Der FC Barcelona erteilt Manchester United beim 2:0-Sieg im Champions-League-Finale eine Lehrstunde in Offensivfußball. In Katalonien kam es danach zu Ausschreitungen.

Rom. Stilprägend, mitreißend, verspielt – die magische Nacht von Rom hat den FC Barcelona endgültig zum neuen Leitstern am europäischen Fußball-Himmel gemacht. Arm in Arm tanzten die Missionare des Offensivfußballs nach dem 2:0 (1:0) über Manchester United um den von Kapitän Carles Puyol im Mittelkreis abgestellten Champions-League-Pokal. Mit einer Fiesta in Rot und Blau feierte die große Barça-Familie die Wachablösung – und den Triumph der höheren Spielkultur.

„Wir nähern uns legendären Teams an“, schwärmte Trainer Josep Guardiola. Nicht minder begeistert kommentierte Club-Präsident Joan Laporta die Gala: „Guardiola und sein Team haben die beste Saison in der Geschichte unseres Vereins hingelegt. Damit hat der FC Barcelona das Prestige zurückerlangt, das ihm zusteht.“ Konsterniert mussten ManU-Weltstar Cristiano Ronaldo, der das Privatduell mit Lionel Messi nach Punkten klar verlor, und seine Mitstreiter mit ansehen, wie die Trophäe ihren Besitzer wechselte. Eine brillante Vorstellung mit Toren von Samuel Eto’o (10. Minute) und Messi (70.) verhinderte, dass die Engländer als erste Mannschaft seit Einführung des Wettbewerbs in der Saison 1992/93 den Titel verteidigten.

Selbst Coach Sir Alex Ferguson erkannte die Überlegenheit der Katalanen, die auf dem Weg ins Endspiel bereits den FC Bayern im Viertelfinale gedemütigt hatten, neidlos an: „Sie haben den Fußball genossen. Und das ist ein Verdienst von Guardiola.“

Der Trainer des neuen Champions-League-Siegers war neben den überragenden Spielgestaltern Andrés Iniesta und Xavi der große Sieger des Abends. Gleich in seinem ersten Jahr als Chefcoach setzte der einstige Barça-Profi mit dem Gewinn des Doubles und der europäischen Königsklasse neue Maßstäbe. Die Präzision und Geschwindigkeit seines Teams beim Passspiel sucht ihresgleichen und könnte den Trend zur Wiederbelebung offensiver Taktik verstärken. In der Stunde seines größten Erfolgs brachte der schöngeistige Trainernovize seine Philosophie auf eine einfache Formel: „Nichts ist gefährlicher als nichts zu riskieren.“

Anders als der ungewohnt zurückhaltende und gehemmte Gegner suchten die Katalanen ihr Heil in der Offensive – und wurden für diesen Mut belohnt. Selten liefen die zuletzt in 25 Champions-League- Spielen unbesiegten Briten dem Leder mehr hinterher, als am Mittwoch in Rom. „Barca hielt den Ball den ganzen Abend in seinen Reihen, und wenn wir ihn mal hatten, war er schnell wieder weg“, klagte der erfahrene Ferguson nach der Lehrstunde im Fach moderner Fußball.

Mit wahren Lobeshymnen reagierte die internationale Presse auf den Auftritt der katalanischen Magier: „Die Barça-Elf ist ein Kunstwerk. Sie ist eine der besten Mannschaften der Fußballgeschichte, das Perfect Team“, kommentierte Spaniens „Marca“. Selbst die altehrwürdige „Times“ geriet ins Schwärmen: „Manchester United wurde deklassiert – von einer Gruppe von Spielern, die zeigte, welche Anmut, Eleganz und Klasse auch jenseits der elysischen Feldern der Premier League existieren.“

Mehr und mehr entpuppt sich der 38 Jahre alte Guardiola als Meisterschüler des in Barcelona noch immer einflussreichen Johan Cruyff, unter dessen Regie er zu Beginn der 90er Jahre das schnelle Offensivspiel schätzen gelernt hatte. „Mit diesem Sieg setzen wir sein Erbe fort. Wir haben etwas Fantastisches geschaffen“, befand der Coach, den seine Spieler nach dem Schlusspfiff ausgelassen auf Händen trugen und in die Luft warfen.

Nicht nur das Spiel, sondern auch der mit Spannung erwartete Wettbewerb „Europa sucht den Superstar“ zwischen dem Weltfußballer des Jahres 2008, Cristiano Ronaldo, und dessen Kronprinz Messi ging an den spanischen Meister. Nur in den ersten zehn Minuten schien es, als könne die Partie zu einer Einer-Mann-Show des Portugiesen aus Manchester werden. Doch mit zunehmender Spielzeit setzte Messi mehr Akzente als sein Widersacher.

„Das war der wichtigste Sieg meines Lebens“, sagte der Argentinier, der sich mit seinem neunten Treffer den Titel des Torschützenkönigs der diesjährigen Champions League sicherte. Die unvermeidliche Frage nach dem besten Fußballer der Welt, die in den Tagen vor dem Anpfiff die Schlagzeilen dominiert hatte, beantwortete sein Coach Guardiola mit einem breiten Lächeln: „Wir mussten nicht gewinnen, um zu wissen, dass Messi der Beste ist.“

Der kleine Fußball-Riese nahm der laut Guardiola „besten Mannschaft der Welt“ aus Manchester mit seinem Kopfball zwanzig Minuten vor dem Schlusspfiff den Glauben an eine späte Wende. Anders als beim Happy End im Elfmeterschießen vor einem Jahr in Moskau gegen den FC Chelsea ergab sich der englische Meister in sein Schicksal. „An Abenden wie diesem muss man seinen besten Fußball spielen, das haben wir nicht gemacht. Für uns gibt es keine Ausreden, Barça war das bessere Team“, bekannte Manndecker Rio Ferdinand.

Während es in Rom nach dem Spiel friedlich blieb, kam es in Barcelona zu schweren Ausschreitungen. Die Polizei nahm 119 Personen vorübergehend fest. Die Behörden meldeten außerdem 240 Verletzte, von denen 23 Personen in Krankenhäusern behandelt werden mussten. Unter den Verletzten waren auch 90 Polizeibeamte. In der gesamten Region Katalonien nahmen die Sicherheitskräfte 15 weitere Personen in Gewahrsam.

Offiziellen Schätzungen zufolge waren am Mittwochabend rund 100.000 Menschen in Barcelonas Zentrum geströmt. Bei den Ausschreitungen hatten die Rowdys Polizeiabsperrungen niedergerissen, Müllcontainer in Brand gesetzt und die Sicherheitskräfte mit Blechdosen, Flaschen und Steinen beworfen. Die Polizei beschoss die Randalierer mit Gummigeschossen.

Die Auseinandersetzungen wurden dadurch ausgelöst, dass nach Mitternacht eine Gruppe von Gewalttätern Fernsehreporter mit Bierdosen und Flaschen bewarfen. Die Wurfgeschosse richteten sich vor allem gegen ein Team des staatlichen spanischen Fernsehens TVE, das live von den Feiern berichtet hatte.

Auch in anderen spanischen Städten strömten die Barça-Fans zu Tausenden auf den Straßen zusammen, um den Erfolg ihres Teams im Finale in Rom zu feiern. Dabei kam es auch in mehreren Orten in der Umgebung von Barcelona zu kleineren Zwischenfällen, bei denen insgesamt 15 Randalierer festgenommen wurden.