Die Absage des Kampfes Ruslan Chagaev gegen Nikolai Valuev wegen angeblicher Hepatitis-B-Ansteckungsgefahr seitens Chagaev verwundert Wladimir Klitschko.

Going. Das rote T-Shirt, das Wladimir Klitschko gestern im Training trug, hätte angesichts der Farce von Helsinki am vergangenen Wochenende auch als Provokation durchgehen können. „Fit und geimpft“ stand dort, es ist der Slogan des Pharma-Riesen Sanofi Pasteur, für den die Klitschko-Brüder werben. Die Absage des WBA-Schwergewichts-Duells zwischen Ruslan Chagaev und Nikolai Valuev wegen angeblicher Hepatitis-B-Ansteckungsgefahr seitens Chagaev hatte auch beim Weltmeister der Verbände IBF und WBO für Verwunderung gesorgt.

„Dass ein WM-Kampf am Abend vorher abgesagt wird, das ist kurios. Chagaev tut mir leid, er hatte schon so viel Pech mit Verletzungen und hatte sich gerade wieder herangekämpft. Die beiden haben schon 2007 gegeneinander geboxt, und da waren Chagaevs Werte bekannt, deshalb verstehe ich die Absage nicht. Ich hätte mich an Valuevs Stelle einfach impfen lassen, um den Kampf zu retten“, sagte Klitschko, der - wen wundert es bei diesem Sponsor - gegen Hepatitis auch wegen seiner regelmäßigen Reisen in tropische Gefilde geimpft ist.

Der 33 Jahre alte Ukrainer be-reitet sich derzeit und noch bis zum 14. Juni im „Stanglwirt“ in Tirol auf seine Titelverteidigung am 20. Juni in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen gegen den Briten David Haye (28) vor. Das Promi-Hotel am Fuße des Wilden Kaiser ist für die Klitschko-Brüder eine zweite Heimat, regelmäßig schlagen sie ihre Trainingscamps dort auf. Wladimir hat wie üblich ein vierköpfiges Team bei sich, bestehend aus Trainer Emanuel Steward, Co-Trainer James Bashir, Physiotherapeut John Knarr und Camp-Manager Dave Williams. Mit letz-terem teilt sich der Weltmeister eine kleine Hütte auf dem Gelände, wo er, anders als sein Bruder und WBC-Weltmeister Vitali (37), der stets im öffentlichen Hotelrestaurant speist, seine Mahlzeiten einnimmt, die aus-nahmslos von Williams zubereitet werden. „Wladimir isst im Trainingslager nichts, was nicht von mir zubereitet wurde. Wenn er etwas anderes essen würde, würde er Magenprobleme bekommen“, sagt Williams.

Tatsächlich braucht Klitschko geregelte Abläufe, um sich wohl-zufühlen. Sechs Tage in der Woche trainiert er, viermal macht er Sparring, zweimal wird geschwommen. Lauftraining in den Bergen absolviert der Zweimetermann nicht mehr. „Ich habe mit dem Schwimmen so gute Erfahrungen gemacht, dass ich es nicht mehr missen will. Seit zwei Jahren schwimme ich, anstatt zu laufen, und es macht mir großen Spaß“, sagt er. Laufen sei immer ein Zwang gewesen. „Beim Schwimmen spüre ich mittlerweile dasselbe wie beim Boxen: Ich muss es nicht tun, ich will es. Das ist der Unterschied“, sagt er.

Mit dem Briten Michael Sprott und Cedric Boswell aus den USA hat Klitschko zwei namhafte Sparringspartner aus dem Schwer-gewicht in Going dabei, wo die Gastgeber-Familie Hauser ihm wie üblich ein Drittel der Tennishalle für einen Ring und weiteres Box-Equipment freigeräumt hat. Ansonsten übt der Ukrainer mit Hauptwohnsitz Hamburg auch viel mit Cruisergewichtler Johnathon Banks oder Mittelgewichtler Andy Lee. Wichtigster Trainingsinhalt: Klitschko muss sich auf die Schnelligkeit und explosive Schlagkraft seines Gegners Haye (23 Kämpfe, 22 Siege, 21 durch K.o.) einstellen, der lange Zeit das Cruisergewicht dominierte und erst im Sommer vergangenen Jahres ins Schwergewicht aufstieg. Seine Sparringspartner sind deshalb alle kleiner, dafür aber schnell und explosiv. „Es gibt keinen Schwergewichtler auf der Welt, der stärker ist als die Klitschkos, aber unsere Sorge ist immer, dass jemand schneller sein könnte. Das trainieren wir mit den schnellen und beweglichen Partnern“, erklärt Steward.

Sprott, der schon in der Vorbereitung auf Klitschkos letzten Kampf im vergangenen Dezember gegen Hasim Rahman Sparringspartner war, ist von der linken Führhand des Champions sehr beeindruckt. „Wladimir schlägt einen unglaublich harten und schnellen Jab. Dazu bewegt er sich sehr gut. Es wird eine sehr harte Aufgabe für David Haye“, sagt er. Eine Prognose für das Duell will der Ex-Europameister jedoch nicht wagen. „Wladimir zeigt im Sparring sowieso nicht alles, was er kann. Aber Training und Kampf sind zwei völlig verschiedene Dinge. Ich bin gespannt, ob David einen Weg zum Sieg findet.“

Wie groß das Interesse an dem Kampf ist, beweist nicht nur die Zahl der bereits verkauften Tickets - mehr als 50.000 -, sondern auch der Fakt, dass 16 britische Journalisten den Weg nach Going auf sich genommen haben, um Klitschko im Camp zu beobachten. Im Camp von Haye, der sich in seiner Wahlheimat Zypern vorbereitet, waren lediglich englische Journalisten zugelassen. Dazu kommen in Going ein Dutzend deutsche Journalisten und mehrere Fotografen aller großen Agenturen. „Ich freue mich über das Interesse, das weltweit herrscht. Ich werde alles tun, um die Fans zufrieden zu stellen“, sagt Klitschko.