Der Kanadier trifft doppelt und bereitet den dritten Treffer beim zweiten Auswärtserfolg der Saison vor.

Aachen. Der Tivoli bebte. 21 200 Zuschauer sangen, klatschten und lagen sich in den Armen. Bilder, wie man sie aus der stimmungsvollen Arena kennt. Allerdings: Es war kein Treffer der Alemannia, den der Aachener Anhang gemeinsam mit den 3000 mitgereisten St.-Pauli-Fans so enthusiastisch bejubelte. Es lief die 56. Spielminute, und St. Paulis Alexander Ludwig hatte soeben das 3:0 für die Hamburger erzielt. Bitterböser Sarkasmus war es, den die Besucher zur Schau stellten.

Nach nur einem Sieg aus den vorangegangenen sieben Spielen ist die Stimmung beim ausgemachten Aufstiegskandidaten spätestens seit Sonntag umgeschlagen. Die nach dem Spiel folgenden Fanproteste konnten nicht mehr verhindert werden. Trotz deutlicher Überlegenheit in den letzten 20 Minuten gelang Aachen lediglich noch der 1:3-Anschlusstreffer durch Müller. Der FC St. Pauli hatte zwar in der Endphase etwas nachgelassen, sich den zweiten Auswärtssieg der Saison aber zuvor redlich verdient. "Wir waren griffig gegen den Ball und vorne effektiv", fasste Sportchef Helmut Schulte das Erfolgsrezept zusammen, "das war das erste richtig gute Rückrundenspiel."

Für David Hoilett war es dagegen nur ein weiteres. Der Kanadier mit jamaikanischen Wurzeln hatte bereits in den letzten, für St. Pauli insgesamt eher dürftigen Wochen für die wenigen Glanzlichter gesorgt und mindestens eine weitere Entwicklungsstufe genommen. Nun folgte in der Kaiserstadt Aachen die Krönung. Die ersten beiden Tore erzielte das 18 Jahre junge Talent selbst, das dritte bereitete es nach sehenswertem Alleingang für Ludwig vor. "Als ich auf den Torwart zulief, hatte ich für einen kleinen Moment überlegt, den Hattrick zu versuchen", gab Hoilett zu. Und so war sich der Mann des Tages ob seines uneigennützigen Ablegens nach dem Abpfiff auch eines respektvollen Schulterklopfers von Mannschaftskollege Ludwig sicher.

Lob vom Gegner gab es ebenfalls. "Ich hatte meine Mannschaft noch vor dem Spiel vor ihm gewarnt. Hoilett ist momentan in Topform", verriet Aachens in der Kritik stehender Trainer Jürgen Seeberger, dessen Entlassung die Fans forderten. Die Liste von Hoiletts Talenten ist lang: Er ist trickreich, schnell, dribbel- und zweikampfstark, trotz seiner herausragenden individuellen Fähigkeiten ein Teamspieler und stellt nun auch noch seine Torgefahr unter Beweis. Der offensive Mittelfeldspieler erzielte fünf der letzten sechs St.-Pauli-Treffer. "Er hat einfach eine phantastische Entwicklung genommen. Und er ist auch als Mensch einfach wunderbar. Den würde ich am liebsten adoptieren", sagt Holger Stanislawski über seinen von den Blackburn Rovers ausgeliehenen Rohdiamanten, den er gern noch ein weiteres Jahr schleifen würde. Die Gespräche mit den Engländern dauern an.

Dies war jedoch Zukunftsmusik, die im Moment des Erfolges nur leise im Hintergrund lief. Froh und zufrieden begaben sich die Hamburger nach dem Dank an die Zuschauer auf die Rückfahrt. "Das sind heute ganz neue Glücksgefühle für uns", frohlockte Carsten Rothenbach: "Auswärts gewinnen und dann auch noch von den gegnerischen Fans gefeiert werden. Wunderbar." Und Stanislawski ergänzte: "Jetzt haben wir am Sonntag gegen Augsburg schon am 25. Spieltag die Chance, unser vor der Saison gestecktes Ziel von 40 Punkten zu erreichen. Dafür ein dickes Lob an alle."


Aachen: Stuckmann - Casper (46. Nemeth), Szukala, Olajengbesi, Achenbach - Fiel - Polenz, Brinkmann (71. Milchraum), Müller - Holtby (64. Lasnik), Auer.

St. Pauli: Hain - Rothenbach, Gunesch, Eger, Lechner - Schultz, Bruns - Hoilett (89. Morena), Ludwig (79. Ebbers), Brunnemann - Hennings (75. Schnitzler).

Tore: 0:1 Hoilett (17.), 0:2 Hoilett (49.), 0:3 Ludwig (56.), 1:3 Müller (68.). Schiedsrichter: Welz (Wiesbaden). Zuschauer: 21 200. Gelbe Karten: Auer (5), Holtby (4) - Eger (3), Hoilett (4), Schultz (6).