Trotz der Pleite gegen Gummersbach hat der HSV Handball die Meisterschaft noch in der Hand. Dennoch bemängelt Hans Lindberg das Engagement.
Hamburg. Am Ende eines perfekten Abends hatte Axel Geerken nur noch eine Frage: "Wie viele Kisten können wir denn beim THW bestellen?", wollte der Geschäftsführer des VfL Gummersbach vom Kieler Betreuer Roland Breitenberger wissen. Mit der Antwort wird sich Geerken noch gedulden müssen, womöglich bis zum 5. Juni, dem 34. und letzten Spieltag der Handball-Bundesliga. Sollte es für die Kieler dann tatsächlich zur sechsten deutschen Meisterschaft in Folge reichen, dürften für die Gummersbacher aber tatsächlich einige Kisten abfallen.
Ihr spektakulärer 39:31-Sieg beim Tabellenführer HSV am Dienstag hat die Vorzeichen im Titelkampf ins Gegenteil verkehrt. Nicht so sehr wegen der zwei Minuspunkte, die die erste Heimniederlage der Saison gekostet hat. "Die Ausgangslage hat sich im Grunde nicht groß geändert", meint Sportchef Christian Fitzek, "wir haben es nach wie vor in der Hand." Am 22. Mai erwarten die Hamburger den THW in eigener Halle. Sollten sich die beiden Rivalen bis dahin schadlos halten, dürfte jene Partie die Meisterschaft entscheiden.
Sorge bereitet aber die Hilflosigkeit, mit der eine Mannschaft, die in der Vorwoche noch die hoch eingeschätzten Rhein-Neckar Löwen mit 37:26 gedemütigt hatte, sich ihrem Schicksal ergab. "Ein Ding ist, dass man schlecht spielt", sagte Rechtsaußen Hans Lindberg, für den das noch am wenigsten zutraf, "aber ich hatte den Eindruck, dass wir nicht richtig gekämpft haben. Das ist ein schlechtes Signal."
Ein ähnliches Debakel hatte es letztmals im Mai 2009 im Halbfinale des DHB-Pokals gegeben. Auch damals hieß der Gegner VfL Gummersbach. Auch damals unterlag man dem Traditionsklub am Ende mit acht Toren Differenz (27:35). Und auch damals kreisten hinterher die Diskussionen um Martin Schwalb.
Für den HSV-Trainer war die Niederlage auch eine persönliche. Sein VfL-Kollege Sead Hasanefendic hatte die individuell überlegenen Hamburger Rückraumschützen in Manndeckung nehmen lassen - eine "Wilde-Sau-Abwehr" (HSV-Torhüter Johannes Bitter), auf die Schwalb keine andere Antwort wusste, als sie durch einen siebten Feldspieler an den Kreis zurückzudrängen. "Der Schuss ging leider nach hinten los", gestand der Trainer. Seine Mannschaft habe die Taktik nicht umsetzen können, dafür habe die Beinarbeit gefehlt: "Wenn man zu siebt ist, darf man den Ball nicht einfach an den Kreis spielen." Die Verantwortung aber trage allein er: "Ich habe ein breites Kreuz."
Fitzek stellte sich demonstrativ vor den Trainer: "Gegen Lübbecke hat uns die Taktik noch den Sieg gebracht." Auch die bis dato einzige Liganiederlage in Göppingen hätte man so beinahe noch abgewendet. Doch beide Male waren es Verzweiflungstaten. Diesmal spielte Schwalb bereits eingangs der zweiten Halbzeit beim Stand von 18:18 den vermeintlichen Trumpf aus, und er hielt noch an der Harakiri-Taktik fest, als dies sogar die eigenen Spieler mit Kopfschütteln quittierten. Von einer "Panikaktion" sprach VfL-Profi Viktor Szilagyi: "Es war erschreckend, dass der HSV auf unsere Taktik keine Antwort wusste."
HSV-Linksaußen Torsten Jansen wähnte sich bei seinem Comeback nach überstandener Wadenverletzung "in einem schwarzen Loch, in dem alles nach unten gezogen wurde".
Bis zum Champions-League-Spiel am Sonntag in Zagreb muss der HSV den Notausgang finden. Vielleicht, sagte Schwalb, habe sich bei einigen zuletzt auch zu große Selbstsicherheit breitgemacht. Zumindest dieses Problem ist er nun los.