Lehmann werde auch kein Angebot aus dem Ausland mehr annehmen. Bei der WM im Sommer wird der Torwart als TV-Experte im Einsatz sein.
Stuttgart. Weltklasse-Torwart, streitbarer Geist und Elfmeterheld mit Spickzettel im Stutzen: Nach 22 bewegten Profi-Jahren beendet Jens Lehmann am Ende der Saison seine Karriere. «Die Entscheidung ist gefallen. Der Familienrat hat beschlossen: Am 8. Mai mache ich mit dem VfB in Hoffenheim mein letztes Spiel», sagte der 40 Jahre alte Schlussmann des VfB Stuttgart am Dienstag. Nach 61 Länderspielen wird er die Nationalmannschaft weiter begleiten - als WM-Experte des Abo-Senders Sky.
Lehmann hatte zuletzt immer wieder mit schwammigen Aussagen Spekulationen angeheizt, er werde doch noch eine Saison dranhängen. Vor allem ein erneuter Wechsel ins Ausland schien nach den starken Leistungen des gebürtigen Esseners nicht ausgeschlossen. Nun zog er am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Stuttgart einen Schlussstrich - schweren Herzens: «Ich bin immer noch fit und werde den Fußball vermissen. Es waren zwei schöne Jahre in Stuttgart. Ich hoffe, wir erreichen noch das internationale Geschäft.»
Andererseits freut er sich auch auf die freie Zeit für sich und seine Familie. «Nach der WM brauche ich eine Pause. Dann kann ich zum ersten Mal richtig Urlaub machen», sagte er.
Lehmann hatte auch in seiner letzten Saison wieder alle Facetten seiner Persönlichkeit gezeigt: Er ist ehrgeizig wie sein großer Rivale Oliver Kahn, den er vor der WM 2006 in Deutschland aus dem Tor verdrängte, strebt konsequent nach Perfektion und wirkt dabei häufig verbissen.
«Entspannt auf dem Rasen? Ich will gewinnen. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen: Da musst du kämpfen. Mit Nettsein und Entspannung kommst du nicht weiter. Ich wüsste gar nicht, wie ich auf dem Platz anders sein sollte», sagte Lehmann einst.
Diplomatie war nie seine Stärke, er legte sich mit Balljungen, Gegenspielern, Trainern oder auch Vereinsbossen gleichermaßen an und sorgte mit seiner oft unnahbaren Art häufig für Kopfschütteln. Als er noch jung war, «wurde ich gepusht, und da habe ich die Nähe zu den Fans verloren», sagte er dazu.
Dass er dennoch im deutschen Fußball Ansehen genießt, liegt daran, dass er als Torwart seit Jahren meist über jeden Zweifel erhaben ist. Dies unterstrich Lehmann erst am vergangenen Samstag wieder, als er für seinen VfB das 2:1 bei Bayern München festhielt.
In einer Umfrage des Sport-Informations-Dienstes sprachen sich erst in der vergangenen Woche noch 32,6 Prozent der Befragten für Lehmann als Nummer eins bei der WM in Südafrika aus. Der aktuelle Stammtorhüter Rene Adler lag nur 0,1 Prozent vor seinem Vorgänger, Manuel Neuer und Tim Wiese hinkten weit hinterher. «So eine Auszeichnung freut mich sehr», sagte Lehmann am Dienstag: «Ich bin als Sportler solide und konstant.»
Seine Karriere begann am 1. Oktober 1988 bei Schalke 04 in der 2. Liga. In 22 Jahren als Profi bestritt er seitdem 388 Bundesligaspiele für Schalke, Dortmund und den VfB sowie 147 Partien in der Premier League für den FC Arsenal, mit dem er 2006 den Champions-League-Titel durch ein 1:2 gegen den FC Barcelona im Endspiel von Paris knapp verfehlte. Es war eine von Lehmanns schwärzesten Stunden: Er sah schon in der 18. Minute wegen einer Notbremse gegen Torjäger Samuel Eto'o die Rote Karte.
In der Nationalmannschaft stand er lange Zeit im Schatten seines Erzrivalen Kahn. Erst kurz vor der WM 2006 im eigenen Land wurde Lehmann vom damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann zur Nummer eins befördert. Unvergessen bleibt sein Auftritt im Elfmeterschießen gegen Argentinien mit dem legendären Spickzettel, auf dem die Vorlieben der gegnerischen Schützen notiert waren. Nach dem 0:1 im EM-Finale 2008 gegen Spanien beendete Lehmann dann seine Karriere in der Nationalelf.
Seine TV-Karriere als Sky-Experte beginnt am Mittwoch mit einem persönlichen Highlight. Lehmann darf das Hinspiel im Champions-League-Viertelfinale zwischen Arsenal und Barcelona analysieren. Lehmann: «Ich freue mich sehr darauf. In London hatte ich meine schönste Zeit.»