Im deutschen Eisschnelllauf gibt es einen Wechsel der Generationen. So tritt Anni Friesinger mit der Silbergewinnerin Stephanie Beckert an.

Richmond. Es war ein ungewohnter Platz für Anni Friesinger-Postma bei diesen 5000 Metern der Eisschnellläuferinnen - der als Zuschauerin und Claqueurin hinter der Bande. Es schien ihre ultimative Rolle bei diesen letzten Spielen ihrer Karriere zu werden, ein bitterer Abschied für eine große Athletin. Nun aber kehrt die zweimalige Olympiasiegerin doch noch aufs Eisoval in Richmond zurück. Bundestrainer Markus Eicher entschied in Absprache mit seinen Kollegen: Friesinger (33) wird heute (22.20 Uhr) mit Stephanie Beckert (21) und Daniela Anschütz-Thoms (35) im Viertelfinale des Mannschaftswettbewerbs starten.

Friesinger hatte im Training mit sechs couragierten Runden überzeugt, genau über jene Distanz von 2310 Metern, die das Trio heute auf der Innenbahn zu laufen hat. Die Berlinerin Katrin Mattscherodt (28) dagegen, ihre direkte Konkurrentin, verlor das Vertrauen des Coaches, weil sie im Rennen über 5000 Meter schon nach 150 Metern wegen Verlassens der Bahn disqualifiziert worden war und sich bereits vor dem Rennen schlapp gefühlt hatte.

Der abschließende Teamwettbewerb (Finale am Sonnabend, 22.13 Uhr) wird damit zur Bühne des Wach- und Generationswechsels im deutschen Eisschnelllauf der Frauen. Friesinger hat bei ihrer vierten Olympiateilnahme ihre Rolle als Vorzeigeläuferin an Stephanie Beckert abgegeben, die in Vancouver ein erfolgreiches Olympiadebüt feierte. Die 21-Jährige hatte nach Silber über 3000 Meter auch über 5000 Meter den zweiten Platz erneut hinter Martina Sablikova (22) belegt.

Glücklich sei sie darüber, "richtig glücklich", betonte sie immer wieder, und wollte damit jenen Nachfragen vorbeugen, ob die im Ziel auf die Tschechin fehlenden 48 Hundertstelsekunden nicht doch aufzuholen gewesen wären. "Ja!", stellte ihr Trainer Stephan Gneupel klar, "wenn die beiden direkt gegeneinander gelaufen wären, hätte Stephi es schaffen können. Davon bin ich überzeugt. Das war Pech bei der Auslosung." Anschütz-Thoms übrigens wurde zum 16. Mal bei einer internationalen Meisterschaft Vierte, diesmal mit fast drei Sekunden Rückstand und nicht mit vier Hundertsteln wie über die 3000 Meter - "da brauche ich mich nicht zu ärgern."

Stephanie Beckert aus Erfurt, blond, mit Pferdeschwanz, 1,72 Meter groß, 69 Kilo schwer, Hundeliebhaberin, ist das neue Gesicht des deutschen Eisschnelllaufs. Ein bisschen schüchtern noch, bei persönlichen Fragen errötet sie schon mal. Der Medienrummel mache ihr dennoch Spaß, sagt sie - oder vielleicht besser: sagt sie sich. Auf dem nicht gerade rutschfesten öffentlichen Parkett, auf dem sich Friesinger elegant mit freizügigen Fotos und offenherzigen Aussagen zwischen Erotik und Erfolg bewegte, muss sie noch ihre Rolle finden. Offen und ehrlich soll sie sein, hat ihr Manager Klaus Kärcher geraten, der auch Friesinger betreut. Beckert wäre der als "Zickenzoff" bekannte Zwist zwischen Friesinger und Claudia Pechstein zuwider. Einen gradlinigen Charakter bescheinigen ihr alle, die sie kennen. "Ich habe hart trainiert, jetzt habe ich dafür meinen ersten Lohn bekommen", sagt sie.

Es muss nicht ihr letzter gewesen sein. Beckert, Anschütz-Thoms und Friesinger könnten am Wochenende eine einmalige Serie fortsetzen. Seit 1980 haben deutsche Eisschnellläufer immer mindestens eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen gewonnen.