Im Abendblatt spricht der Mannschaftskapitän über Naivität, falsche Taktiken, Titelträume und sein Karriereende beim HSV.

Hamburg. Er beißt auf die Zähne, schleppt sich trotz Schmerzen durch die Spiele - David Jarolim gilt beim HSV als vorbildlicher Kämpfer. Im Abendblatt spricht der Mannschaftskapitän über Naivität, falsche Taktiken, Titelträume und sein Karriereende beim HSV. Das Interview:


Abendblatt:

Herr Jarolim, was schmerzt Sie mehr, Ihr lädiertes Sprunggelenk oder die Niederlage in Mönchengladbach?

David Jarolim:

Natürlich die Niederlage. Den Knöchel kriege ich in ein paar Tagen hin, die Punkte sind weg.



Abendblatt:

Zumal es die zweite Niederlage in der Bundesliga in Folge war.

Jarolim:

Stimmt. Aber mehr ist auch nicht passiert. Es wäre Quatsch, die geäußerten Titelträume dafür verantwortlich zu machen. Von wegen Träumerei und so. Fakt ist, wir spielen eine hervorragende Saison und müssen uns unbedingt mit einem Titel belohnen.



Abendblatt:

Mit welchem? Mladen Petric nennt den Meistertitel als größtes Ziel.

Jarolim:

Das ist völlig egal. Wir haben in dieser Saison einfach nur zu viel Kraft und Zeit investiert, um am Ende ohne etwas zu bleiben.



Abendblatt:

Auch für Sie wäre es der erste Titel.

Jarolim:

Richtig. Das wäre die Krönung, in meinem ersten Jahr als Kapitän den ersten Titel für den HSV seit 22 Jahren zu holen.



Abendblatt:

Teilen Ihre Mannschaftskollegen Ihre Euphorie?

Jarolim:

Klar, warum nicht? Wir haben uns gegen Gladbach einen Ausrutscher erlaubt, aber das ist keine Katastrophe.



Abendblatt:

Ihre Defensivbilanz, die letzte Saison noch das große Plus war, indes schon.

Jarolim:

Die Gegentore schon, aber das ist keine reine Abwehrproblematik, sondern unser gesamtes Defensiverhalten, das momentan naiv ist.



Abendblatt:

Naiv?

Jarolim:

Ja, es ist naiv zu glauben, wir könnten mit den ganzen englischen Wochen in den Beinen immer wieder unsere Gegner in Grund und Boden laufen. Deshalb müssen wir uns von Wünschen trennen.



Abendblatt:

Wünsche?

Jarolim:

Wir wollen nicht einfach nur gewinnen, sondern dabei auch noch schön spielen. Das ist aber nicht nötig. Stattdessen sollten wir auch mal hässlich, dafür aber taktisch cleverer auftreten und eben schmutzige Siege einfahren. Wie jetzt gegen Istanbul. Da müssen wir sprichwörtlich 'Gras fressen'. Und wenn wir das fünfmal in Folge machen, jubeln uns die Fans am Ende genauso zu wie nach spektakulär schönen Siegen. Und das übrigens vollkommen zu recht. Nur das kann unser Weg sein.



Abendblatt:

Und Ihr Weg hält Sie beim HSV?

Jarolim:

Der Verein und ich sind uns einig, die Unterschrift ist nur eine Frage der Zeit.



Abendblatt:

Demnach bleiben Sie bis 2012?

Jarolim:

Ja. Ich habe in den letzten Jahren eine weite Strecke mit dem HSV zurückgelegt - und hier geht es weiterhin nach vorn. da möchte ich dabei sein. Zumal, wenn wir jetzt unseren ersten Titel seit Jahrzehnten feiern. Nach dem vertrag bin ich 33 - und selbst da muss noch nicht Schluss sein.



Abendblatt:

Sie werden hier richtig sesshaft, oder?

Jarolim:

Ja. Ist das schlecht?



Abendblatt:

Nein, damit ist der Zuzug ihrer Freundin gemeint, die jetzt bei Ihnen wohnt.

Jarolim:

Ja, das stimmt und ist eine neue Situation für mich, die mich sehr, sehr wichtig war und mich glücklich macht. Fehlt nur noch ein Titel...



Abendblatt:

Privat?

Jarolim:

(lacht): Gute Frage! Nein, im Ernst: erst kommt der HSV und dann überlegen wir, was wir privat hinzaubern.