Berlin/Hamburg. Claudia Pechstein hatte in den vergangenen Wochen trainiert, als wäre ihre sechste Teilnahme an Olympischen Winterspielen beschlossene Sache. Gestern früh, kurz vor 10 Uhr, erfuhr sie per Mobiltelefon auf dem Weg zur Eisbahn in Berlin-Hohenschönhausen, dass ihr Traum (noch) nicht auf Eis gelegt werden muss. Das Schweizer Bundesgericht hatte in einem Eilverfahren nach gerade 24 Stunden einem Antrag der Pechstein-Anwälte stattgegeben: Die gesperrte Eisschnellläuferin darf zumindest noch einmal starten. Claudia Pechstein kann an diesem Freitag beim Weltcup in Salt Lake City über die 3000-Meter-Strecke antreten. Ihre einzige und letzte Chance, die sportlichen Voraussetzungen für einen Olympia-Start in Vancouver zu erfüllen.

Rechtlich entschieden ist mit dem Beschluss aber nichts.

"Das ist eine Genugtuung für mich", sagte Pechstein. "Und die erste positive Nachricht in diesem Fall, ein kleiner Sieg." Nachdem sie zu Beginn des Falles lange abgetaucht war, stellte sie sich gestern Nachmittag im Arosa-Hotel Bad Saarow, nahe ihrem Heimatort Diensdorf-Radlow den Medien. Schon heute wollte sie im Flugzeug Richtung USA sitzen. Und am Freitag - etwa 21.45 Uhr deutscher Zeit - steht sie nach 307 Tagen wieder in einem offiziellen Wettbewerb auf dem Eis. Ihr Manager Ralf Grengel sagt: "Das ist eine riesige psychische Belastung." Platz acht ist die Vorgabe für die Olympianorm. Vor fast acht Jahren hatte sie auf der Bahn in Salt Lake City zwei Goldmedaillen gewonnen.

Pechsteins Anwälte sprachen von einem "kleinen Schritt". Wenigstens sei "das Urteil eines staatlichen Gerichts" auch für den Eislauf-Weltverband ISU bindend.

Eine Olympiateilnahme der fünfmaligen Goldmedaillengewinnerin aber steht selbst im Falle der sportlichen Qualifikation in den Sternen. Michael Vesper, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), stellte klar: "Für uns gilt, solange es nicht aufgehoben wurde, das Urteil des Internationalen Sportgerichtshofes." Solange Pechstein formal gesperrt ist, darf sie auch nicht für Deutschland starten. Bis zum 22. Januar, wenn das Präsidium des DOSB die Liste der Olympiakandidaten sortiert, muss der Fall geklärt sein. Die Winterspiele beginnen am 12. Februar.

Claudia Pechstein war am 3. Juli ausschließlich wegen auffälliger Blutwerte (Retikulozyten) vom Eislauf-Weltverband ISU gesperrt worden. Der Internationale Sportgerichtshof CAS bestätigte diese Entscheidung am 25. November. Es war die erste Sperre allein aufgrund von Indizien - ein neues Kapitel in der Dopingbekämpfung.

Das Tauziehen der Anwälte dürfte anhalten. Deutschlands höchster Sportfunktionär Thomas Bach hofft "auf eine baldige Entscheidung". Gerd Heinze, der Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG), der immer aufseiten seiner Läuferin stand, sagte: "Das war eine Entscheidung im Sinne des Fairplay."

Hinweise auf ein abschließendes Urteil des Bundesgerichts bietet der Eilantrag nicht. Wenigstens könnten erwartete Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe abgefedert werden, sollte Claudia Pechstein letztendlich unterliegen.

CAS-Richter Dirk-Reiner Martens verwies darauf, dass nur wirklich gravierende Verfahrensmängel vor dem Bundesgericht Aussicht auf Erfolg hätten. "Das Gesetz in der Schweiz listet genau diese Fälle auf", sagte er. Nach dem schriftlichen CAS-Urteil hatten die Richter ihre Entscheidung als "wasserdicht" bezeichnet. Dem hielt Pechsteins Anwaltsteam jetzt 70 Seiten entgegen. Claudia Pechsteins Meinung ist klar. "Irgendwann muss Schluss sein", sagt sie. "Ich habe kaum noch eine Privatsphäre, die ganze Welt kennt meine Blutwerte."