Die Spiele in Vancouver werden die letzten der Eisschnellläuferin sein. Heute läuft sie im deutschen Team im Halbfinale gegen die USA.

Vancouver. Daniela Anschütz-Thoms ist 35 Jahre alt. Vancouver sind ihre dritten Olympischen Spiele, ihre letzten, wie sie sagt. Und deshalb ist ihr die Freude anzusehen, dass ihr Eisschnelllauf-Bundestrainer Markus Eicher bei ihrem finalen Auftritt eine besondere Rolle zugewiesen hat. Sie darf das deutsche Trio bei der Teamverfolgung anlaufen, das Tempo vorgeben, dem Anni Friesinger-Postma (33) hinter ihr und am Schluss Stephanie Beckert (21) in der ersten von sechs Runden (à 385 Meter) folgen. Im Viertelfinale gegen die Niederlande am Freitagabend klappte das gut, das deutsche Team lief mit 3:01,95 Minuten die beste Zeit, siegte mit 1:43 Sekunden Vorsprung und trifft im Medaillenkampf heute im Halbfinale (21.30 Uhr) auf die USA. Das zweite Semifinale bestreiten Japan und Polen.

Medaillen, das ist eines dieser Reizworte für Daniela Anschütz-Thoms. 2006 in Turin hat sie mit dem Team olympisches Gold gewonnen, stand sie jedoch allein auf dem Eis, waren meist drei andere schneller; insgesamt 16-mal bei internationalen Meisterschaften. Blech-Marie ist sie deswegen vom Boulevard getauft worden. Sie nimmt es mit Humor. "Was soll ich sagen", sagt sie, "irgendwie hat das auch seinen Charme, das wertet mich und meine Leistung auf und holt mich aus der Anonymität. Ich werde jetzt vielen Menschen eher in Erinnerung bleiben, als wenn ich die eine oder andere Bronzemedaille gewonnen hätte."

Die hätte sie andererseits gern in Vancouver um den Hals hängen gehabt, gibt sie zu, über die 3000 Meter zum Beispiel, als ihr vier Hundertstelsekunden zum Platz auf dem Podium fehlten, ein halber Wimpernschlag. Da haderte sie, ein wenig zumindest, klagte über die fehlende gleichwertige Gegnerin auf den letzten Runden, die sie vielleicht um den entscheidenden Bruchteil einer Sekunde angetrieben hätte. "Platz vier", sagte sie dann, als sie ihr inneres Gleichgewicht wiedergefunden hatte, "Platz vier ist mein Platz, den lasse ich mir von niemandem nehmen." Bei den Worten musste sie dann doch grinsen. Nein, beschied sie, Galgenhumor sei das nicht: "Ich bin stolz auf das, was ich in meiner Karriere erreicht habe."

Das darf sie. Im Mehrkampf wurde sie 2003, Achtung!, WM-Dritte, 2005 und 2009 Vizeeuropameisterin und 2008 WM-Dritte über 3000 Meter. Vielseitigkeit ist ihre Stärke, von 1500 bis 5000 Meter hält sie mit den Besten der Welt mit. Dass während ihrer Karriere die - jetzt gesperrte - fünfmalige Olympiasiegerin Claudia Pechstein und Anni Friesinger lange Schatten warfen, hat ihren Ehrgeiz höchstens angestachelt. Aus dem Zickenzoff hielt sie sich raus, öffentliches Aufsehen dieser Art überlässt sie lieber anderen. Auch dass ihre Erfurter Trainingskameradin Stephanie Beckert bei ihrem Olympiadebüt in Vancouver gleich zweimal Silber gewann, hat sie mit äußerlicher Gelassenheit hingenommen. Und es klang nicht aufgesetzt, als sie sagte: "Ich gönne es ihr."

Stephan Gneupel, der gemeinsame Trainer, mag sich dann schon um das Seelenheil seiner langjährigen Weggefährtin gesorgt haben, als er ostentativ feststellte: "Die Stephi hätte diese Medaillen nie ohne die Dani geholt. Dani hat sie im Training zu Höchstleistungen getrieben."

Anschütz-Thoms will ihre Karriere wie Friesinger im nächsten Jahr beenden. Ein Fernstudium der Betriebswirtschaft hat sie erfolgreich abgeschlossen, sie fühlt sich gewappnet für die Zukunft. In der soll Eisschnelllaufen weiter eine wichtige Rolle spielen, welche, "weiß ich noch nicht". Erst einmal, sagt sie, möchte sie mit ihrem Ehemann Marian Thoms ihr Golf-Handicap verbessern. "Dazu muss es in Deutschland aber endlich Frühling werden." Es klingt wie ihr sehnlichster Wunsch. "O nein", sagt sie und lacht herzlich, "da hätte ich noch einen."