifikation gegen die Türkei war Merkel mit Bundespräsident Wulff in die Kabine der DFB-Auswahl spaziert.
Frankfurt/Berlin. Die Szene des Spiels ereignete sich erst nach dem Abpfiff - im Umkleidebereich der Nationalmannschaft. Der Kabinenbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Türkei-Länderspiel hat zwischen DFB und Kanzleramt zu diplomatischen Verwicklungen geführt. Merkel rief deshalb tags darauf bei Theo Zwanziger an, um den erzürnten Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes zu besänftigen. Während man allerdings beim DFB von einer Entschuldigung der Regierungschefin sprach, war davon im Kanzleramt nicht die Rede. „Es gab nichts, wofür sie sich hätte entschuldigen müssen“, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Es habe sich lediglich um ein „klärendes Gespräch“ gehandelt.
Merkel war am 8. Oktober nach dem deutschen 3:0-Sieg gegen die Türkei im Berliner Olympiastadion zusammen mit Bundespräsident Christian Wulff, dessen Tochter und mit ihrem Sprecher Seibert in die Kabine geeilt – ohne Delegationschef Zwanziger. Statt mit dem DFB- Chef hatte sie die Aktion zuvor auf der Ehrentribüne mit Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff abgesprochen.
„Mit den Abläufen war ich nicht einverstanden“, räumte Zwanziger in der „Sport Bild“ ein, zeigte sich aber versöhnlich. „Nach einem Anruf von Frau Merkel sind die Irritationen ausgestanden.“ Auch Seibert bestätigte, nach dem Anruf von Merkel bei Zwanziger sei wieder „alles gut zwischen den beiden“.
Ein offizieller Fotograf des Bundespresseamtes hatte die Szene in der Kabine festgehalten, als Merkel (im DFB-grünen Blazer) dem halbnackten Deutsch-Türken Mesut Özil die Hand schüttelte – ein Bild mit Symbolwert angesichts der Dauerdebatte um integrationsunwillige Zuwanderer. Das Foto wurde mit Genehmigung von Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff in zahlreichen Medien veröffentlicht. Zwanziger hat nach „Sport Bild“-Angaben intern beklagt, dass sich der DFB nicht von der Politik instrumentalisieren lassen dürfe. „Ich wünsche mir, dass sich die Politik um den Fußball kümmert, wenn es der Fußball braucht“, sagte Zwanziger schon am Montag ein wenig säuerlich im „kicker“. Bierhoff wiederum fand das Foto „so symbolträchtig, was Integration und Stellenwert der Nationalmannschaft betrifft, dass wir es positiv betrachten“.
Dem DFB-Präsidenten stieß aber vor allem auf, dass nicht er es war, der die hohen Gäste in die Kabine geführt hatte – offensichtlich eine Kommunikationspanne. „Während des Spiels hat mich Frau Merkel auf den Kabinenbesuch angesprochen. Ich bin davon ausgegangen, dass sie wie bei anderen Gelegenheiten auch vom DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und vom Liga-Präsidenten Reinhard Rauball in die Kabine begleitet wird“, erklärte Bierhoff. Doch Zwanziger kam erst nach Merkel in die Katakomben und beschwerte sich später im VIP-Bereich bei Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Seibert räumte einen „unglücklichen Ablauf“ beim Zustandekommen des Kabinenbesuchs ein. Dies sei aber nur ein Versehen gewesen, versicherte Merkels Sprecher.
Dem 65-Jährigen DFB-Chef soll es aber auch nicht gepasst haben, dass Merkel mit einer ganzen Entourage in das „Heiligtum“ der Nationalmannschaft eingedrungen war. Dies sieht Seibert ein wenig anders: „Wenn die Bundeskanzlerin die Kabine der Fußball- Nationalmannschaft nach einem ziemlich gut gelungenen Länderspiel besucht, dann ist das ein Besuch, den sie gut findet, die Spieler auch und der DFB auch – und so war es auch an jenem Freitagabend im Berliner Olympiastadion.“
Sind zwischen DFB und Kanzleramt also doch nicht alle Unstimmigkeiten ausgeräumt? In diesem Fall gäbe es schon bald die nächste Gelegenheit für ein klärendes Gespräch, denn beim Festakt des DFB-Bundestages an diesem Donnerstag gehört Merkel zu den Ehrengästen. Seibert rechnet in der Essener Philharmonie mit viel Harmonie zwischen Regierungschefin und DFB-Chef: „Es wird ein herzliches Wiedersehen sein.“
Zwanziger vor dritter Amtszeit: Stehen glänzend da
Nach einigem Zaudern geht Theo Zwanziger voller Zuversicht und Zufriedenheit seine dritte Amtszeit als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes an. Der 65-Jährige aus Altendiez lässt offen, ob er sich beim 40. Ordentlichen DFB-Bundestag am Freitag in Essen zum letzten Mal zur Wahl stellt. „Ich gehöre auf jeden Fall nicht zu den Menschen, die sich auf ihrem Sessel aus dem Amt tragen lassen“, versprach Zwanziger in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Der Jurist hatte sich zwar vor einem knappen Jahr bei der Trauerfeier für Nationaltorwart Robert Enke mit einer bundesweit beachteten Rede profiliert. Bei der Krisenbewältigung in der Schiedsrichter-Affäre Manfred Amerell/Michael Kempter und bei der zunächst geplatzten Vertragsverlängerung von Bundestrainer Joachim Löw geriet Zwanziger jedoch massiv in die Kritik.
Im Sommer hatte der DFB-Chef noch eine „gewisse Amtsmüdigkeit“ beklagt. Die Weiterarbeit mit Löw und Manager Oliver Bierhoff hat letztendlich den Ausschlag gegeben, sich noch einmal zur Wahl zu stellen. „Intensiv“ habe er geprüft, „ob ich die Kraft für weitere drei Jahre habe. Und ob ich mein Privatleben auch weiterhin mit dem Amt in Einklang bringen kann“, so Zwanziger. Ob es seine letzte Amtszeit wird, darüber habe er sich noch keine Gedanken gemacht.
Den mit 6,7 Millionen Mitgliedern größten Sportfachverband der Welt sieht Zwanziger bestens aufgestellt. „Wenn man sich anschaut, was wir seit 2004 beim DFB getan haben, stellt man fest, dass wir den Fußball sicher nicht neu erfinden müssen. Wir stehen mit unseren Nationalmannschaften glänzend da. Die Nachwuchsförderung, die mein Vorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder nach dem schlechten EM-Abschneiden im Jahr 2000 neu strukturiert hat, funktioniert“, erklärt der Jurist. „Ich werde in den kommenden Jahren alles dransetzen, dass wir in diesen Bereichen das hohe Niveau halten.“
Zwanziger will vor allem das gesellschaftliche Engagement des DFBweiter vorantreiben. „Ich will einige Dinge unumkehrbar machen: Unser Bemühen gegen Diskriminierung, unseren Einsatz für Integration, aber auch das Thema Umweltschutz im Fußball darf nicht nur bei Weltmeisterschaften im eigenen Land in das Bewusstsein der Menschen gelangen.“ Dazu gehöre auch der Kampf gegen Gewalt in und um die Stadien.
Der Bundestag steht deshalb unter dem Motto „Fußball ist Zukunft. Emotional, sozial, nachhaltig.“ Zur Freude von Zwanziger hat sich beim Festakt am Donnerstag in Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Thomas de Maizière höchste politische Prominenz angesagt. Auch FIFA-Präsident Joseph Blatter wird in der Philharmonie erwartet – und Löw darf sich für den dritten Platz bei der Weltmeisterschaft in Südafrika feiern lassen. „Ich habe ihnen immer gern ein Stück Eigenständigkeit gegeben - das hat sich gelohnt“, sagt Zwanziger über Löw und Co. Jetzt hofft er auf den ersten Titel für die DFB-Auswahl seit 1996. „Die Spanier sind uns derzeit noch einen ganz kleinen Tick voraus, ansonsten sind wir mit allen anderen Nationen auf Augenhöhe. Man braucht aber eben auch immer ein bisschen Glück. Wenn wir dieses bei der EM2012 oder bei der WMin Brasilien haben, dann kann es mit dem Titelgewinn klappen.“
Trotz des Kompetenzstreits zwischen Löw und Sportdirektor Matthias Sammer, den Zwanziger in der Hierarchie klar unter Löw gestellt hat, rechnet der DFB-Präsident weiter mit dem Sportdirektor: „Er hat Vertrag bis 2013. Ich habe von ihm zu keinem Zeitpunkt gehört, dass er beabsichtigt, diesen Vertrag nicht zu erfüllen.“ Im nächsten Jahr steht für Zwanziger, der von 2004 bis 2006 zusammen mit Gerhard Mayer-Vorfelder eine Doppelspitze gebildet hatte, vor allem die Frauen-WM in Deutschland im Mittelpunkt. Der große Förderer und Liebhaber des Frauenfußballs bestreitet jedoch, dass er deshalb weitermacht. „Ich denke, dass die Frauen mir auch noch eine Karte für die WM gegeben hätten, wenn ich nicht mehr als DFB-Präsident kandidiert hätte“, meinte er lächelnd.