Rausdorf. Feuerwehrfrau Frederica Reinwaldt ist ein Gesicht der Kampagne „Respekt für Retter“. Was sie erlebt, macht sie manchmal fassungslos.
Sie ist eines der prägenden Gesichter der Kampagne „Respekt für Retter“, der gemeinsamen Initiative der Kreise Stormarn und Ostholstein. Sympathisch, selbstbewusst und überzeugend wirbt Frederica Reinwaldt dafür, Einsatzkräften von Feuerwehr, Polizei, Rettungsdiensten und THW jene Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdienen.
„Immer mehr Menschen offenbaren indes zu wenig Respekt vor dem, was wir leisten. Es kann nicht sein, dass wir bei Notfällen immer öfter behindert, bedrängt, ja sogar beschimpft und beleidigt werden“, sagt die 27 Jahre alte Feuerwehrfrau aus Rausdorf im Amt Trittau. Deshalb sei aus ihrer Sicht die Zeit reif, dieser Tendenz mit einer Kampagne zu begegnen.
„Respekt für Retter“: Gaffer behindern immer öfter Einsätze von Rettungskräften
Dass es zunehmend weniger Geduld und Verständnis für gewisse Sicherungsmaßnahmen bei Rettungseinsätzen gebe, kann die gebürtige Hamburgerin nicht nachvollziehen. „Dass sich Mitglieder in einer Freiwilligen Feuerwehren ehrenamtlich fürs Gemeinwohl engagieren, ist vielen offenbar nicht bewusst“, sagt die Jurastudentin an der Uni Hamburg: „Und dass wir dabei nicht selten für andere unser Leben riskieren, anscheinend auch nicht.“
Aber vielleicht rühre das auch daher, dass insbesondere aufs Land ziehende Städter ein völlig falsches Bild von den Feuerwehren in den Gemeinden hätten, sinniert sie. In Großstädten gebe es oft noch Berufsfeuerwehren, deren Hauptjob es nun mal sei, zu löschen, zu helfen und zu retten. Wegen zu wenig Berührungspunkten mit dem dörflichen Leben sähen viele Zugezogene in den Feuerwehren dort zuweilen einen „Klub alter Männer“.
Frederica Reinwaldt: Feuerwehren sind für dörfliche Gemeinschaft elementar
„Natürlich fehlt es vielen Wehren, vor allem in kleinen Gemeinden, an Nachwuchs und Frauen. Das schmälert aber nicht ihre Verantwortung für den Bevölkerungsschutz und die vielfältigen technischen Hilfsleistungen bei Unfällen, Sturmschäden und anderen Notfällen“, erklärt Reinwaldt.
Als sie selbst 2018 aus Hamburg-Volksdorf nach Rausdorf gezogen sei, habe sie recht schnell erfahren, was die Feuerwehren auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Dörfern leiste. „Sie bringt Menschen zusammen – beim Osterfeuer, bei Skat- und Kniffelabenden, beim Dorffest. Das wird gern unterschätzt, ist für eine dörfliche Gemeinschaft aber elementar“, so Reinwaldt. Da entwickelten sich viele tiefe Freundschaften, auch über die Feuerwehr hinaus.
Gesicht der Kampagne „Respekt für Retter“ ist seit 2020 auch Gruppenführerin in einem Gefahrgutzug
Deshalb musste man sie auch gar nicht lange bitten, die Reihen der Wehr in Rausdorf zu verstärken. Dabei hegte anfangs der eine oder andere Zweifel, ob die schlanke junge Frau den physischen Anforderungen im Ernstfall überhaupt gewachsen sei. „Mit derlei Skepsis sehen sich Männer untereinander nur höchst selten konfrontiert. Klar komme ich bei gewissen Hilfsleistungen auch mal an meine körperlichen Grenzen. Ich denke aber, dass die zumeist nicht so weit entfernt von denen manches Mannes liegen“, sagt Reinwaldt.
Inzwischen genießt die Hauptfeuerwehrfrau 3 Sterne längst höchsten Respekt unter ihren Gefährten. Zumal sie seit 2020 auch noch den Gefahrgutzug einer Katastrophenschutzeinheit des Kreises verstärkt, noch dazu im Range einer Gruppenführerin. „Ich bin jung, fit, und es braucht Menschen, die sich dieser Aufgabe stellen. Deshalb war es für mich keine Frage, mich auch dort einzubringen“, so Reinwaldt. Mit voller Überzeugung und großer Leidenschaft, wie sie noch hinzufügt.
Nach Unfall 16 Stunden die A1 von Ameisensäure befreit
„Das Zusammenwirken in diesen Teams ist eine gute Charakterschule“, sagt Frederica Reinwaldt. Es trainiere das resiliente Verhalten in Stresssituationen, stärke das Selbstbewusstsein, helfe, die eigenen Grenzen zu erweitern und daran zu wachsen. Insbesondere bei schwierigen Einsätzen.
So etwa, als Ende Oktober 2021 ein Tanklastzug an der A1-Anschlussstelle Bad Oldesloe mit einem Brückenpfeiler kollidiert war. „Beim Aufprall ist der Tank gerissen, und Tausende Liter Ameisensäure hatten sich über die Fahrbahn ergossen“, berichtet sie. 16 Stunden hätten die Mitglieder des Gefahrgutzuges damit zugebracht, die giftige Substanz zu neutralisieren. Unter Atemschutz und in speziellen Schutzanzügen.
„Respekt für Retter“: Gaffer ignorieren aus Neugier und Ungeduld Absperrungen
Trotzdem haben Schaulustige Absperrungen ignoriert, um sich dem Unfallort zu nähern. „Wenn wir da rumlaufen wie die Astronauten, würde ich mich als Unbeteiligter allein schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb fernhalten. Es war wirklich erstaunlich, wie viel Unvernunft sich da Bahn brach“, erinnert sich Reinwaldt.
Die Gafferei und der Drang, sich mit Selfies und Filmchen wichtig zu machen, habe in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. „Immer wieder kommt es vor, dass Leute in die Einsatzstellen laufen“, berichtet die Feuerwehrfrau mit dem rotblonden Schopf. Teils aus Neugier, teils aus ungezügelter Ungeduld.
Frederica Reinwaldts emotionaler Moment: Kaltblut in Grande aus einem Moor befreit
„Als Mitte November 2022 in Witzhave eine Scheune mit 150 Strohballen, Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Maschinen abgebrannt ist, drängten uns Anwohner noch vor Ende des Einsatzes, die Straße freizugeben, nur weil sie schnell nach Hause wollten. Als wir darauf hinwiesen, dass die Löscharbeiten noch andauern, sind die Leute zum Teil laut geworden und haben uns beschimpft“, so Reinwaldt.
Emotional tief beeindruckt hat sie eine dramatische Rettungsaktion im September 2022, als an einem Feldweg bei Grande ein Pferd im Moor versunken war. Fast drei Stunden kämpften Mitglieder von fünf Wehren mit Schaufeln und bloßen Händen, um das große Kaltblut aus seiner misslichen, lebensbedrohlichen Lage zu befreien.
Ehrenamtliche Retter: Auch Familie, Freunde und Arbeitgeber sind gefordert
„Das ist mir vor allem deshalb so nahe gegangen, weil ich das Pferd kannte“, gesteht die passionierte Reiterin mit einer Beteiligung in Wentorf. Umso glücklicher sei sie schließlich gewesen, als Henry kurz vor Einbruch der Dunkelheit mithilfe der Frontgabel eines Treckers endlich aus dem Moor gehievt und sichtbar erschöpft, aber gesund seiner Besitzerin übergeben werden konnte.
„Das sind unbezahlbare Momente, die für die vielen Stunden dieses durch Einsätze und Übungen äußerst zeitintensiven Ehrenamts entschädigen“, sagt Frederica Reinwaldt. Das erfordere unterdessen auch viel Verständnis und Unterstützung der Familie, der Lebenspartner und der Arbeitgeber.
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„Respekt für Retter“-Gesicht hat gerade auch politisch eine Mission
„Ich habe da Glück: Mein Freund ist selbst Notfallsanitäter bei der Berufsfeuerwehr in Lübeck. Und auch meine Kollegen bei der PR-Agentur Faktor 3, wo ich neben dem Studium als Werkstudentin arbeite, zeigen sich sehr verständnisvoll und kulant, wenn ich zu Einsätzen gerufen werde oder Lehrgänge wahrnehme“, erzählt die Retterin mit dem großen Herzen.
Die sich in den kommenden Wochen noch mit einer weiteren, nicht minder anspruchsvollen Herausforderung konfrontiert sieht: Als Kreisvorsitzende der Jungen Liberalen will die taffe Allrounderin nämlich alles tun, um ihrer nach dem Bruch der Ampelkoalition in Berlin unter Druck stehenden Partei bei der kommenden Bundestagswahl im Februar über die Fünf-Prozent-Hürde zu helfen.