Der Bundestrainer deutete eine Trendwende an und auch Oliver Bierhoff lobte den Schalker Angreifer. Droht Klose oder Podolski das WM-Aus?
Neuss/Baiersbronn. Das "Konklave" von Joachim Löw und seines Trainerstabs in Baiersbronn im Schwarzwald ist auf drei Tage angesetzt: Ob allerdings am Mittwoch wie bei der Papstwahl im Vatikan weißer Rauch für Kevin Kuranyi aufsteigt und damit das Comeback des Schalker Torjägers in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft besiegelt ist, weiß niemand so genau.
Richtig ist, dass der Bundestrainer zusammen mit seinem Assistenten Hansi Flick, Bundestorwarttrainer Andreas Köpke und Chefscout Urs Siegenthaler alle noch vorhandenen Baustellen im Vorfeld der WM 2010 in Südafrika (11. Juni bis 11. Juli) diskutieren wird. Dazu gehört natürlich der Fall Kuranyi.
"Wir haben gesagt, dass wir uns zusammensetzen und getroffene Entscheidungen noch einmal überdenken. Speziell dieses Thema ist ja allgegenwärtig - und ich lasse mich dahingehend auch gern beraten. Immerhin stehen wir vor einer Weltmeisterschaft. Da ist es wichtig, dass wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, die sich bieten", sagte Löw der Tageszeitung Die Welt und deutete eine Trendwende an. Ob es wirklich mehr ist, wird man sehen.
"Ich würde mich über eine zweite Chance freuen. Was der Bundestrainer gesagt hat, habe ich auch nur aus den Medien erfahren. Ich hatte noch keinen Kontakt zu Löw", sagte Kuranyi dem SID. Im Oktober 2008 hatte Nationalcoach Löw Kuranyi bis auf Weiteres aus dem Nationalteam eliminiert, nachdem der S04-Star beim WM-Qualifikationsspiel gegen Russland (2:1) in Dortmund aus Frust über seine Nichtberücksichtigung aus dem Stadion geflüchtet war.
Löws Sanktion kam prompt, er schloss damals einen Einsatz von Kuranyi während seiner Amtszeit aus. Doch 18 Treffer in der laufenden Bundesliga-Saison für den derzeitigen Tabellenzweiten aus Gelsenkirchen und zahlreiche prominente Kuranyi-Fürsprecher haben Löw offenbar wankelmütig werden lassen.
Für den Schweizer Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld wäre eine Kuranyi-Rückkehr durchaus ein Zeichen der Stärke des Bundestrainers: "Absolut, denn es geht am Ende immer um eine erfolgreiche Mannschaft. Da gehören die besten Spieler hin, auch wenn ein Spieler mal eine Disziplinlosigkeit gezeigt hat. Aber dafür wurde er ja auch eine lange Zeit suspendiert", sagte der Meistertrainer von Borussia Dortmund und Bayern München bei Sky. Aber irgendwann müsse man auch mal Gnade walten lassen, so Hitzfeld.
Mit einem dicken Lob nährte zudem DFB-Teammanager Oliver Bierhoff die Spekulationen über eine Kuranyi-Rückkehr. "Das Thema ist natürlich in den vergangenen Wochen wieder hochgekommen, ganz einfach, weil Kevin Kuranyi eine tolle Saison spielt und sich in sehr guter Form befindet", sagte der 41-jährige Bierhoff dem TV-Sender Eurosport.
Ähnlich sieht es auch Frankfurts Coach Michael Skibbe, einst unter Teamchef Rudi Völler selbst als Trainer beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) angestellt. «Kevin ist in einer hervorragenden Verfassung, und dann ist es die Verpflichtung des Nationaltrainers, die Suspendierung noch mal zu überdenken», kommentierte Skibbe bei Sky.
Schalke-Coach Felix Magath fordert eine schnelle Entscheidung - so oder so, damit Kuranyi den Kopf frei hat. "Es wäre schon schön, wenn das Thema wie auch immer endlich erledigt wäre. Wir haben halt noch vier Wochen und einen Spieler, der eine ungelöste Situation hat, der beschäftigt sich natürlich damit", äußerte der Meister-Trainer im Doppelpass bei Sport1.
Doch wer müsste im Falle eines Falles für Kuranyi aus dem deutschen WM-Kader weichen? Von Miroslav Klose hält der Bundestrainer eine ganze Menge, trotz nur zwei Saisontoren dürfte der Bayern-Profi ebenso gesetzt sein wie sein Teamkollege Mario Gomez, der immerhin zehnmal in der Bundesliga in dieser Saison traf. Am vergangenen Samstag in Leverkusen spielte der Ex-Stuttgarter unter den Augen Löws allerdings schwach und wurde ausgewechselt.
Auch Lukas Podolski dürfte eine Fahrkarte nach Südafrika in der Tasche haben - auch wenn es für "Poldi" beim 1. FC Köln (zwei Saisontreffer) alles andere als rund läuft. Im DFB-Team hat der beste Nachwuchsspieler der WM 2006 eigentlich stets überzeugt.
Große Hoffnungen auf eine WM-Teilnahme macht sich zu Recht der Leverkusener Stefan Kießling. 18 Treffer wie für Kuranyi sprechen eindeutig für den Blondschopf. Der Stuttgarter Cacau könnte am Ende am ehesten der Leidtragende eines Kuranyi-Comebacks sein, obwohl auch er am Samstag mit Saisontor Nummer neun den 1:0-Erfolg des VfB in Berlin sicherte.