Das Abendblatt sprach mit Wolfsburgs Trainer Felix Magath, der eine besondere Beziehung zum HSV hat. Schon die erste Antwort des Interviews überrascht, denn für Magath holt sein Gegner im Sonntagsspiel den Titel. Sehen Sie hier die möglichen Aufstellungen der beiden Nordklubs für das Derby am Sonntag. Bilder von Felix Magath.

Hamburg/Wolfsburg. 16 Jahre lang war Felix Magath für den HSV als Spieler, Manager, Co-Trainer und Trainer tätig. Am Sonntag (17 Uhr, Nordbank-Arena) kehrt der 55-Jährige als Coach des VfL Wolfsburg zum Bundesliga-Spitzenspiel gegen den HSV nach Hamburg zurück. Das Abendblatt sprach mit ihm über die Lage der Liga.


Abendblatt:

Herr Magath, wer wird deutscher Meister?

Felix Magath:

Der HSV.



Abendblatt:

Ist das Ihr Ernst?

Magath:

Die Mannschaft ist ein Meisterschaftskandidat. Das Stadion und die Zuschauer sind bei sieben ausstehenden Heimspielen wichtige Faktoren, in der Stadt kann eine Euphorie entstehen, die das Team zum Titel trägt. Die kompakte Vorstellung gegen Leverkusen hat mir imponiert. Dort zu gewinnen hinterlässt schon eine Duftmarke, denn Leverkusen hatte ich vorher stärker als den HSV eingeschätzt.



Abendblatt:

Die Bayern haben Sie nicht mehr auf der Rechnung.

Magath:

Doch, doch. Die holen am Ende den Titel, wer sonst? Sie haben den besten Kader, und dass sie nach drei Niederlagen in der Rückrunde nur vier Punkte Rückstand auf die Tabellenführung haben, belässt sie in einer komfortablen Situation. Die Bayern werden bis zum Saisonende nicht noch mal drei Spiele verlieren, und dann sollte es für sie reichen.



Abendblatt:

Vergessen Sie den VfL Wolfsburg nicht.

Magath:

An den denke ich Tag und Nacht. Wir nehmen alles mit, was kommt. Hoffenheim, Leverkusen und wir haben junge Mannschaften, deren offensive, risikoreiche Art zu spielen bisher belohnt wurde - und die Liga bereichert und spannend gemacht hat. Ob auch die nötige Reife und Abgeklärtheit, die man zum Titelgewinn braucht, bereits vorhanden ist, werden wir sehen. Leverkusen zum Beispiel hat sich am vergangenen Sonntag beim 1:2 gegen den HSV in einigen Situationen recht naiv angestellt. Das wurde von einem cleveren Team wie dem HSV bestraft. Hoffenheim, Leverkusen und Wolfsburg werden in den nächsten Jahren jedoch ernsthaft um den Titel mitspielen und ihn vielleicht auch gewinnen - wenn die Klubs ihre Leistungsträger halten können.



Abendblatt:

Sechs Vereine können 13 Spieltage vor Saisonende noch deutscher Meister werden. Das gab es in der Vergangenheit selten. Spricht das für oder gegen die Qualität der Bundesliga?

Magath:

Würden Schalke und Werder Bremen nicht überraschend ausdauernd schwächeln, wären es sogar acht. Die Bundesliga bleibt für mich die stärkste Liga der Welt - in der Breite. In fast jeder Begegnung wird 90 Minuten lang mit großer Verbissenheit um jeden Ball gekämpft. Diese Intensität gibt es in England, Frankreich, Spanien und Italien nur in Spitzenspielen. Diese vier Ligen sind nicht so ausgeglichen besetzt wie die Bundesliga. Sprechen wir allerdings über das Topniveau, über die Möglichkeit, die Champions League zu gewinnen, sind wir Mittelmaß. Außer Bayern München sehe ich keine deutsche Mannschaft, die auf diesem Niveau mithalten könnte. Bei Werder Bremen und Schalke hatte ich eine zeitlang den Eindruck, dass sie zu den Bayern aufschließen könnten. Inzwischen haben beide Klubs mit ganz anderen (internen) Problemen zu kämpfen.



Abendblatt:

Was fehlt der Bundesliga 2009?

Magath:

Es hat sich wenig geändert. Wir haben zwar weiter viele Ausländer, die besten spielen aber woanders, dort, wo es mehr Geld zu verdienen gibt und die Steuersätze günstiger sind. Und für viele Fußballer scheint das Leben im Süden angenehmer zu sein als bei uns, wo du in jedem Spiel Vollgas geben musst.



Abendblatt:

Schwächt sich die Bundesliga mit ihrer Ausgeglichenheit im internationalen Wettstreit?

Magath:

Das ist schwer zu beurteilen. In der Bundesliga lernen die Spieler die nötige Wettkampfhärte, andererseits können die deutschen Klubs im Europapokal auf Mannschaften treffen, die ihre besten Spieler genau für diese Begegnung geschont haben - was kein Vorteil sein muss. Die Bundesliga wird in dieser Saison ihren fünften Platz in der Uefa-Rangliste behaupten, und da gehören wir mit unseren Strukturen offensichtlich auch hin.



Abendblatt:

Weil es den Klubs durch die 50+1-Regelung verboten ist, ihre Macht an Großinvestoren abzugeben? Sprechen nicht die erfolgreichen Beispiele Hoffenheim, Leverkusen und Wolfsburg dafür, die alle von nur einem Geldgeber abhängig sind, andere Modelle zuzulassen?

Magath:

Hoffenheim, Leverkusen und Wolfsburg werden immer aufs Geld reduziert. Das ist zu einfach. In diesen Klubs, Wolfsburg hinkt da noch ein bisschen hinterher, sind über Jahre Strukturen geschaffen worden, ist in die Jugend investiert worden. Das beginnt sich jetzt auszuzahlen. Auch Hoffenheim ist über viele Jahre gewachsen. Der wichtigste Unterschied zu den Traditionsvereinen ist: Wenn es bei denen mal schlecht läuft, kommt es schnell zum Paradigmenwechsel und alte Grundsätze werden voreilig über Bord geworfen. Hoffenheim, Leverkusen und jetzt auch Wolfsburg setzen auf Kontinuität. Aber auch wir haben unsere Erfolgskontrollen und überprüfen unsere Arbeit ständig.



Abendblatt:

Um auf Dauer ohne Investor erfolgreich sein zu können, muss man schon Bayern München sein. Warum hat der HSV nach dem Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1983 diese Kurve nicht gekriegt?

Magath:

Weil die Stadt Hamburg jahrzehntelang nicht in die Infrastruktur investiert hat. Mit dem alten Volksparkstadion war kein Geld zu verdienen, der HSV war nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Bayern hatten dank der Olympischen Spiele 1972 in München früher als andere ein damals modernes Stadion - und damit optimale Voraussetzungen. Die haben sie professionell genutzt.